Das Ölgemälde im Wohnzimmer seiner Eltern war ihr gleich aufgefallen. Es zeigte eine typische Gebirgslandschaft, die sie von Urlauben mit ihren Eltern in den Alpen zu kennen glaubte. Ursula sprach ihren Freund Rainer darauf an. Und der erzählte ihr, wie sein Vater - in seiner Begleitung - in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu diesem Bild gekommen war.
Dieser war Büroleiter einer Versicherung gewesen, einer der noch wirklich aufrechten Menschen, die Versicherungen nicht nur als reinen Gelderwerb ansahen, sondern durch individuelle Beratung den Kunden nur notwendige Versicherungen anbot ... Für den Fall der Fälle eben.
Einer seiner Kunden war Alexander, ein gebürtiger russischer Kunstmaler. Dieser war säumig geworden. Seit rund zwei Jahren hatte er seine Versicherungs-Beiträge trotz mehrfacher telefonischer Mahnungen nicht entrichtet. Seine Einnahmen durch den Verkauf schöner Landschaftsbilder, Stillleben, Portraits oder Akte ließen halt zu wünschen übrig. Daher hatte Rainers Vater alle Beiträge des Malers auf eigene Kosten entrichtet. Die Zeit, da Versicherungen Beiträge automatisch abbuchten, lag noch in ferner Zukunft.
Eines Samstags suchten daher Vater und Sohn den Künstler auf. Rainers Vater zeigte ihm die Belege, welche Summen er bisher für ihn ausgelegt hatte, und er bat um Begleichung. Der Maler erklärte ihm, dass er nicht so viel Geld habe, um die ausstehenden Forderungen bezahlen zu können. Er schlug daher vor, sich dafür eines seiner Bilder auszusuchen. Rainers Vater überlegte kurz.
Dann entschied er sich nach längerem Suchen für ein Landschaftsbild. "Diese wunderschöne Alpen-Landschaft wäre genau passend für das Wohnzimmer meines neuen Hauses. In dieser herrlichen Gegend möchte ich einmal mit Frau und Kindern Urlaub machen!". Leicht melancholisch entgegnete darauf der Kunstmaler: "Es sind nicht die Alpen. Es ist die alte Heimat, mein Ural." Die Schulden waren durch die Übergabe des Bildes beglichen. Weitere Versicherungs-Beträge zahlte er ab dann termingerecht.
Heute ziert das Ural-Bild ein Zimmer im Hause von Ursula und Rainer.
RT 2011
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.07.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
Diese Augenblicke - Lyrische Sichtweisen
von Rainer Tiemann
Aneinander gereihte Augenblicke sind es, die letztlich das ausmachen, was man Leben nennt. Es gibt die schönen und die weniger schönen Augenblicke. Alle jedoch tragen dazu bei, dass sich Menschen erinnern. An manches gern, an manches weniger gern. Oft sind es die schönen Augenblicke, die uns Mut machen und nach vorn schauen lassen. In "Diese Augenblicke" setzt Rainer Tiemann seine Gedankenspiele des Lebens facettenreich durch diverse, unterschiedliche lyrische Formen um. Neben Prosa und Reimen in deutscher Sprache sind in diesem Lyrik-Band erstmals auch einige seiner fremdsprachlichen Gedichte zu finden. "Diese Augenblicke" ist Tiemanns drittes Buch, das im Engelsdorfer Verlag erscheint.
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