Es ist heiß an diesem Sommertag und keine Wolke ist am Himmel zu sehen.
Er parkt seinen Jeep direkt vor dem leicht heruntergekommenen Motel auf dem
staubigen Parkplatz mitten in South Carolina. Einmal tief einatmen, ein
letzter Blick in den Rückspiegel und schon findet er sich drinnen im
Eingang. Die Luft scheint zu stehen und auch der Geruch ist weniger
angenehm. Die korpulente rothaarige Frau mittleren Alters, die sonst immer
an der Rezeption ihre Fingernägel lackiert, ist nirgends zu sehen. Doch das
ist ihm egal, schließlich weiß er nur zu gut, wo er hin möchte. Zu stark ist
seine Erinnerung an die Nächte, die er hier verbracht hat, in dem kleinen
Zimmer mit der Nummer 63. Er geht die knarrenden Holztreppen hoch. Sofort
sieht er, dass die Tür nur angelehnt ist, was ihn aber komischerweise
nicht zu wundern scheint. Wumm, wumm. Sein Herz beginnt schneller zu
klopfen, als er die Tür leicht aufstößt. Das Zimmer ist leer. Die Fenster
stehen weit offen, die schon lange nicht mehr weißen Vorhänge wehen leicht
im Wind. Er lässt sich auf das frisch bezogene Bett fallen und schnappt nach
Luft. Sie ist also weg. Wirklich weg. Der tiefe Schmerz, der sich in seinem
Brustraum ausbreitet trifft ihn so plötzlich wie ein Faustschlag. Er lässt
seinen Blick durch den Raum schweifen. Alles erinnert hier an sie. An Jenny.
Er sieht sie vor sich, wie sie am offenen Fenster sitzt und eine Zigarette
dreht, in kurzen Shorts und Top, während das Mondlicht auf ihre langen
dunkelblonden Haare scheint. Wie sie den ersten Zug nimmt, ihn kess anguckt
mit diesem speziellen Blick, den keine andere draufhat. Die letzten Wochen
scheinen an ihm wie ein Film vorbeizulaufen. Wie sie hier nächtelang Musik
gehört und bis zum Morgengrauen über ihre Träume und Vorstellungen geredet
hatten. Ihre zugleich sanfte und leicht heisere Stimme klingt ihm
immer noch im Ohr. Hier hatten sie sich geliebt, ekstatisch und mehrmals
hintereinander, um danach völlig erschöpft und eng aneinander gekuschelt
einzuschlafen. Wie sie sich stritten un!
d sich e
ine kleine Zornesfalte zwischen ihren Augenbrauen bildete, bevor sie voller
Wut Gegenstände nach ihm warf und sich aus diesem sanften Kätzchen plötzlich
eine Raubkatze wurde. Diese zwei Seiten waren für ihn vielleicht das
faszinierendste an ihr gewesen, denn man wusste nie, was sie als nächstes
tat, ob sie lachte oder ausbrach wie ein Vulkan. Diese Leidenschaft, wie er
sie noch bei keiner anderen Frau als Jenny kennengelernt hatte. „Sir?“ Die
Stimme ließ ihn aus seinen Tagträumen aufschrecken. Die Frau von der
Rezeption steht in ihrem geblümten Sommerkleid vor ihm und wedelt mit etwas,
was sie in der Hand hält. „Die Kleine ist heute Morgen ausgezogen. Das hab
ich vorhin beim Aufräumen hier gefunden. Scheint ihr Name draufzustehen.“
Sie gibt ihm einen kleinen gefalteten Zettel und wendet sich wieder zum
Gehen. Schwerfällig wegen der Hitze oder ihren Gewicht, wohlmöglich wegen
beidem dreht sie sich in der Tür noch einmal um und wirft ihm einen leicht
bösen Blick zu. „Endlich hat das hier mal ein Ende. Immer dieser Krach.“
Murmelnd zieht sich die Frau zurück und läßt ihn alleine mit dem Zettel in
der Hand. Ohne ihn zu lesen weiß er schon, was drinnen steht, hört ihre
Worte in seinem Ohr: „Es tut mir leid.“ Er wusste dass es früher oder später
so kommen würde, dass ihre Freiheitsliebe und Angst sie von ihm treiben
würde. Sie war einfach zu besonders, zu speziell, wie hatte er sich nur
denken können, er könne sie ändern. Ungelesen steckt er den Brief in seine
Tasche und verlässt das Motel, wissend, dass er nie mehr hierher
zurückkehren wird. Denn dieser Ort ist für ihn wie ein schöner Traum, aus
dem er wieder viel zu früh erwacht war.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.08.2011.
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