Luki K

Das Café


 
"Schwierig, dir zu beschreiben wie es genau ist. Das kann man nicht erklären..."
Sie lächelte. "Versuchst du es?" fragte sie und schmiegte sich an ihn.
"Es ist wie… Hm." Er suchte nach den richtigen Worten, streichelte über ihr braunes Haar und überlegte kurz.
 
"Wenn man nicht weiss, wo sich das kleine Glanzstück befindet, ist es unmöglich, es jemals zu entdecken. Das Café ist winzig und liegt versteckt in einem kleinen Gässchen, welches keinen Namen hat. Das Strässchen wirkt kühl und dunkel. Im Sommer eine willkommene Abwechslung zu den heissen Sonnentagen, weil man zwischen den Häuserreihen ein wenig Schatten von der schier unerträglichen Hitze findet. Das Café befindet sich hinter einem hohen Tor, das zwischen dem atypischen Restaurant 'il fantastico' und einem Haus aus einer früheren Zeitepoche steht, welches den Altstadtbrand von 1910 unversehen überstanden hat. Das Tor ist hölzern, gigantisch und eindrücklich. Man hat es mit Schnitzereien und künstlerischen Arrangements verziert, doch mir gefällt es nicht. Es weist nichts darauf hin, dass hinter diesen beiden schweren Türen ein Gourmetladen versteckt liegt, in welchem man sich bis ins Unermessliche kulinarisch verwöhnen lassen kann. Köstlicher kubanischer Kaffee, winzige Marzipankekse und lauwarmer Apfelkuchen.
 
Wenn man das erste Mal durch das Tor schreitet und den dahinter verborgenen Garten sieht, weint man. Die fantastischen Gewächse sämtlicher auf der Welt vorhandener Blumen und Bäume lösen in mir eine unbeschreibliche Glückseeligkeit aus. All den Wenigen, die dieses grüne Bouquet gesehen haben, kullerten der unermesslichen Schönheit und der Überwältigung wegen Tränen der Rührung die Wangen entlang. Dattel- und Olivenbäume, Rosen und Lilien, Palmen, Föhren und Eichen. Saftige Blätter glänzen den Besuchern dieses Gartens entgegen, farbenprächtige Blüten verströmen ihre unverwechselbaren Aromen. Vor Überraschung bleibt man stehen und gibt sich dem Gefühl dieser unendlichen Anmut hin. Der Duft der exotischen Blüten lähmt einen und die wundervollen, makellosen Blumen strahlen Ruhe aus. Die Vermischung der unzähligen Düfte sämtlicher Pflanzen ergibt ein einzigartiges Parfum der Meisterklasse, eine Duftnote, die man vorher noch nirgendwo gerochen hätte.
 
Wann immer ich wieder in dieses Paradies eintrete, bleibe ich unwillkürlich würdevoll stehen und versuche, all die in diesem kleinen Garten verborgenen Schönheiten zu erfassen. Es ist interessant, zu realisieren, wie lange man auch nach dutzenden Besuchen in diesem Himmelreich noch minutenlang da steht und nicht weiss, was in einem vor sich geht. Die perfekten Baumstämme und die königlichen, dimensionalen Kronen ziehen mich immer wieder in ihren Bann. Durch den Garten führt ein schmaler Weg, welcher mit Steinpflastern ausgelegt ist. Im hinteren Teil steht ein gigantischer Mammutbaum. Die Wuchtigkeit des Baumes fasziniert mich noch heute. Majestätisch und stilvoll ruht er da, grasgrüne Blätter zieren sein Haupt.
Und genau in diesem Mammutbaum liegt das Geheimnis des ganzen Gartens. Dort befindet sich der Eingang ins kulinarische Traumland, dem Eldorado der himmlischsten Speisen.
 
Man drückt an eine fast unsichtbare Markierung des Baumes und ein winziger Vorsprung öffnet sich. Der grüne Garten verschwindet, wenn man durch die leicht zerknirschte Öffnung des Baumes steigt. Es erscheint eine morsche Wendeltreppe, süsslicher Holzduft steigt dem Besucher in die Nase und man wird von einer leichten Dunkelheit umhüllt. Das wilde Gestrüpp rund um den Baustamm weicht einer alten aber gepflegten Atmosphäre. Die Stufen ächzen beim Betreten der Treppe. Je weiter man emporsteigt, desto weicher und lieblicher wird die Stimmung. Der Duft des Baumes verändert sich, man riecht schon nach wenigen Treppenstufen ein köstliches Durcheinander aus gezuckerten Mandeln, herrlichen Rosenblüten und kraftvollem Zimt. Die Annoncen vermischen sich mit dem Geruch süsslicher Erdbeermarmelade und die Wärme eines frisch gebackenen Kuchens schlägt dir entgegen. Die Herzlichkeit dieser in mich eindringenden Geschmäcke setzt in mir eine unvergleichbare Schwerelosigkeit frei, eine unermessliche Freude.
 
Nach der letzten Stufe schiebt man einen samtflaumigen Vorhang auf die Seite und tritt ein. Die Welt scheint für einige Augenblicke still zu stehen. Es ist beinahe unmöglich, all die Schönheiten zu erfassen, die himmlisch duftenden Gerüche aufzunehmen und zu realisieren, dass man soeben die Schwelle in das fantastischste Paradies, in das Schlaraffenland unter den Schlaraffenländern, überschritten hat. Man erblickt einen kleinen Raum, winzig und zart. Die Decken sind mit einem warmen Gelb gestrichen und der Boden besteht aus purem Ebenholz. Die Wände wurden ebenfalls gelblich bemalen, doch sie sind leicht heller als die Decke. Das Schöne an der Farbkombination ist der schleichende Wechsel des Farbtons. Der Künstler vereinte die beiden Gelb schwungvoll zu einem geschmeidigen Übergang.
 
An der hinteren Wand hängt ein einsames Bild, das Einzige im Raum. Es zeigt eine Fotografie vergangener Tage. Zwei Männer sitzen in einem Café, haben Espressotassen auf ihrem Tisch stehen und rauchen Zigaretten. Der eine hat seinen Hut auf dem leeren Stuhl am Tisch platziert. Sie sehen fröhlich aus, plaudern wohl über die guten alten Zeiten. Am Namen des Cafés erkennt man, dass die Aufnahme in Frankreich gemacht worden ist, vermutlich in Paris. Die Inhaberin der Brasserie steht in der Tür und lächelt.
 
Lampen spenden Licht und abertausende von Kerzen Wärme. Diese stehen auf kleinen, runden Tischchen, welche etwas asymmetrisch im ganzen Raum verteilt herumstehen. Rot-weiss karierte Decken wurden über diese Tischlein geworfen und das Bild sieht trotzdem nicht klischeehaft aus. Die Farben und die leichte Unregelmässigkeit dieser Anordnung erwecken die Kreativität in mir. Das künstlerische Ich erquickt sich an diesen Winzigkeiten, die Liebe zum Detail raubt mir jedes Mal wieder aufs Neue den Atem.
 
Weisse Kaffeetässchen stehen auf den Tischen, jedes zusammen mit einem Unterteller und einem kleinen Löffel. Auf der Serviette rechts neben jeder Tasse liegt ein kleines Schokoladenherz, verpackt in rot glitzerndes Silberpapier. Wenn man die Augen leicht zukneift und die Umhüllung der Schokolade begutachtet, meint man, im Licht der Kerzenstrahlen Sterne flackern zu sehen.
 
Das Königreich wirkt verträumt und lieblich, herzlich skurril und paradiesisch zugleich. Signora Rebecca, wie sie von uns wenigen Kunden lieblich genannt wird, strahlte mir freudig entgegen. Ich war lange nicht mehr hier gewesen.
 
Weil sie weiss, was ich mag, fragt sie nicht nach meinen Wünschen, weist mir mit einer einladenden Geste schlicht einen Platz zu, verschwindet dann hinter dem Tresen und beginnt, Köstlichkeiten auf einer Platte zu arrangieren. Ich setze mich auf einen Stuhl in der Nähe des Samtvorhangs und gebe mich den Düften hin. Haselnussmuffins, frische Ananas, heisser Grüner Tee - herrlicher als alles andere. Es ist kaum eine Minute vergangen, schon steht Signora Rebecca neben meinem Tischchen und stellt die silberne Platte schwungvoll und sanft vor mich hin. Darauf, wunderschön präsentiert, nur das Beste vom Besten. Ein kulinarischer Höhepunkt eines jeden Gourmets, dem ich da entgegenblicke. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen: Frisch gemahlener, phantastisch dampfender Kaffee aus Venezuela, sehr kräftig im Duft und aromatisch süsslich im Geschmack, ein kleines Aprikosenküchlein mit darüber gestreutem Puderzucker, ein im schwachen Licht perfekt aussehendes Tiramisu, etwas Himbeerroulade, eine kleine Schale mit frischem Fruchtsalat voller knackigen Apfelstückche, köstlichen Orangen, heller Mango, rosaroter Grapefruit und phantastischem, ganz leicht gezuckertem, Fruchtsaft, dazu ein luftiges Schokoladenmousse und drei Kekse, welche Rebecca mir immer als appetitliche Überraschung serviert. Unübertrefflich! Ich bedanke mich herzlich, geniesse den Augenschmaus und den unvergleichlichen Duft noch eine Weile und greife dann zu.
 
Und was ich da in diesem Garten und Café erlebt und gegessen habe, ist das Allerbeste, das Göttlichste, das Grossartigste und Schönste. Schlicht und einfach unbeschreiblich wunderbar."
 
Er schaute sie lange an, ehe er sie küsste und sagte: "In etwa so. So sehr liebe ich dich, Rebecca."
 
  

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.07.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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