Eigentlich wollten wir den Schlafwagen von Nha Trang nach Hue nehmen.
Doch alle Abteile waren schon ausgebucht, ja nicht ein mal mehr Sitzplätze waren verfügbar.
So haben wir uns entschieden in einem normalen Zug zu fahren.
Als wir den Zug betraten, schauten uns die Vietnamesen mit staunenden Augen an.
Auch wir waren ein bisschen geschockt, denn kein Stuhl im ganzen Wagon schien noch ganz zu sein.
Entweder war das Sitzkissen defekt oder die Armlehne fehlte oder die Rücklehne hing irgendwie unverstellbar schief umher.
Und wir waren die einzigen Langnasen weit und breit.
Als sich der Zug mit einigem Rucken in Bewegung setzte, gab es kein zurück mehr.
17 Stunden Fahrt in einem 3.Klasse Wagen mit dem Komfort aus den 50ziger Jahren lagen nun vor uns.
Ich stellte mir einfach vor, dies ist wie Fliegen, nur dass kein Essen serviert wird und auch keine Filme gezeigt werden.
So stülpte ich mir die Ohrhöhrer meines Ipods über und versuchte so gut es ging ein wenig zu dösen.
Ich probierte unzählige Sitzpositionen aus, aber keine bot die Bequemlichkeit, um am Schlaf zu denken.
Als ich gegen 5 Uhr morgens alle Stellungen ausprobiert hatte, die ich mir in meinen Asia-Train-Kamasutra vorstellen konnte,
und langsam ans Einschlafen denke konnte, erwachten die Asiaten und wanderten in Richtung Toilette.
Ein leichtes Unbehagen machte sich in mir breit - denn die einzige Toilette in diesem Wagon war eine französiche StehSchei...
Und ich dachte bei mir, wenn es einen Gott gibt - so lass mich nur pinkeln und das harte Geschäft auf später verschieben.
Plötzlich erwachte in der Sitzreihe hinter mir ein Mädchen, das ungefähr im Kindergartenalter war.
Etwas gelangweilt hüpfte es durch den Gang, und schaute schüchtern und gleichzeitig neugierig
zu uns Langnasen herüber und immer wenn ich meinen Kopf bewegte schaute es weg.
So kramte ich meinen Notizblock hervor - riss eine Seite heraus und formte diese zu einem Papierflieger.
Ich liess den Flieger in den Gang schweben, aber die Kleine schenkte meinem Kunstwerk keine Aufmerksamkeit.
So begann ich auf meinen Block ein Haus, einen Baum, eine Sonne zu zeichen.
Das Mädchen schaute zwar kurz hin, aber immer wenn ich mit zeichnen aufhörte - schaute sie wieder in die andere Richtung.
Als ich den Notizblock wieder in den Rucksack verstauen wollte, hielt ich meine Hand auf eine leere Seite
und fuhr mit dem Stift den Konturen meiner Hand nach. Danach zeigte ich der Kleinen das Bild von meiner Hand
und gab ihr zu verstehen, sie solle auch ihre Hand auf den Block halten, damit ich ihre Hand mit dem Stift umfahren konnte.
Leider Fehlanzeige, das Mädchen schaute zwar das Bild meiner Hand kurz an,
aber zeigte sich nicht wirklich interessiert, ihre Hand auf den Block zu halten.
Bevor ich den Block wieder zurück in den Rucksack verstaute,
begann ich noch etwas gelangweilt, meine Hand auf dem Block mit Fingernägel zu verzieren.
Plötzlich stand das Mädchen neben mir und streckte mir ihre Hand entgegen.
Ich konnte es kaum glauben, ohne ein Wort zu sagen, blätterte ich den Block auf eine freie Seite
und sie hielt mir ihre Hand darauf. Ich umrahmte mit dem Stift ihre Hand und zeichnete auch ihr Fingernägel und malte diese aus.
Und was dann geschah, daran kann ich mich eigentlich gar nicht mehr so genau erinnern.
Wir haben etwa zwei Stunden wie Kinder herrlich gespielt. Ich hab sie dabei immer wieder zu photografieren versucht
und sie zwickte mich immer wieder durch mein Hemd hindurch.
Es war wunderbar - vertieft in das Spiel mit der Kleinen, vergass ich all die wiederlichen Umstände.
Obwohl ich nicht wirklich geschlafen hatte, fühlte ich mich irgendwie fit. Und hätte ich wirklich müssen,
hätt ich wohl auch das harte Geschäft auf dieser StehToilette erledigt.
Aber ich war froh, dass dieser Kelch an mir vorübergegangen war.
Als wir Hue erreichten und wir aussteigen mussten, war die Kleine eingeschlafen.
Ihre Mutter wollte sie noch wecken - aber ich gab ihr zu verstehen, sie solle sie schlafen lassen.
Ich berührte nur kurz ihre Schultern und beobachte wie sich ihr Bauch im Rhytmus ihres Atem bewegte.
Diese Begnung mit diesem kleinen Engel werd ich wohl nie vergessen.
Hat mir das kleine Mädchen nicht nur die Zugfahrt versüesst,
sondern mir auch die asiatische Art beigebracht, den Moment zu leben,
ohne sich Gedanken über das Gestern oder Morgen zu machen.
Und so ganz nebenbei wurde mir bewusst,
nicht die Umstände sind entscheidend, sondern das was du daraus machst.
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Franz Erni).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.08.2011.
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