Ralf Schulz

Der Basser von China

Ich war schon eine ganze Weile bei Sinner rausgeflogen, als auch meinen alten Kumpel Davor Sertic das selbe Schicksal bei Tyran´Pace ereilte. Immerhin hatten wir beide unseren Stempel bei den Combos hinterlassen, denn ich spielte mit Sinner 1984  die LP “ Danger Zone“ ein und Davor verewigte sich bei Tyran´Pace auf der 1986 veröffentlichten Scheibe “Watching you“.
 Da wir nach dieser Schmach unser Ego kontinuierlich in unserer Stammkneipe am Esslinger Bahnhof “ Uli´s Express“ mit unserer Trinkfestigkeit aufrecht hielten, entschlossen wir uns schließlich, eine eigene Band zu gründen. Zwei verkannte Rockstars wie wir, mussten doch unweigerlich auf dem Rock´n Roll Olymp landen, wo wir unserer Meinung nach schon längst hingehören mussten. Da sassen wir nun mal wieder bei ein paar Bier zusammen und überlegten uns, wie wir diese geschichtsträchtige Formation nennen sollten. Nachdem wir die meisten Vorschläge schon nach kurzer Zeit nicht mehr deutlich aussprechen konnten, machte “Chrystine“ das Rennen, denn diesen Namen konnte man auch nach erhöhter Schlagzahl noch deutlich nuscheln und wir besiegelten den neuen Bandnamen mit einer ordentlichen Runde Jack Daniels. Während unserer Feier fiel uns auf, daß noch etwas entscheidendes fehlte. Wir brauchten ja noch Kollegen, die uns bei diesem Vorhaben bestimmt dienlich wären ! Also entschlossen wir uns, vorerst mal einen Basser zu suchen. Zu dieser Zeit gab es schon einige gute Metal Magazine und wir entschieden uns für das größte, den Metal Hammer. Dort starteten wir eine Anzeige, die uns den ersehnten Mann bescheren sollte. Ex- Tyran´Pace und Ex- Sinner war unserer Meinung nach ein Garant dafür, einen Mitstreiter zu finden, der uns den Weg zum Rockstar endgültig ebnen sollte. Tatsächlich flatterte uns nach kurzer Zeit eine Bewerbung ins Haus, die uns damals völlig umgehauen hatte. Der Typ auf dem Foto sah mit seiner schwarzen Matte und den Klamotten wie ein Direktimport aus Los Angeles aus und kam dazu noch von einer Band, auf die ich tierisch stand. Eine Hard Rock Band aus der Schweiz, die sich “China“ nannten.
Wir vereinbarten einen Termin am Wochenende und so traf ich mich mit Davor schon mal relativ früh im “Uli´s Express“, wo wir auch unseren zukünftigen Kollegen erwarteten, denn die Kneipe lag nun mal recht günstig am Bahnhof. Um die Zeit bis zum Treffen zu überbrücken, gaben wir uns hemmungslos dem Trunk hin und sinnierten über die<font;_bold><font;_bold_italic></font></font> Projekte, die wir anstrebten. Während unserer Unterhaltung fiel mir auf, daß ich für die Probe gar nicht gerüstet war, denn ich hatte kein einziges Paar Trommelstöcke mehr im Proberaum. Jetzt war guter Rat teuer, denn um ein neues Paar zu kaufen fehlte die Zeit und wir mussten improvisieren. Ich hatte die geniale Idee, einfach einen Besenstiel zu zersägen, um an mein benötigtes Utensil zu kommen. Jetzt brauchten wir nur noch einen Verbündeten, der seinen Besen opfern würde, um unsere Zukunft zu retten. Mir fiel sofort ein Wirt ein, der seine Kneipe “Tek Tek“ gleich um die Ecke hatte. Der Sherif ! Der Mann war Grieche und gab uns schon öfters mal Kredit, oder half uns sonst irgendwie aus der Patsche. Keine Ahnung warum er so hieß, oder wer ihm diesen Namen gab, aber man nannte ihn nun mal so und ich war mir sicher, er könnte uns helfen, also ab zum Sherif.
Sein Etablissement war der Inbegriff einer runtergekommenen Bahnhofskneipe, doch wir fühlten uns verdammt wohl dort. Als wir ihm unsere Notlage erklärten, zerrte er wie selbstverständlich das begehrte Teil aus der Besenkammer und machte sich mit einem großen Messer daran zu schaffen. Freudestrahlend übergab er uns die Drumsticks der Marke Eigenbau und wir verabschiedeten uns nicht ohne noch einen Drink bei ihm zu nehmen.
Wieder zurück im “Uli´s Express“ warteten wir nun auf unseren neuen Mann, der auch pünktlich erschien. Er war mit seiner Freundin gekommen, die uns etwas skeptisch gegenüber stand und als ich den beiden stolz mein eben erworbenes Arbeitsgerät präsentierte, entgleisten ihr die Züge endgültig. Unser neuer Kollege schien zwar angesichts unseres Pegels und der Auswahl unseres Drum Equipments etwas verwirrt, doch er wahrte trotzdem die Fassung. Nachdem wir die Zeche bezahlt hatten, quetschten wir uns in das Auto der beiden und fuhren in den Proberaum, um unsere Karriere zu starten.
Dort angekommen stöpselten die Jungs ein und wir begannen eine laute und brutale Session, die mich völlig faszinierte. Meine Stöcke verteilten sich langsam im ganzen Proberaum, denn ich holzte was das Zeug hielt und der Presspan nur so spritzte. Da wir anfangs etwas Schwierigkeiten hatten eine Linie zu finden, klappte es nach einer Weile ganz gut, während wir nie vergaßen, unsere Spielfreude mit einigen Bieren zu unterstreichen. Nun sollten sich die Burschen vielleicht noch auf eine Tonart einigen, dann würde das wahrscheinlich zu der Geburt einer Metal Sensation ausufern. Ich hatte jedoch den leisen Verdacht, daß der Bass richtig war und mein Kumpel Davor irgendwie ständig nach Tönen suchte, denn es klang etwas.. eigenartig. Vielleicht lag es auch einfach an dem Genie meines alten Kumpels Davor, dessen Spieltechnik ich momentan nicht nachvollziehen konnte, doch das machte überhaupt nichts, denn an seinem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, daß er es selbst nicht wußte.
Unser neuer Mann versuchte indes verzweifelt dieses Soundgewitter zu steuern, indem er den Blickkontakt aufrecht hielt um uns so vielleicht doch noch auf einen Punkt zu bringen. Ich hätte ihn gern bei diesem Vorhaben unterstützt, doch ich hatte zu dieser Zeit genug damit zu tun, mich aufrecht auf dem Hocker zu halten. Auch Davor kämpfte einen einsamen Kampf mit der Schwerkraft und der Koordination seiner Finger, doch ein Sieg war nicht in Sicht. Meine Stöcke hatten sich mittlerweile endgültig verabschiedet und das Bier war auch alle, deshalb beschlossen wir, die Probe  wegen momentaner physischer und psychischer Disharmonie zu vertagen.
Wir hatten nun nicht den geringsten Zweifel mehr daran, daß wir die Metal Szene mit “Chrystine“ aufrütteln würden und der Olymp nun endgültig erreicht werden würde. Voller Zuversicht wollten wir dieses Ereignis jetzt gebührend feiern und beschlossen, den Abend im “Hexenkessel“ ausklingen zu lassen. Diese Kneipe war der Treffpunkt für Musiker und Headbanger, den wir unserem neuen Mann natürlich nicht vorenthalten wollten. Die Freundin des Bassers war nun endgültig verstummt und auch ihre Haltung uns gegenüber schien mir aus unerklärlichen Gründen irgendwie noch distanzierter zu sein, wie am Anfang. Sie packte uns wieder ins Auto und fuhr uns in die Kneipe, die natürlich wie jeden Samstagabend rappelvoll war. Wir nahmen am Stammtisch Platz und erklärten den Anwesenden den Grund unseres Besuchs. Obwohl sich unser neues Bandmitglied während der Probe im Getränkekonsum noch sehr zurückhaltend zeigte, schienen nun sämtliche Hemmungen von ihm zu fallen, denn er beteiligte sich kräftig am Umsatz und becherte, wie es sich für einen angehenden Rockstar gehörte. Während wir unseren Pegel nun auf ein neues Level tranken, erzählten wir ihm stolz von unseren hier ansässigen Musikerkumpels, wobei ich die spaßigsten Geschichten von meinem Trommlerkollegen Klaus Sperling ( ja.. genau der heute Ex Primal Fear, Sinner, Freedom Call etc. ) zum besten gab. Der ungläubige und mittlerweile recht glasige Blick des Schweizer Axemans zeigte mir, daß er wohl alles für absolute Übertreibung hielt, bis Klaus himself obervoll in der Kneipe erschien und sich mit einem lauten Kampfschrei erst mal auf dem Stammtisch lang machte, wobei die dabei umfallenden Gläser nur so schepperten.
 “Das ist Klaus“ brachte ich noch über die Lippen und zeigte dabei auf den grinsenden Trunkenbold, der sich auf diese spektakuläre Art seinen Platz in unserer lustigen Runde verschaffte. Anscheinend wollte die Lebensgefährtin unseres neuen Mitstreiters die völlige Eskalation dieses Abends nicht unbedingt miterleben, denn sie machte ihrem Freund und uns unmissverständlich klar, daß es nun Zeit wäre, zu gehen. Noch bevor wir so richtig begriffen was los war, zerrte sie den armen Kerl aus unserer Mitte und verschwand mit ihm auf nimmer Wiedersehen ins Land der lila Kuh.

So endete eine viel versprechende Karriere, bevor sie richtig begann. Komisch.. warum eigentlich :-) ? 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.08.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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