Michael Reißig

Die schwerste Prüfung einer großen Liebe

„War das wieder ein herrlicher Tag mit dir”,  schwärmte Tobias überschwänglich.
„Ich habe dich doch so lieb. Für kein Geld der Welt würde ich dich jemals verlassen”, schwor sein goldiges Schätzchen -  seine heißgeliebte Silke, ihm ein.
Zwei nackte Körper windeten sich nach diesem  berauschenden Liebesakt eng aneinander.
„Na dann schlaf' mal schön ein, mein Liebling”, hauchte Tobias seinem Juwel zärtlich ins Ohr und drückte ihr zur Belohnung noch einen dicken Gutenachtkuss auf ihre Lippen, die nicht aufhören wollten zu glühen. Einen kleinen Tick später schlossen sich die Augen der zwei Glückseligen, die noch am Nachmittag dieses Samstags die angenehm kühlenden Fluten von Berlins beliebtester Badewanne – dem Wannsee - genossen hatten.


Unmittelbar nachdem die ersten Sonnenstrahlen durch das schmale Fenster seines engen Kapuffs im Prenzlauer Berg gedrungen waren,  schreckte Tobias, wie eine bespannte Feder, aus einem Traum.

Der Liebhaber hatte seine Perle fest an sich gezogen, und dieses sogar auf einer einsamen Südseeinsel, umrankt von herrlichen Palmen. Während die beiden – die sich wie Adam und Eva im Paradies fühlten - den hellgelben Strande entlang schlenderten, saugten sich die gierigen Lippen des unersättlichen Genießers immer wieder an den wild sprießenden Knospen ihrer kleinen - aber dennoch aufreizend kecken Brüste – fest, was Silke so richtig elektrisierte. Es war längst nicht nur dieses anheimelnde Ameisenkribbeln, was nahezu jede Faser ihres Körpers in betörende Schwingungen versetzt hatte. Tobias hatte ein wahres Feuerwerk in ihrer Seele entfacht.
So kam, was kommen musste:
„Jetzt möchte ich dich aber in mich spüren”
Als sich Tobias jedoch in stolzer Pose langsam über sie beugte,  nahm dieser faszinierende Traum jedoch ein viel zu frühes Ende. Doch so ist es nun mal bei  diesen leider viel zu selten vorkommenden Träumen. Wenn sie am schönsten sind, gehen sie zu Ende.

Die hauchzarten Hände des Fünfundzwanzigjährigen zogen eine marginale rötliche Spur auf Silkes Rücken.
Der Zauber seiner samtigen Streichelhände  bewegte Silke so ganz allmählich aus ihrem gedrungenen Schlaf.

„Hat sie vielleicht auch so etwas Schönes geträumt”,  kam es dem Jungen wie von selbst in den Sinn.

„Guten Morgen, mein Liebling”, schwang es zärtlich aus dem Mund dieser schlanken, frechen Sportskanone – eine Sportskanone, die es natürlich nicht nur auf dem Fußballplatz vermocht hatte, echte Volltreffer zu landen. Der verflossene Abend hatte wieder einmal den nachhaltigen Beweis erbracht.
Silke setzte ihr gewohntes, ihr charmantes, aber dennoch etwas frech wirkendes Lächeln auf –  fast schon ein Synonym von ihr.
„Wie wär's, wenn wir heute erneut an den Wannsee fahren. Noch ein paar Pigmente mehr,  wäre nicht schlecht für unsere Haut. Die Wetterfrösche haben für heute erneut tropische Hitze prophezeit.

„Ich schalte gleich mal das Radio ein. Möglich, dass für heute Gewitter angesagt sind”, meinte Silke, die unbedingt auf Nummer Sicher gehen wollte, zumal sie Gewitter - von Kindheit an - hasste.
Während sie das sagte, hörte sie ein merkwürdiges Stimmengewirr im Treppenhaus dieses verruchten, schmutzigen Reihenhauses, welches in der Anklamer Straße – im Stadtbezirk Mitte gelegen –  stumm vor sich hin döste.
Unmittelbar nachdem Silke dieses Röhrenradio aus guten alten Zeiten eingeschaltet hatte, drang auch schon die übliche Melodie in die Ohren der beiden.
„Hier ist RIAS BERLIN, eine freie Stimme der freien Welt. Es ist neun Uhr, wir senden Nachrichten.
Doch bereits die ersten Worte, die der Moderator dieser rundum beliebten Sendeanstalt ausspuckte, ließen sowohl Tobias, als auch Silke, aufhorchen.

In den frühen Morgenstunden des 13. August 1961 haben Vopos, Kampftruppen und Soldaten der NVA der Ostzone damit begonnen, den Ostteil der Stadt vom Westteil abzuriegeln.
Anschließend folgte eine Live-Reportage.
Der Reporter schilderte hochemotional und hautnah, wie sich die Pressluftbohrer in der Nähe des Brandenburger Tores in den Asphalt der Ebertstraße fraßen...
„Das darf doch nicht wahr sein!”, echauffierte sich Tobias – seine Kumpels nannten ihn Tobi – lautstark. Silkes Worte hingegen erstickten förmlich im Halse. Stattdessen drückte der in ihrem Inneren aufwallende Zorn mächtig auf ihre Tränendrüsen.
„Wir müssen sofort vor zur Bernauer Straße!“, fasste Tobi schnurstracks diesen Entschluss.
„Was sollen wir nur tun?”, fragte die tief schluchzende junge Frau entgeistert.
„Wir schauen uns diesen ganzen Klamauk  mal an”, sagte Tobi entschlossen. Er versuchte Gelassenheit vorzuspielen, um sein Schätzchen nicht noch stärker zu beunruhigen.
Aber leider vergebens. Seine Frau war nicht mehr zu beruhigen.

Ohne die alltägliche Morgentoilette vollzogen zu haben, schlüpften die beide in ihre Klamotten.
„Vielleicht findet sich doch noch ein Schlupfloch in den Westen”, hoffte der frisch gebackene  Bräutigam insgeheim.

Bis zur Sektorengrenze war es nicht allzu weit. Unmittelbar nachdem die beiden seine Behausung in der Anklamer Straße hinter sich gelassen  hatten, sahen sie schon das Ungemach auf sie zurollen. Bis auf die Zähne bewaffnete Vopos, Kampftruppen, Soldaten der nationalen Volksarmee und sogar Schützenpanzerwagen. Es fühlte sich so an, als würde diese Stadt – sechzehn Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges – erneut an der Schwelle eines schrecklichen Krieges stehen –  obwohl die vier Siegermächte sich 1945 auf ihre Fahnen geschrieben hatten, dass von deutschem Boden aus niemals wieder ein Krieg ausgehen sollte. Und nun dieses. Der stinkende Geruch lag förmlich in der Luft.

Schon von weitem sahen die beiden eine gigantische Menschenansammlung – in der Brunnenstraße, die gestern noch einen freien Zugang zum französischen Sektor gewährt hatte.
Befallen von schrecklichen Ohnmacht, winkten sich die Menschen beiderseits des Eisernen Vorhangs zu. Die Menschen nahmen voneinander Abschied. Für einige von ihnen sollte es nicht nur ein Abschied auf Raten, sondern für immer werden.
Bereits vor dem einbrechenden Morgengrauen dieses 13. Augustes war diese bedeutende Verkehrsader im Herzen der alten Reichshauptstadt von Stacheldrahtverhauen durchschnitten. Auch der Zugang zur Bernauer Straße und zu deren U-Bahnstation der Linie acht, war bereits in der Frühe dieses Morgens nicht mehr möglich.

„Mein Liebling – ich will dich nicht verlassen!” schrie Silke mit voller Inbrunst aus sich heraus.
„Ich dich doch auch nicht!” brauste ihr Tobi mit dem Mute der Verzweiflung bitter auf.

Am 13. August war der Grenzverkehr für die Bürger West-Berlins noch möglich. Allerdings standen für den Weg in den Ostsektor nur noch 13 Übergänge zur Verfügung..

„Ich , ich, ich, würde sagen, ich fahre wieder nach Westberlin, um mich mit meinen Eltern zu beratschlagen”, stocherte Silke ungläubig, die sich bezüglich der Richtigkeit ihres Entschlusses nicht sicher war. Unsägliche Wut und Hilflosigkeit ließ einen neuen Tränenschwall aus ihren Augen rollen.
Sie konnte doch ihre Eltern, die nicht mal einen Steinwurf vom AEG-Konzern entfernt - in der Brunnenstraße – wohnten.

Tobias begleitete sein todtrauriges Goldkehlchen noch bis zum nächstgelegenen Grenzübergang, dem legendären Checkpoint-Charlie.
Beide lagen sich zum Abschied mit wasserfallartig rinnenden Tränen  minutenlang in den Armen.
„Komm doch wieder zu mir, ich brauche dich, ich liebe dich doch so sehr!” flehte Tobi, den diese schier aussichtslos anmutende Situation ebenfalls sichtlich ergriffen hatte.
„Ich verspreche dir, nie, aber auch nie, nie wieder, werde ich dich im Stich lassen. Kein Stacheldraht, nicht mal die stärkste Mauer der Welt kann uns jemals voneinander trennen!“

„Leb Wohl mein Liebling”, sagte Tobi ihr zum Abschied. Als sie voneinander abließen, als ihre Wege sich trennten, kannte der Tränenfluss der beiden keinen Halt mehr.
Fortan stand die Frage aller Fragen im Raume.
War dieses bereits der Abschied für immer gewesen?

Tobias und Silke hatten sich im Sommer des Jahres 1958 im Strandbad Wannsee kennen- und auch lieben gelernt. Erst ein halbes Jahr war es her, als im Rathaus Wedding – wo gegenwärtig das Bezirksamt Mitte sich befindet –  die Hochzeitsglocken geläutet hatten.
Ein kurzer Flirt genügte, und schon war es um den mittelgroßen Blondschopf geschehen.
Besonders ihre frech aufblitzenden adriablauen Augen hatten es ihm angetan, Auch ihre kecken Sommersprossen, zu denen sich zu seiner Freude immer wieder diese tümpeligen Grübchen gesellten, hatten die Glückshormone dieses freudvollen Genießers mächtig durcheinandergewirbelt. Ihr blondes, ihr seidig glänzendes Haar - welches meistens zu zwei Pippi-Langstrumpf-Zöpfen gewunden war –  hatte ebenfalls voll seinen Geschmack getroffen.


Am nächsten Wochenende war Silke das erste Mal nach der Schließung der Sektorengrenze zu Tobias, in den Bezirk „Mitte” dieser geteilten Stadt gefahren - ein Stadtbezirk, der seit jenem denkwürdigen Sonntag eigentlich diesen Namen nicht mehr verdient hätte. Zum Glück war wenigstens das für die ständigen Einwohner von Westberlin noch möglich, was nur wenige Tage später auch der Vergangenheit angehören sollte. Die fassungslose Zweiundzwanzigjährige musste mit eigenen Augen ansehen, wie beängstigend dieses abscheuliche Bollwerk aus Hohlblocksteinen und Sperrdrähten bestehend – ein stichhaltiger Beleg für Ulbrichts Ohnmacht, der doch erst zwei Monate zuvor in einer Pressekonferenz mit seiner fistelnden Stimme verkündet hatte, niemals eine Mauer errichten zu wollen - bereits in die Höhe gewachsen war.
Silke wurde schwindelig vor Augen - nicht nur wegen dieser schändlichen Mauer, sondern auch wegen Tobias, der - falls nichts schiefgehen solllte - in ein paar läppischen Minuten vor ihren Augen stehen müsste.

Dass sich beide an diesem Tage so liebevoll und so herzlich wie noch nie zuvor in ihrer nun schon drei Jahre währenden glücklichen Zweisamkeit, in den Armen lagen, zeugte von einer tief verwurzelten, von einer wahren, von einer unbeschreiblichen Liebe. Eine Liebe, deren Festigkeit die ungebremst kullernden Tränen der Wiedersehensfreude, aber auch jene Tränen, die den tief ins Mark geschlagenen Wunden geschuldet waren, eindrucksvoll bewiesen hatten.

„Mein Tobi, für uns beide bleibt keine andere Wahl, ich bleibe bei dir, im Osten. Vorausgegangen war ein heftiger Disput mit meinen Eltern. Die wollten unbedingt, dass ich bei ihnen im Westen bleibe. Wenn ich diesen Schritt tun würde, wäre ich lebenslang in diesem stalinistischen Konzentrationslager eingesperrt, haben sie mir immer wieder eingetrichtert. Mein Vater hatte die Möglichkeit ins Auge gefasst, sich an eine Fluchthilfeorganisation zu wenden, um so in den Westen zu schleusen. Dieses erschien mir aber als viel zu gefährlich. Ich will dich doch unter keinen Umständen verlieren”, sagte Silke, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.
Tobias war hin- und hergerissen. Er überlegte und überlegte.
„Das ganze Leben in Ulbrichts Versaillenstaat  verbringen zu müssen, bis ans Lebensende eingesperrt zu sein. Muss ich mir das wirklich antun? ”, erwog Tobi, der es aber nicht vermocht hatte, diese markanten Gedanken ihr ins Gesicht zu sagen.
Jedoch waren die tiefen Denkfalten, die sich unverkennbar auf seine Stirn gelegt hatten, auch ihr nicht entgangen.
Silke hinterfragte Tobis merkwürdig anmutende Gesichtszüge nicht.
Stattdessen schauten ihre Augen misstrauisch drein.
Aber plötzlich – völlig unerwartet - fand dieses beidseitige Schweigen ein jähes Ende.

„Ich habe mir es eingehend überlegt. Mir wäre dies auch zu gefährlich. Dann bleibst du eben bei mir.”
Spontan fielen sich beide in die Arme.

Tobias hatte gedanklich eine Kehrtwendung um 180 Grad gemacht, was Silke - da Tobi seine Gedanken nicht offengelegt hatte – freilich nicht wissen konnte.

Beide hatten eine unumstößliche Entscheidung getroffen. Sie hatten Abschied genommen, Abschied von den glitzernden Konsumtempeln des Westens, von der Freizügigkeit des Pluralistischen  Gesellschaftssystems, aber auch von einem der kostbarsten Güter im Leben eines Menschen – der Freiheit, um auch künftig Freud' und Leid miteinander teilen zu können.

Dennoch – die endgültige Entscheidung für die Liebe hatten nicht die beiden, sondern die Oberen Herrn dieses Staates zu treffen. Silkes weiterer Lebensweg sollte sich erst im Aufnahmelager Röntgental entscheiden, indem sie noch viele entwürdigende Schikanen über sich ergehen lassen musste. Fortan waren starke Nerven vonnöten, zumal es galt, eine geballte Ladung an Fragebögen auszufüllen. Silke wurde ausgepresst wie eine Zitrone. Der Wissensdurst dieser Bonzen kannte keine Grenzen. Die Fragen reichten bis ins kleinste Detail – angefangen vom Freundeskreis, bis hin zu den Eltern und deren Zugehörigkeit zu politischen Parteien und Organisationen
Die stets grimmig aufschauenden Amtsherren des „Arbeiter und Bauernstaates” kannten auch mit jenen Menschen, die freiwillig in die DDR kommen wollten, kein Erbarmen, da sie in jedem dieser Klienten potenzielle Mitarbeiter westlicher Geheimdienste sahen.
Bei jedem dieser endlosen „Verhöre” wurden die Nerven der jungen Frau auf eine neue Zerreißprobe gestellt.
Das junge Paar konnte in dieser quälend langen Zeit des Wartens zwar miteinander sprechen. Allerdings trennte ein riesiges schmiedeeisernes Tor die zwei Ungeduldigen streng voneinander.

Nach drei Wochen, die den beiden wie eine Ewigkeit vorkamen, hatten die Mächtigen endlich ein Einsehen, und grünes Licht für den Erhalt der Liebe gegeben.
Silke hörte die Steine förmlich plumsen.

Unerwartet schnell hatte sich Silke in Ostberlin eingewöhnt. Sofort hatte sie einen Job in ihrem erlernten Beruf als Verkäuferin gefunden, und sogar noch einen Hauch von westlichem Flair in die karge Konsumwelt des real existierenden Sozialismus gezaubert, indem sie jedem Kunden einen angenehmen Tag wünschte – eine nette höfliche Geste, die im Osten so nicht üblich war.
In Tobis Schlepptau war es Silke in erstaunlich kurzer Zeit gelungen, einen neuen Freundeskreis aufzubauen. Einige seiner Kumpane hatte sie schon in der Zeit vor der Grenzschließung kennengelernt. Aufgrund ihrer feschen, flippigen Art in der sie sich stets gab, wurde sie oft bewundert, nicht selten auch beneidet. So konnten die meisten erahnen, dass sie nur aus dem wohlhabenden Teil dieser Stadt stammen konnte, aus einer bunten schillernden Welt des Konsums, in der die Menschen vor Selbstsicherheit nur so strotzten, was aus den Gesichtern unschwer abzulesen war.Viele ihrer neuen Weggefährtin fragten sich staunend, wie sie es nur schaffen konnte, als leidenschaftliche Jobberin die stets Markenklamotten den Vorzug gab, in diesem öden, hoffnungslosen  Grau des „turmhoch überlegenen Sozialismus” - so die offizielle propagandistische Lesart des SED-Regimes - Fuß zu fassen.

Das Abtanzen auf vielen stimmungsvollen Partys im Kreise ihrer Freunde verdrängten dieses apokalyptische Schandmal menschlicher Ohnmacht wenigstens für eine gewisse Zeit.
Dennoch wallte in ihr stetig der Zorn auf, wenn sie Bilder von neuen Maueropfern über den Bildschirm flimmern sah. In diesen Augenblicken erstickte die Glut des Frohsinns förmlich in ihren bezaubernden Augen, aus denen stattdessen dicke Tränen sich unaufhaltsam ihre Wege bahnten.

Geweint hatte Silke allerdings auch am glücklichsten Tag in der Geschichte der Deutschen, am 9. November 1989,  an jenem denkwürdigen Tag, an dem die Mauer fiel.
Allerdings waren es diesmal nicht Tränen der Wut und des Schmerzes, sondern Tränen unbeschreiblicher Freude.
Achtundzwanzig Jahre zuvor hatte der Bau dieses monströsen Ungetüms die zwei Jungvermählten vor eine harte Probe gestellt – eine Probe, wie sie härter nicht mehr sein konnte.

Auch in jenem Jahr, indem sich der Bau der Berliner Mauer zum fünfzigsten Male jährt, knistert es nach wie vor zwischen den beiden.
Tobias und Silke genießen nun ihren wohlverdienten Ruhestand im wiedervereinigten Berlin in vollen Zügen.
„Obwohl es anfangs verdammt schwer war, den Schritt zu dir zu kommen, den habe ich bis heute nie bereut”,  blickt Silke an jenem 13. August 2011, fünfzig Jahre nachdem das junge Paar  gezwungen worden war, sich entscheiden zu müssen.
Zu erwähnen wäre noch, dass Silke vier Jahre nach dem Bau der Mauer ihre Zwillingstöchter Heike und Marion zur Welt gebracht hatte. Auch ihre beiden „Räuberinnen” von einst, sind schon seit langem glücklich verheiratet und haben selbst Kinder, die sogar schon die schwierige Phase ihrer Pubertät hinter sich gebracht haben.

Die Einheitseuphorie von gestern gehört leider längst der Vergangenheit an. Der vielfältige Alltag mit all seinen Freuden, aber auch mit seinen Sorgen bestimmt das Handeln der Menschen beiderseits des ehemaligen „Eisernen Vorhanges“. Allerdings überwiegen momentan die Sorgen in all ihren mannigfaltigen Facetten. Die Angst vor Arbeitslosigkeit, vor einer erneuten Weltwirtschaftskrise, vor dem Krebsgeschwür einer noch bedrohlicher ausufernden Kriminalität, vor der weiteren Entwertung des Euro, vor weiteren Preissteigerungen, aber auch vor einer schweren weltweiten Inflation, ist nicht zu leugnen.
Viele Menschen müssen sich jeden Tag die gleichen Frage stellen:
„Wie kann ich künftig meinen Lebensunterhalt noch bestreiten?!”
All dieses sind nachvollziehbare Gründe, weshalb viele Bürger beiderseits der früheren Demarkationslinie sich erneut nach einer Mauer sehnen.
Tobias und Silke können darüber nur den Kopf schütteln. Menschen, die auf eine derart brutale Weise voneinander getrennt wurden, sehen das zu Recht aus einem völlig anderen Blickwinkel.

„Möge so etwas nie wieder geschehen!”, wünscht sich Tobias sehnlichst und fährt fort.
„Es liegt nicht nur an den Kosten der Einheit”, sondern vor allem an der Willkür und der Dekadenz der Konzerne und Banken, am Wildwuchs der Korruption, an der Ohnmacht einiger Politiker, die Geld in Unmengen in ihre eigene Taschen scheffeln.
Die Leute sollten endlich wieder einmal auf die Straße gehen, so wie wir es im Herbst 1989 getan haben. Nur so könnten die Verantwortlichen dieser Krise zur Räson gebracht werden und die  bedrohlich angewachsenen Mauern, die Arm und Reich voneinander trennen, zum Einsturz bringen.
Silke pflichtet ihm bei.
„Allerdings sollte es friedlich zugehen. Die schweren Krawalle in England und einigen anderen Ländern der EU erfüllen mich mit größter Sorge. Schon jetzt brennen in Berlin täglich zahlreiche Autos, was in der Betrachtung des Ganzen einen langen dunklen Schatten auf diese ohnehin schon mit zahllosen Wunden gesäte Stadt wirft – so wie an jenem 13. August, und in den Jahren danach”, stellte Silke klar.
Möge ihr sehr zu Herzen gehender Wunsch in Erfüllung gehen!

Ein junges Ehepaar - im Berlin der sechziger Jahre lebend - wird vor eine außergewöhnliche Entscheidung gestellt.
Eine spannende Liebesgeschichte!
Michael Reißig, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.08.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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In meinen Gedichten, schreibe ich mir meine eigene Realität, meine Träume auch wenn sie oft surreal, meistens abstakt wirken. Schreiben bedingt auch meine Sprache, meine Denkmechanismen mein Gefühl für das Jetzt der Zeit.

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