Wieder einmal das Gefühl, allein zu sein. Keine Umgebung, keine Geräusche, lediglich das das leise Rauschen der Bäume, durchdringend der leicht geöffneten Fenster.
Die letzten Sonnenstrahlen fallen durch die halb geschlossenen Lamellen der Jalousien und durchdringen trotz jedem innerlichen Widerstand die Bastion meiner Gedanken. Funkelnde Sonnenstrahlen durchdringen den Qualm unzählig gerauchter Zigaretten und malen helle Punkte auf die Erde, entbehren jeder Ehrerbietung, die ich mir zu hoffen wagte. Der Boden unter meinen nackten Füßen ist bedeckt von meinem eigenen Blut durch Splitter von zerschlagenen Gläsern und Erinnerungen an längst Vergangenes. Trotzdem atme ich tief ein und habe das Gefühl, noch nie an einem schöneren Ort gewesen zu sein als diesem. Und doch habe ich das Gefühl, zu Hause zu sein.
Mein Blick fällt auf mein Spiegelbild. Die Narben an meinem Körper erzählen ihre Geschichte, unbeachtet ihrer Seele. Sanft, beinahe zärtlich, streiche ich über sie. Sie spalten meinen Körper, verheilt, aber nicht vergessen. Denn diese verhindern, dass ich vergesse. Der Schatten des Alterns lässt Erinnerungen verblassen, aber die Bilder, die sich verewigt haben, können es nicht verschwinden lassen.
Die Erinnerungen überfallen mich, ich krümme mich zusammen und schluchze. Dieser Soldat, dessen harte, grausame Augen mir aus dem Spiegel entgegen sehen, aber den vielleicht nur ich entdecke. Ein grausames Schicksal erhielt mich am Leben. Mit Erinnerungen, die nie wieder aufhören werden, mit Gespenstern, die mich immer quälen werden.
Weißt du, wie es sich anfühlt, wenn du Freunde an einem Tag verlierst? Wenn du zwischen Trümmern herumirrst und Kinder, die vor wenigen Stunden noch lachend durch die Gassen gelaufen sind, plötzlich durch deine Hand in ihrem eigenen Blut siehst? Wenn du Frauen vergewaltigt und ermordet nicht nur siehst, sondern in ihrem Zeitraum verfolgst und hörst? Weißt du, wie es sich anfühlt, wenn du nichts machen kannst, auch, wenn es dich innerlich zerreißt und du weißt, es wären nur wenige Schritte?
Wenn du irgendwann zurückkehrst und du merkst, es ist nichts besser? Du stillschweigend akzeptiert wirst und doch dir alle das Gefühl geben, an allem schuld zu sein? Weißt du, wie sich das anfühlt?
Du willst jetzt sagen, dass es das gar nicht gibt?
Du irrst dich.
Das ist Krieg. Du fällst nicht auf, solange Krieg ist, aber wenn dann alles vorbei ist, dann starren sie dich an. Sie flüstern hinter deinem Rücken, sie wollen deine Narben nicht sehen, sie wollen vergessen. Und du? Irgendwann erträgst du es nicht mehr. Irgendwann ziehst du dich zurück, du gehst fort, nur um festzustellen, dass es überall so ist.
Vergessen ist eine Gnade. Doch Gnade gerät in Vergessenheit. Also stehe ich auf und atme die verbrauchte Luft des Krieges, der Erinnerung und des langsam abebbenden Nikotins in meinem Zimmer, bis ich mir die nächste Zigarette anstecke, um der Luft neuen Freiraum zu nehmen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.08.2011.
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