Werner Wadepuhl

Cinque Terre

Aus meinem Reisetagebuch
Cinque Terre.



Cinque Terre ist ein „Muss“, wenn man schon hier in der Gegend ist. Nur zirka dreißig Kilometer von unserem Urlaubsort entfernt muss man halt durch La Spezia, aber das ist kürzer als die Route Parisienne um Paris auf dem Weg in die Bretagne. Unter Kennern und Italienfreunden gilt Cinque Terre oder die „Fünf Welten“, die der Name eigentlich bedeutet, zu den schönsten und typischsten Landschaften Italiens, die nicht umsonst zu einem UNESCO Weltkulturerbe ernannt wurden. Für Menschen, die gut zu Fuß sind und Freude am Wandern im Gebirge am Rande des Meeres haben, bietet es eine unbeschreibliche Fülle von Möglichkeiten von dem halbstündigen Spaziergang auf gefliestem Weg bis zur mehrtägigen Wanderung bergauf, bergab von Levanto über Riomaggiore bis Portovenere, ja bis letztendlich nach La Spezia
.
Ein Lichtbildvortrag, zufällig in der Zeitung entdeckt und auf sanften Zwang von Carola besucht hatte mich schon vor einigen Monaten über diese Gegend informiert und so war ich nicht ganz fremd mit dem, was uns da erwartet. Die Schönheit dieses Stückchen Landes hat sich weltweit herumgesprochen und neben eindrucksvollen Bildern dieser wirklich überwältigenden Landschaft mit seinen Steilküsten, bizarren Felsformationen, malerischen, auf Hügeln oder in kaum erreichbaren Buchten angeordneten Dörfern und Städtchen hat man mir auch Bilder von völlig zugeparkten Straßen und auf schmalen Wanderwegen sich drängenden Menschenströmen gezeigt mit dem Hinweis, dass es hier nahezu fast das ganze Jahr Saison ist und es nur in den kalten, stürmischen Wintermonaten ein bisschen ruhiger wird.

Gut, heute ist Herbstanfang, die eigentliche Urlaubssaison sollte zu Ende sein und wenn wir uns heute, am Freitag zu einer Fahrt dorthin entschließen, dann müsste das doch wenigstens ein bisschen besser sein als am Wochenende. Also, machen wir es doch heute.
Ich gewöhne mich an den italienischen Fahrstil, Grün ist immer, Gelb nur zum Spaß und Rot eine Empfehlung für Unsichere, es sei denn, ein Carabinieri steht zufällig an der Kreuzung.
In einem langen Karree umfahren wir die weitläufigen Hafenanlagen und noch in La Spezia teilt sich die Straße nach Süden, nach Portovenere oder hinauf in die Berge und hinüber nach Cinque Terre, nach Riomaggiore.
Ein Tunnel von 1023 Metern Länge erspart zahlreiche Serpentinen und vor uns liegt die Weite des Mittelmeeres, zwar diesig, aber unter strahlendem Himmel. Ein leichter Wind aus Südwest, das Thermometer zeigt 25°C an und dann geht es steil bergab, hinunter nach Riomaggiore auf enger Straße, immer wieder an Reihen parkender Autos vorbei..
Wir sind am Ziel unserer Fahrt, lesen ein Dutzend Schilder, meist ist etwas verboten oder privat, tasten uns langsam an den Ort heran und versuchen, irgendwo ein Parkplätzchen zu finden, was einer hinter uns ebenfalls versucht.
Irgend jemand wird schon schreien, wenn ich etwas Falsches mache. Ich fahre rückwärts, wende, versuche es auf’s Neue und, denke ich mir’s doch, darauf ist Verlass: Aus einer Bretterbude etwas oberhalb der steilen Straße ruft es gestikulierend: wir brauchen „un biglietto“!
Carola steigt aus, holt sich den Zettel und bekommt den Hinweis: ab zwanzig Uhr ist das Parkhaus geschlossen. Aber wo ist das Parkhaus. Wir tasten uns auf dem bahndammähnlichen Gefälle langsam nach unten, stehen vor einer Barriere mit einer abwinkenden „Carabiniera“, auf dem Weg bis dorthin rechts und links kein einziger freier Parkplatz und versuchen, rückwärts durch Rudel von nach unten strömenden Menschen wieder zum Ausgangspunkt zurück zu kommen. Wir denken schon daran, das biglietto zurückzugeben und es woanders zu versuchen, unser Auto loszukriegen, da öffnet sich links am Hang eine Schranke, gleichzeitig sehe ich im Rückspiegel den Parkwächter eifrig mit dem Arm fuchteln, offensichtlich sollen wir da hinein fahren und tatsächlich, nach einer wiederum steilen Auffahrt erreichen wir eine Reihe kleiner Zellen in den Hang hineingebaut, die schmäler sind als unsere Garage zu Hause. Ich muss Carola bitten, auszusteigen, damit ich wenigstens auf einer Seite eine Tür halbwegs öffnen kann, wenn ich in dem Loch drin stehe und schaffe es tatsächlich mit nur zweimal hin und her da hinein zu kommen. Ein Mercedes, der nach uns kommt, tut sich da sichtlich schwerer.
Wir nehmen Nelli an die Leine, versuchen diesem eigenwilligen Parkhaus zu entkommen und landen vor einer Treppe in der fünften Etage aus puren Gitterrosten, unüberwindbar für unseren Hund. Also zurück zur Auffahrt, die von Fußgängern zu benutzen durch eindeutige Schilder auch ohne Italienischkenntnisse ausdrücklich verboten ist.
Da öffnet sich die Schranke, wir deuten auf unseren Hund und erheben entschuldigend eine Hand zum Parkwächter, alles kein Problem. Er lächelt nur, typisches und liebenswertes Italien. Keiner pocht hier auf Recht und Ordnung, es ist einfach nur menschlich und irgendwie neugierig und glücklich nähern wir uns dem Ortszentrum.

Zum Bahnhof, zum Meer und letztendlich zu dieser romantischen Via Amorosa kann es eigentlich nur bergab Richtung Meer gehen.
Wir fühlen uns alles andere als einsam, ein Ambiente, das wir glücklicherweise beide zu vermeiden trachten, Aber man kann nun mal das Eine nicht haben ohne das Andere zu akzeptieren und so lassen wir uns eben von den nicht versiegenden Menschenmassen aller Nationalitäten nach unten spülen.
Rechts und links einladende Geschäfte und jede Menge Angebote für Ferienwohnungen oder einfachen Übernachtungsmöglichkeiten. In jenem Lichtbildvortrag wurde schon auf die schmalen, dafür aber bis zu fünf Etagen in die Höhe reichenden Häuser hingewiesen. Die gegenseitige Rücksichtsnahme erforderte, möglichst wenig Grund und Boden für sich zu beanspruchen und seinen Bedarf lieber in der Höhe mit mehreren Etagen zu befriedigen. Ganz oben, so wurde mir erzählt, wohnt häufig die Oma, der das Treppensteigen meist zu beschwerlich wird und die da oben dann eben ruhig und zurückgezogen vor sich hin lebt. Ob das wahr ist, weiß ich nicht, aber denkbar wäre es zumindest.
Etwas weiter wird Nelli wütend von so einem Winzling von Yorkshire-Terrier angekläfft. Nelli tut wie immer leicht angewidert und wendet sich lautlos ab, aber ein größerer, offensichtlich einheimischer Hund , nähert sich, von dem wilden Gekläff angelockt, diesem von seinem Frauchen an der Leine geführten Rattenfänger. Da schmeißt sich diese handvoll Hund vor dem großen Schwarzen unterwürfig auf den Rücken und sein Frauchen, die davon nichts merkt, zieht ihn unter dem Gelächter der Passanten auf dem polierten Marmorboden eine Weile talwärts.

Wir kommen schließlich zum Bahnhof, finden ein Hinweisschild zur Via Amorosa und müssen einen langen Fußgängertunnel durchqueren, dessen Ende durch eine leichte Krümmung nicht zu sehen ist, steigen am Ende wieder ein paar Treppen in die Höhe und stehen am Eingang zu besagtem Wanderweg vor einem kleinen Stau und einem nicht zu übersehenden Hinweis in Italienisch und Englisch, dass wir unsere biglietti vorzuzeigen hätten, doch wir haben keine. Menschenmassen ziehen an uns vorbei, wir hören englisch, holländisch, sächsisch, württembergisch, pfälzisch, hin und wieder auch mal italienisch. Wir zaudern, was soll denn das nun wieder.
Wir beraten uns kurz und Carola fragt dann eine hochgewachsene junge Dame, die mitunter vergeblich das einströmende Publikum um ihre biglietti bittet und sie dann, bedingt durch offensichtliche Verständigungsschwierigkeiten, resigniert weiterlaufen lässt, Carola fragt also besagte junge Dame und wir erfahren, dass für diesen etwas mehr als zwei Kilometer langen Weg nach Manarola pro Person drei Euro zu entrichten seien und Nelli kostenlos den Weg benutzen darf.
Eigentlich wollten wir uns dieses Neuschwanstein - Getümmel ersparen und nur mal so um die Ecke schauen, aber jetzt im Besitze gültiger biglietti schreiten wir mal munter voran, soweit es uns Nellis ständiges Schnuppern überhaupt ermöglicht und sind von dem, was uns hier geboten wird, sehr angetan.

Es dauert nicht lange und wir einigen uns, bis Manarola zu laufen, das dauert mit Hund höchstens eine Dreiviertelstunde und von dort halt mit der Bahn wieder zurück zu fahren. Gesagt, getan und die Menschenströme kommen schubweise und dies, wie wir sehr bald merken, einfach dadurch, dass nahezu alle halbe Stunde Regionalzüge verkehren und die gut Informierten ihre Wanderungen nach dem Bahnfahrplan richten.

Dieser Via Amorosa hat seine eigene, zu seinen Anfängen durchaus romantische Geschichte und wurde erst über viele Jahrzehnte, immer wieder durch Felsstürze verschüttet, der letzte erst im vergangenen Jahr, zu dem ausgebaut, was er heute darstellt und er ist durchaus, wenn man den Aufwand bedenkt, seine Maut wert
Einst sollen irgendwelche Jünglinge aus Riomaggiore bei ihren Wanderungen übers Gebirge in die nächste Welt, nämlich nach Manarola entdeckt haben, dass es dort bildhübsche Mädchen gibt. Aber nach dem mehrstündigen Marsch über die Berge hatten sie meist keine Lust mehr zum Tanzen und Schäkern und außerdem mussten sie ja möglichst vor Einbruch der Dunkelheit wieder zu Hause sein. Es spielte sich also sozusagen nicht allzu viel ab, doch abends in den Kneipen schwärmte man immer wieder davon, was andere Eltern für hübsche Töchter hätten.
Irgendwann wurde dann die Bahnlinie von La Spezia nach Genua gebaut, und weil es an dieser Steilküste keinen Platz dafür gab, bohrte man fleißig Löcher durch den Fels und trat dabei in den einzelnen engen Tälern, in denen nun mal Ortschaften lagen, für kurze Zeit, manchmal, wie hier bei Corniglia, das dafür vom Meer aus nicht erreichbar ist, auch mal ein längeres Stück wieder ans Tageslicht.

Das gab auch den Einheimischen für einige Jahre Arbeit und Brot und solange die Bahnlinie noch nicht in Betrieb war, konnte man hin und wider illegal und mit einer Ölfunzel recht bequem zum Schwarm seiner schlaflosen Nächte gelangen. Die Kontakte zwischen diesen Welten wurden enger, doch mit der Inbetriebnahme der Bahnlinie war das alles vorbei, es war nicht nur strikt verboten, was einen verliebten Italiener sicher nicht hindern kann, aber es wurde in den dunklen, engen Tunnelröhren zu gefährlich. Und welcher Italiener liebt nicht dieses Leben. Kurzum, es musste eine andere Lösung gefunden werden.
Inzwischen waren die jungen Burschen gewohnt, mit Hammer und Pickel dem Fels zu Leibe zu rücken und man einigte sich nach ein paar Gläsern Rotwein, sich doch eine eigene, bequeme Trasse zu bauen, die an den Steilwänden über dem Meer nicht ganz ungefährlich war, aber den Weg zwischen den beiden Orten Riomaggiore und Manarola wieder auf eine knappe halbe Stunde verkürzte. Sicher, man hätte vielleicht auch mit der Bahn fahren können wie heute in knapp zwei Minuten, aber wer kennt die Geschichte wirklich genau und wer kennt den Fahrplan und die Preise von damals. Ich habe mir diese nun mal so erzählen lassen und sie ist doch wirklich glaubhaft und vor allem sehr romantisch. Wer allerdings die heutige Via Amorosa mit ihren Menschenströmen kennt, kann sich kaum vorstellen, das man sich damals auf halbem, Wege zum ungestörten Schmusen treffen konnte.



Wir spazieren, wandern kann man das hier wirklich nicht nennen, wir spazieren also in aller Ruhe nach Manarola, bestaunen immer wieder diese bizarren Gesteinsformationen, die mehr an verwittertes Holz denn an Fels erinnern und sehen dabei unten auf dem Wasser ein Schiff dahin ziehen, das uns auf eine weitere Idee bringt.
Warum eigentlich U-Bahn-ähnlich gleich wieder zurück, wir haben doch genau betrachtet den ganzen Tag Zeit und warum nicht noch weiter nach Norden, wer weiß, ob wir jemals wieder hierher kommen, Gedanken, die mein Hirn in Bewegung halten, und ich bin mir erfahrungsgemäß sicher, dass es uns zu Hause ewig leid täte, nicht mehr Eindrücke aus diesem wundersamen Land mitgenommen zu haben.

Am Bahnhof in Manarola schauen wir uns mal den Zugfahrplan an, die Zugdichte ist recht brauchbar. Um eventuell mit dem Schiff zurück zu fahren und damit ein bisschen mehr zu sehen, suchen wir den Hafen auf, müssen dabei eine sehr steile Treppe mit sehr engen Stufen hinuntersteigen, für Nelli mal wieder eine echte Herausforderung und finden heraus, dass ein Schiff sogar etwas früher fährt als die Bahn, aber ein anderes Schiff bereits in zehn Minuten zur Weiterfahrt nach Vernazza anlegt.. Na, wenn das kein Hinweis ist. Wir lösen ein Ticket für uns beide für je fünf Euro, Nelli ist wieder gebührenfrei und begeben uns mal zur Anlegestelle, die mich als ehemaligen Yachtie mehr als beeindruckt, denn sie liegt beinahe wild romantisch am Fuße einer Steilwand.

Wir laufen nach mehreren weiteren Treppen auf einem schmalen, betonierten Streifen an dem kleinen Hafen für die einheimischen Fischerboote entlang, der offensichtlich durch natürliche Felsbarrieren vor der Brandung geschützt liegt, zwängen uns durch einen engen Felseinschnitt, der beinahe an eine Theaterkulisse erinnert und stehen mit einigen anderen, bereits wartenden Interessenten auf einem kleinen, betonierten Platz, kaum größer als unser Wohnzimmer. Da bin ich aber mal gespannt, wie das funktionieren wird?
Wir setzen uns zusammen auf einen kleinen Felsvorsprung und schon kommen scharenweise weitere Fahrgäste, die offensichtlich mit dem Zug nach Manarola gekommen sind, Engländer, Holländer, Württemberger und... Sachsen, Sachsen mit Hund, eine ganze Horde von „drüüm“.
Da nähert sich in rascher Fahrt dieses weiße Schiff mit weit ausladendem Bug, das wir schon vor einer knappen Stunde vom Fußweg aus gesehen und fotografiert haben. Jetzt wird es spannend.
Am Bug stehen neben einer langen, schmalen Gangway je ein marinaio, einer von ihnen hält die wie ein Lasso geschlungene Leine in der Hand, scheucht eine auf dem einzigen Poller sitzende Frau mit lautem attentione von ihrem Platz und wirft die Leine zielsicher darüber und das auf slip, wie es im Fachjargon heißt, also in einer Schleife, mit der er das Boot nahe genug an Land zieht, sodass von dem zweiten Besatzungsmitglied die Gangway herübergeschoben werden kann. Wie beide das machen, ist echt gekonnt und vor allem der Leinenwurf bleibt mir ein bisschen rätselhaft. Und da es keine Muring gibt, lässt der Käpt’n einfach die Maschine rückwärts laufen und zieht sich in der nur von einer leichten Dünung bewegten See an der strammen Leine nach hinten, weg vom Ufer, eindampfen in die Spring heißt das unter Seeleuten.
Die Passagiere hangeln sich rasch über den ständig schwankenden Laufsteg mit hohem Geländer, ich gehe, als wir an der Reihe sind, vorneweg, um Nelli eventuell helfen zu können, die drei kurzen Stufen an Deck herunter zu kommen, denn alles ist in ständiger Bewegung, aber Nelli hüpft wie eine Junge herunter, gefolgt von Carola und einigen erstaunten Äußerungen der Leute, die das ganze Manöver beobachtet haben. Wie das wohl ablaufen wird, wenn es einen stärkeren Seegang gibt? Das wird dann eher eine Übung für Artisten, aber nicht für Oma.

Nur knappe zwanzig Minuten dauert die Fahrt nach Vernazza, aber was gibt es da nicht alles zu bewundern.

Das Boot scheint diese Voith-Schneider Propeller zu haben, denn es dreht auf der Stelle und kann sich auch seitlich bewegen und es hinterlässt, wie unschwer zu sehen, schon zwei recht kräftige Heckwellen.
Von Manarola aus geht es schnurgerade nach Nordwesten, nach Vernazza als nächste Anlegestelle, denn Corniglia verfügt über keine Möglichkeiten, keinen Hafen und ist nur über die Berge oder eben per Bahn zu erreichen und Punta Palma nennt sich nur ein spärlich besiedeltes Kap mit einigen weiter oben gelegenen Dörfern.
Schon nähern wir uns Vernazza, jenem Ort, von dem der Referent des bereits erwähnten Lichtbildvortrages immer wieder schwärmte, weil es dort den besten Pesto zu seinen Spaghettis gibt und wo es ihn immer wieder hinzieht.
An der Anlegestelle herrscht reges Treiben, wir sind wirklich nicht alleine und schauen uns mal ein bisschen um.
Was uns bereits mehrfach aufgefallen ist, es sind viele und zwar in der Regel weibliche Wanderer unterwegs, die mit Klappsitz, Malutensilien, ja mitunter sogar mit Staffelei ausgestattet sind, und da bietet dieses Stückchen Land natürlich reizvolle Motive und wer erlebt so etwas intensiver und dauerhafter als ein Mensch, der ständig hinschauen muss, um auch kleinste Details im Bild festzuhalten, Ich habe sie fast ein bisschen beneidet.

Der kleine Hafen ist gleichzeitig Badestrand und mit dieser Skyline natürlich ein willkommenes Motiv.
Statt mit dem Schiff zurück zu fahren sind wir uns einig, jetzt probieren wir auch noch die Bahn aus, wenn schon, denn schon, dann ein volles Programm. Ein bisschen Abenteuer gehört einfach dazu. Wir nehmen mal Kurs auf Richtung Bahnhof und durchqueren Vernazza.

Wir wären durchaus neugierig auf diese Spaghetti mit Pesto Vernazza, obwohl wir beide keinen Hunger verspüren, es kommt auch ein kleines Ristorante nach dem anderen, alles malerisch an der Straße gelegen. Aber sich in diesem Trubel irgendwo zum Essen hinzusetzen ist doch nicht ganz unser Milieu.
Am Bahnhof angekommen stellen wir fest, dass die meisten Urlauber doch den Empfehlungen meines Lichtbildreferenten oder irgend welchen schlauen Reiseführern folgen: sie benutzen die Bahn. Man nimmt sich einfach irgend einen überschaubaren Wanderabschnitt vor und fährt dazu mit der Bahn hin oder auch zurück auf einer Strecke zwischen La Spezia und Genua, die eigentlich fast ständig in irgendwelchen Tunneln verschwindet und nur bei den einzelnen Ortschaften, die meistens, bei uns würde man sagen, in einen Tobel hineingebaut sind, ans Tageslicht kommen. Oft liegen die Tunneleingänge so kurz hintereinander, dass die Bahnsteige noch als schmale Plattformen weit in die Tunnelröhre hineinreichen. Und die Züge sind voll, alle Jahrgänge sind vertreten und eine Vielfalt verschiedener Sprachen und was ganz bequem ist: hier in Cinque Terre muss man nicht italienisch können, denn Englisch ist die Umgangssprache und jeder scheint es hier zu verstehen und zu akzeptieren.
Trotzdem besorgt Carola als Dolmetscherin unsere Fahrkarten, zwei Erwachsene plus Hund nach Riomaggiore, wo schließlich unser Auto steht, für ganze drei Euro zwanzig. Als sie zu die Biglietti in der Hand zurückkommt, meint sie nur, das Bahnfahren hier billiger ist als Laufen.
Wir warten keine zwanzig Minuten unter lauter interessanten Menschen, sind in weiteren achtzehn Minuten mit Halt in Corniglia und Manarola wieder in Riomaggiore und es ist erst halbdrei.
Ein Espresso, ein Capuccino könnte uns jetzt überzeugen, wenn es doch nur irgendwo ein ruhiges Plätzchen gäbe. Der Strom der Passanten, der Urlauber, der Wanderer, der Naturfreunde, der Italienfans, der Jungen, der Alten, er reißt nicht ab. Und für mich faszinierend, ein riesiges Gemälde an einer Steilwand hinter dem Bahnhof von Riomaggiore, wahrscheinlich noch aus der sozialistischen, der kommunistisch geprägten Ära Italiens aber trotzdem nicht minder eindrucksvoll, eine mächtige Darstellung des harten Lebens in diesem Land unter der Sonne Liguriens, ein Leben, das man als Urlauber bestenfalls ein bisschen erahnen, aber niemals nachvollziehen kann.

Nicht minder eindrucksvoll sind künstlerisch gestaltete Mosaiken aus verschiedensten Materialien von Fliesen und deren Bruchstücken über Bruchsteinplatten, weißen Kieselsteinen bis hin zu Muscheln und Meeresschneckengehäusen in dem langen Fußgängertunnel, der den Bahnhof und sein Drumherum mit dem restlichen Ortsteil, in dem unser Parkhaus zu finden ist, verbindet. Die meisten laufen wohl achtlos daran vorbei, wir aber bewundern diesen Wandschmuck, der sich leider nicht so ohne weiteres fotografieren ließ, da das Blitzlicht auf dem meist glasierten Mosaik eh bloß blenden würde und es ohne zusätzliches Licht an einem Stativ mangelte.
Auf dem Weg zum Parkhaus geht Carola mal mit dem Hund voraus, während ich mich auf das Stahltreppenhaus in den fünften Stock einstimme. Carola wird an der Schranke warten denn für Nelli sind, wie schon erwähnt, diese Gittertreppen unüberwindbar. Ich hole also tief Luft, gehe auf die erste Treppe zu und... entdecke in einer Nische eine schmale Tür, rechts daneben eine Reihe von Knöpfen, ein ascensore, ein Fahrstuhl. Er bietet zwar nur vier schlanken oder zwei dicken Menschen Platz, aber für uns, für Carola, Nelli und mich hätte er gereicht und natürlich benütze ich ihn jetzt auf dem Weg nach oben. Man kann die Augen gar nicht weit genug aufmachen. Ich kenne da jemandem, dem entgeht aber auch gar nichts. Ich gehöre leider nicht dazu.
Der Preistafel nach hätte die Parkzeit nach deutschen Gepflogenheiten acht Euro fünfzig gekostet. Als Carola hinter der Schranke mit Nelli zusteigt, meint sie, er hätte aber nur sechsfünfzig verlangt. Angebrochene Stunden kosten in Italien eben noch nichts, ein weiterer Grund, hier zu bleiben, das Land und seine Menschen sind einfach sympathisch.
Wir fahren zurück nach Fiumaretta, beinahe hätte ich geschrieben, nach Hause. Aber es ist eigentlich jetzt dasselbe.


Gesamtansicht
Richtung Manarola Via Amoroso Via Amoroso Via Amoroso Riomaggiore, der
Weg zum Bahnhof Die Anlegestelle
mit besagtem Fährboot und der Gangway Der Hafen von
Vernazza Der Hafen von
Vernazza Cinque Terre,
Punta Palma Corniglia, Blick
von Westen Die Bahnstrecke
von Manarola nach Corniglia Zwischen
Corniglia und Vernazza Corniglia, ohne
Anlegemöglichkeit Canarola, links die Mole mit dem Fischerihafen, rechts die kleine
Anlegestelle Die Abfahrt von
Manarola, links unten die Anlegestelle

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.07.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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