Andreas Rüdig

Die Horrorgeschichte

Horror ist Angst. Pure, nackte Angst. Sie ist situationsabhängig. Sie taucht an dunklen, schlecht beleuchteten Orten auf. Oft nachts. Sie wird an Orten spürbar, die uns nicht vertraut sind – wer würde schon unter normalen Umständen Horror – Angst in seiner eigenen Wohnung haben?

Horror hat auch eine psychische Komponente. Gelegentlich erwartet man, daß etwas passieren muß. Oft ist es aber der Eindruck, man habe eine unheimliche Situation nicht unter Kontrolle.

Du, Hieronymus?

Ja, Hermine, mein Turteltäubchen?

Du sollst mich nicht immer Turteltäubchen nennen, Hieronienieniemus!

Ja, meine Teuerste?

Hast Du alles zusammen? Aufnahmegerät? Nachtsichtgerät? Richtmikro? Kassettenrekorder?

Ja, aber selbstverfreilich doch.

Wir können also starten?

Ja.

Gut. Also los.

Können Sie sich noch an die Grufties erinnern, liebe Leser? Das waren diese komischen Typen aus den 1980er Jahren. Sie trugen immer schwarze Klamotten, hatten ihre Haare schwarz gefärbt und schwarze Augenringe. Sie waren ja eigentlich ganz harmlos. Am meisten hat mich aber die Musik gestört. Die Grufties in meiner Nachbarschaft hörten oft Orgelmusik. Nein, nicht irgendwelche Orgelmusik, die auch in normalen Gottesdiensten verkommen kann, oder gar in Musikkonzerten in der Kirche vorkommen kann. Mitnichten! Es mußte immer Trauermusik sein. Als ich das Pärchen fragte, was sie wohl meinen würden, ob diese ewige Trauermusik nicht auf Dauer langweilig und deprimierend sei, haben sie mich nur verwundert angeschaut. Was meinen Sie wohl, was er von Beruf war? Friedhofsgärtner. „Ein schaurig-schöner Beruf..“


Hieronymus

Ja, Minchen?

Sind wir bald da?

Ja.


Wir sind das Traumpaar der örtlichen Filmproduktionsgesellschaften. Wir sollen eine kleine (Horror-)Serie für Erwachsene drehen, in denen wir ihnen das Fürchten beibringen. Unser Lokalsender will diese Fernsehserie dann bringen.

Wir wollen die Grufties auf unserem Friedhof besuchen. Wir wollen sie natürlich auch interviewen. Warum tragen sie immer schwarz? Warum lieben sie die Nacht? Was ist so schön an unserem Friedhof? Das sind einige der Fragen, die wir ihnen stellen wollen – äh, Augenblick mal bitte...
Hieronymus, du Vollidiot, warum hast du die grelle Scheinwerferlampe angemacht? - Aber wir brauchen doch Licht, meine... - Nein, brauchen wir nicht. Oder willst du die Grufties verscheuchen? - Natürlich nicht. - Na also. Ich habe dir doch gesagt, daß die Grufties sehr lichtscheu sind.

Lichtscheu! Lichtscheu! Lichtscheues Gesocks das!


Ein wenig unheimlich ist es ja schon auf dem Friedhof in der Nacht. Alles ist grau, selbst die Katzen. Selbst der Schatten ist kaum dunkler als der Schattenspender. Und kein Mensch da, der mich beschützen könnte. Und diese doofe Tussie von Chefin benimmt sich auch noch als Hausdrachen. (leises Knacken ist zu hören) Huch, was ist das? Ach so, das war ich. Ich bin auf einige trockene Zweige getreten. Moment mal – bewegt sich da drüben nicht was? Mal sehen – ein Vogel ist da, ein Eichhörnchen, eine Fledermaus – und was ist das? - kommt da nicht gerade ein riesiger Mantel auf mich zugeflogen?

Hieronymus ist wirklich ein Trottel. Er schafft es doch tatsächlich, unbemerkt die Grufties aufzustöbern und sich dabei auch noch unbemerkt in deren Wäscheleine zu verheddern. Meine Güte, waren die sauer auf ihn. Am liebsten hätten sie ihn in der Wäscheleine eingewickelt und an einem Baum hochgezogen....

Was wollen die beiden Chaoten hier? Kann man nicht einmal auf dem Friedhof in Ruhe seinen Geschäften nachgehen?

Wie sieht Ihr Friedhof zuhause aus, liebe Leser? Genauso wie jeder andere Friedhof wohl auch. Grab reiht sich an Grab, Grabstein an Grabstein. Unser Friedhof weist eine kleine Besonderheit auf. In einer Ecke gibt es einen Platz für Mausoleen. Sie kennen ja diese Mausoleen, diese Familiengrüfte, diese kleinen, schmalen Gebäude, in denen reiche Familien zusammen begraben werden. Je nach Ausstattung können sie nicht nur alle Jubeljahre für Beerdigungen, sondern auch für andere Familienaktivitäten genutzt werden. Meine Güte, was habe ich da schon für Feiern gesehen, Hochzeiten, Taufen, Bälle, auf denen junge Damen in die Gesellschaft eingeführt wurden, Kostum- und Faschingsbälle...

Doch halt, ich schweife ab. Waldemar der Gruft führte uns bei unserer nächtlichen Aktion in eines dieser Wohn-Mausoleen. Ein kalter Hauch umhüllt mich, als ich in diese Höhle der Düsternis eintrete. „Muß sein,“ grummelt Waldemar. „Soll ja nicht schon gleich am Anfang gemütlich sein. Die Leichen halten sich so auch besser.“ Leichen? Äh, was für Leichen denn? „Na, die Eiskalten Händchen.“ (5 Sekunden dramatisches Orgelgeklimper). „Schschsch … eibenkleister – Automatik. Immer, wenn ich `eiskaltes Händchen´ sage, kommt diese Hintergrundmusik.“ (erneute 5 Sekunden Orgelgeklimper). „Es gibt hier viele Hasen und Kaninchen. Sehr lecker. Besonders mit Pellkartoffel und Kräuterquark.“

Wir treten in das Wohnzimmer ein. In der Mitte: Ein Tisch. Darauf liegt? Eine Person: Auf den zweiten und dritten Blick ist sichtbar, daß es eine Schaufensterpuppe ist. Drum herum: Kerzen. „Stammt noch vom Weihnachtsbaum.“ - ….? - „Wegen der Brandgefahr. Die Puppe soll sich doch nicht die Finger verbrennen.“

Auch die übrige Wohnzimmereinrichtung ist ähnlich makaber. Auf der Hutablage liegen riesige Kokosnüsse. „So bleiben die Hüte in Form.“ Und das Piratentuch da? „Wegen der Haare und Flusen.“ Hä? „Wir haben hier viele Besucher, die sich die anderen Mausoleen anschauen wollen. Meistens alte Knacker. Entweder haben die`n Toupet. Oder die verlieren ihre Haare kiloweise.“ In der Schlafzimmer von Waldemar möchte ich dann doch lieber nicht. „Wieso? Weshalb? Warum? Sind bei der Abendgymnastik sehr praktisch, diese beiden Särge. Man fällt wenigstens nicht heraus, wenn man sich um sein Gruftinchen kümmert.“

Warum er eine Schaufensterpuppe auf dem Wohnzimmertisch liegen hat? Auch das erzählt uns Waldemar noch. „Wegen Karneval. Wir woll`n Rosenmontag `nen Grufti-Horror-Schockerwagen. Ich muß da noch ein bißchen dekorieren.“


Der örtliche Jahrmarkt, oft einfach nur „die“ Kirmes genannt, sollte unsere Station sein. Dort würde es eine geniale Geisterbahn geben, so mit allen Schnickschnack, hat man uns gesagt: Ernst-August wäre der führende Unternehmer am Platze.

„Hallo Ernst-August,“ sagt Hermine nur bei unserem Eintreffen. „Wir sind das Filmteam und angekündigt.“ - „Klar. Setzt euch in eine Gondel und los geht`s.“ Gesagt getan. Ohne viel zu überlegen setzten wir uns in eine Gondel. Erst während der Fahr fiel mir auf, daß ich ja gar nicht meine Filmkamera ausgepackt hatte. „Wenn`s nur das wäre,“ fauchte mich Hermine an. Sie muß wohl meinen verwunderten Blick gespürt haben. „Ist dir noch nicht aufgefallen, wie still und dunkel es hier ist?“

Kaum war die Fahrt beendet, stürzte sich Hermine auch schon auf Ernst-August. „Was soll der Unfug? Das soll eine Geisterbahn sein? Da war ja gar nichts zu sehen!“

Das Mißverständnis war schnell aufgeklärt. Ernst-August hatte anfangs gar nicht richtig zugehört und uns für Werbefuzzis gehalten, die vor Ort Werbung für den Rummelplatz machen sollten? Erst langsam dämmerte es ihm, was wir wirklich wollten. „Und ihr mach keine Werksspionage,“ fragte er mißtrauisch. Nein. Für wen denn auch? „Na, für wen denn? Für den Nepomuk.“ Wer ist das? „Das Fahrgeschäft dort drüben.“ Der kennt die Hersteller von den Horrormaschinen doch auch. Wenn der wissen will, was es Neues auf dem Markt gibt, braucht der doch nur beim Ernst-August gucken kommen. Oder? Naja. Ernst August ist schon halb überzeugt. Dann gibt er seinem Herzen einen Ruck. „Hört mal, ich habe da eine Idee...“

Er baute seine Geisterbahn noch mal halb ab. Wir filmten dann den (Wieder-)Aufbau. Wir durften dann im Innern ein paar spektakuläre Aufnahmen machen, wie die Gespenster-Maschinen auf uns zukommen und Lärm machten – so richtig erschreckt habe ich mich aber erst, als uns ein Schraubenschlüssel um die Ohren flog. Offensichtlich hatte einer der Handlanger nicht mitbekommen, daß wir da sind und Aufnahmen machen. Er wollte uns auf diese Art und Weise verscheuchen....


Ein Werwolf wird auch Mannwolf genannt. Es ist ein Mensch, der sich nachts bei Vollmond in einen blutrünstigen Wolf verwandeln kann. „Die meisten Sagen berichten von Männern, die einen Pakt mit dem Teufel eingegangen sind und von ihm einen Gürtel aus Wolfsfell erhielten, mit dessen sie sich verwandeln konnten. Es soll auch Sagen geben, die von Männern berichten, die sich aufgrund ihres familiären Erbgutes oder infolge einer Verletzung, die sie durch einen Werwolf erhalten haben, in bestimmten Nächten in ein Tier, meist einen Wolf, verwandeln können,“ berichtet die Sekundärliteratur.

Legenden über Werwölfe scheint es wohl sehr lange in der Menschheitsgeschichte zu geben. Manche Historiker interpretieren Zwitterwesen in Höhlenmalereien so. Als ältestes schriftliches Zeugnis gilt das Gilgamesch-Epos, in dem die Göttin Istar einen Schäfer in einen Wolf verwandelt. Aus der griechischen Literatur und den Metamorphosen des Ovid ist der griechische König Lykaon bekannt, der von Zeus in einen Wolf verwandelt wurde, da er und seine Söhne dem Gott Menschenfleisch vorsetzten. Plinius der Ältere berichtet in seiner Naturgeschichte von Menschen, die mehrere Jahre als Wolf lebten, ehe sie sich wieder in ein menschliches Wesen zurückverwandelten. Plinius hält das aber für reine Phantasie. Eine weitere Theorie besagt, daß der Begriff „Werwolf“ Menschen beschreibt, die an einer extremen Form des „Systemischen Lupus Erythematodes“ leiden – also an der sogenannten „Wolfskrankheit“. Es sollen auch schon Tollwutkranke für Werwölfe gehalten worden sein. Hier erfolgt die Ansteckung über den Biß eines Tieres. Die Krankheitssymptome passen: Es gibt Anfälle, bei denen der Erkrankte wild um sich zu beißen beginnt, Angst vor Wasser, aber gleichzeitig starker Durst, was zu spastischen Schluckkrämpfen führt. Im Mittelalter sahen die Menschen darin die Verwandlung des Gebissenen in genau jenes Tier, von dem er gebissenen wurde.


Ansgar Liebrecht sollte unser nächster Gesprächspartner sein. Er ist Leiter der „Forschungsstelle für Lykanthropie“. „Er weiß alles, wenn es um die Verwandlung eines Menschen in ein Tier handelt,“ hatte mir mein Hausarzt versprochen. Also hatte ich bei Liebrecht angerufen, ihm das Filmprojekt vorgestellt und um einen Termin gebeten. Liebrecht hatte sich auch sehr angetan gezeigt. „Endlich mal jemand, der mich ernst nimmt,“ hatte er begeistert ins Telefon gesäuselt. „Ansonsten werde ich ja doch nur belächelt.“

Und was ist? Wir kommen zur vereinbarten Zeit, werden ins Wohnzimmer geführt, dürfen uns setzen und werden dann allein gelassen. Nur ein kleines Schoßhündchen wieselt da zwischen den Wohnzimmermöbeln herum. Hieronymus schaute gerade auf seine Armbanduhr, als ich aus dem Fenster sah. Da hörten wir plötzlich ein „Plopp“-Geräusch. Und kaum ist das Geräusch verklungen, steht auch schon Ansgar überraschend im Zimmer. „Was ist,“ fragt er spitzbübisch. „Wollten Sie nicht Lykanthropie erleben?“ Natürlich wollten wir das. Aber wo ist Ansgar gewesen? „Meine liebe Hermine, Sie haben wohl noch nie von Formwandlern gehört?“ Formwandlern? Nein. Ich dachte auch, wir würde uns hier über Werwölfe unterhalten. Also, Ansgar, ich wiederhole meine Frage: Wo sind Sie gewesen? „Bei Ihnen. Ich bin das Schoßhündchen gewesen.“

Oh wie peinlich. Dann hat er ja alle Gespräche mitanhören können. „Stimmt. Es war sehr aufschlußreich. Sehen Sie das Aquarium? Da sind einige Hausangestellte drin. Ich hatte ihnen aufgetragen, das Aquarium zu säubern. Ihr könnte jetzt rauskommen, Jungens.“ Mir war bis dahin nicht klargewesen, wie schnell sich Fische in Menschen verwandeln können. Mein Erstaunen ignorierend, fuhr Ansgar fort: „Sehen Sie den ausgestopften Elchkopf dort drüben? Haha – von wegen ausgestopfter Elchkopf. Hinter der Mauer steht mein Diener Johann. Rumpf, Beine und Arme sind menschlich. Nur der Kopf sieht wie ein Elchkopf aus. Du kannst herauskommen, Johann. Wir haben genug erfahren. Die Herrschaften sind harmlos.“

Die „Forschungsstelle für Lykanthropie“ ist nichts als eine Tarnorganisation. Das wird Hieronymus und mir auch schnell klar. Hinter dem Begriff „Forschungsstelle“ verbirgt sich im Grunde nur eine Schnüffelanstalt. Landläufig wird sie Detektivbüro genannt; manchmal unterstützt sie auch das staatliche Spionagenetzwerk.

Und wie funktioniert das mit der Verwandlung eines Menschen in ein Tier? „Oh, Sie wollen tatsächlich unsere ganzen magischen Geheimnisse wissen?“ Ja, natürlich. Dafür sind wir ja da. „Nun, es funktioniert am besten in der blauen Stunde zwischen Tag und Nacht, also abends. Es funktioniert nur in Zimmern mit Ausblick auf Fiebersümpfe, wenn gruselige Schreie von Vögeln zu uns dringen – dann sind die Leute am empfänglichsten dafür. Der Rest ist dann Theaterschminke, künstliche Beleuchtung und Verkleidung.“

Wie bitte – das soll alles gewesen sein? Dafür haben wir einen so riesigen Aufwand getrieben? Termine ausgemacht, in alten Büchern nachgeschlagen und uns auf fürchterliche Erlebnisse vorbereitet? „Oh, keine Angst, wenn ihr die Aufnahmen macht, werde ich natürlich etwas ganz anderes erzählen...“


Ein Mann namens Wer
er tat sich sehr schwer
er ist es so gewohnt:
scheint des nachts der Mond
wächst ihm ein Fell
und das ganz schnell
er kriecht auf vier Pfoten
stechende Augen sind seine Boten
das Heulen himmelwärts
bereitet seiner Frau viel Schmerz

doch strahlt die Sonne tagsüber hernieder
hat sie ihren liebenden Gatten wieder
erinnern tut er sich nicht
denn er ist ein armer Wicht
die Erinnerung ist ein Bumerang
sie ist wie ein Zwang
er vergißt alles Schlechte
was bleibt, ist des Menschen Gerechte

Der Mond ist zum Heulen
läuft man in seinem Schein, gibt`s nur Beulen!


Monster / Ungeheuer sind Geschöpfe, die sich durch Größe, Stärke oder Häßlichkeit hervorheben. Der eher idealtypische Mensch ist dabei der Maßstab für das ungestaltete Wesen. Der Betrachter nimmt das Idealmaß in körperlicher wie ideeller Hinsicht. „Vor allem im Umkreis des theologischen Denkens der Kirchenväter und des Mittelalters ist das Monstrum ein Mahnzeichen, das die Gläubigen auf die Gefahren und Folgen eines Abweichens vom rechten Glauben hinweisen soll,“ berichtet die Sekundärliteratur.

Der Ausdruck Monster / Ungeheuer wird heute für eine phantastische Kreatur mit stark erschreckenden Anteilen benutzt, aber auch umgangssprachlich für alltägliche Dinge, die oben beschriebenen Kriterien erfüllen.

Fiktive Monster stammen aus der Phantasie der Menschen, aber auch deren Albträume und symbolisieren Ängste, die in Märchen und Mythen leichter verarbeitet werden können. In der Mythologie werden mißgebildete Menschen (wie beispielsweise Zyklopen) und Mischwesen als Monster bezeichnet.Es können Mischwesen mit Tierkörpern und Tierköpfen (wie beispielsweise Greif oder Drachen) sein, aber auch Tierkörper mit menschlichen Köpfen – wie die Sphinx (Frauenkopf und Löwinnenkörper) oder Kentauren (Menschenoberkörper und Pferdeleib). Der Gegensatz dazu ist der Dämon. Das ist ein theriokephales, tierköpfiges Mischwesen mit mindestens menschengestaltigen Beinen.

Auch die Kryptozoologie meldet regelmäßig „wirklich“ existierende Ungeheuer. Das Ungeheuer von Loch Ness ist ein Beispiel dafür. Der Komodowaran, der Berggorilla, die Riesenkalamare und der Riesenmaulhai sind vermeintliche Ungeheuer, die sich als durchaus quicklebendig herausstellen.

Die Sesamstraße brachte dann einen neuen, liebenswerten Monstertyp – siehe das Krümelmonster.

Wo kann man heute am ehesten Monstern begegnen? Genau: Im Zoo. So glaubte es zumindest mein Minchen. „Gehen Sie doch einfach in den Sinokryptarischen Garten,“ riet ihr der Zoo-Direktor. In den Chinesischen Garten sollen wir? Wo ist der denn? „Nein, nicht in den Chinesischen Garten; der wird gerade umgebaut. Gehen Sie gefälligst in den Fliegenden Park aus dem Chinesischen Meer, so den Sinokryptarium.“ Also gut. Und wie komme ich dahin? „Aber, meine Gute, das ist doch ganz einfach. Zuerst müssen Sie an den Gier-Affen, nein, Quatsch, an den Giraffen, Löwen, Affen und Elefanten vorbei. Und bei den Delfinen biegen Sie dann rechts ab.“ Und die fliegenden Parks schweben tatsächlich in der Luft? „Aber natürlich. Meine gute Hermine – sollten Sie tatsächlich schon so lange nicht mehr im Zoo gewesen sein, daß Sie unseren Fliegenden Park nicht kennen?“ (Hieronymus wundert sich in diesem Augenblick, daß Hermine doch tatsächlich schamesrot werden kann). Nein, ich bin schon seit meiner Kindheit nicht mehr im Zoo gewesen.(Meine Güte, sie gibt es auch noch zu!) (Hieronymus – du weißt, daß ich Gedanken lesen kann; halte also deine Klappe) Ich hoffe, es gibt eine Rolltreppe zu den Parks, oder wenigstens einen Aufzug. „Und wieso sollte es das geben?“ Weil ich keine Lust habe, Treppen zu steigen. Man – und natürlich auch Frau – wird ja schließlich nicht jünger. „Ach, Hermine, jetzt fischen Sie aber nach Komplimenten...“

Ich habe Hermine noch nie so sportlich gesehen wie an diesem Tage. Es gab natürlich weder Aufzug noch Rolltreppe. Mitnichten! Die Besucher können die fliegenden Parks nur über Trampoline erreichen. Vor dem Eingangsbereich sind riesige Trampoline aufgebaut. Wem es gelingt, hoch genug Trampolin zu springen, erreicht automatisch den Eingangsbereich des Parks. Dort wird er von kräftigen Armen in Empfang genommen, die ihn festhalten und in den Park ziehen. Um ein Mißverständnis zu vermeiden: Es sind freischwebende Arme, rechter und linker Arm bilden ein Paar, der Kontakt zu irgendeiner Form von Rumpf ist nicht vorgesehen. Wie die Arme ihre Arbeit koordinieren, ist mir bis heute ein Rätsel.

Aber egal. Bevor ich abschweife, sei die gute Nachricht verkündet: Trampolin-Springen macht Hermine offensichtlich Spaß und Freude. Auf jeden Fall schaffte sie es aus eigener Kraft, den Eingangsbereich der Parks zu erreichen. Unsere Filmausrüstung warf ich ihr hoch; dann folgte ich ihr mit ein paar gezielten Trampolinsprüngen. Der Ausflug hat sich auf jeden Fall gelohnt. Wir bekamen so viel Material für unsere Filmproduktion, daß wir eine eigene Sendung über den fliegenden Park herstellten.

Gestatten Sie: Ich heiße Balthasar. Ich bin hier Ihr Führer. Ich darf Sie hier begleiten. Ich muß Sie hier sogar begleiten. Ohne mich wären Sie hier nämlich hoffnungslos verloren. Es gibt hier einfach zu viele Luftlöcher, Nebelschwaden und andere Fallen … und wir wollen ja nicht, daß Sie verlorengehen … oder?

Beeindruckend ist unser Führer ja schon. Vordergründig sieht sein Gesicht ja ganz normal aus. Wenn man aber bedenkt, daß über jedem Ohr und am Hinterkopf auch noch ein Auge angebracht ist, fühlt man sich schon irgendwie beobachtet. Daß wir normalen Menschen zwei Arme haben, ist ja bekannt. Balthasar hatte aber deren vier: Den dritten Arm hatte er im oberen Rippenbereich, den vierten auf dem Rücken zwischen den Schulterblättern. Wie flink er damit umgehen konnte, bekamen wir zu sehen, als er ein Menschenbaby davor bewahrte, durch eine Wolkenlücke in den Abgrund zu fallen. Nur Beine, davon hatte er seltsamerweise nur zwei: „Stellen Sie sich vor, ich hätte vier davon, vorne und hinten auch noch eines,“ antwortete er, darauf angesprochen. „Dann würde ich ja ständig über meine eigenen Beine stolpern, wenn ich rennen müßte. Ich habe etwas viel nützlicheres. Ich kann einen Teil meines linken Beines und meiner Hüfte ausklappen und in eine barhockerähnliche Sitzgelegenheit verwandeln, wenn ich müde bin.“

Benny ist ein Vogel. Ein ausgestorbener Vogel, um genau zu sein. Er stammt aus dem Polarkreis. Sein oberer Schnabelteil besteht aus harten Knochen. Die Schnabelspitze hat die Form eines Hammers. Der untere Schnabelteil ist aus feinstem Eisen und Stahl gemacht. Der untere Schnabelspitzenteil hat die Form eines Nagels. Auf diese Art und Weise konnte er immer und jederzeit ein Loch in die Eisdecke eines Sees fabrizieren und sich so seine Mahlzeiten in Form von tiefgefrorenem Fisch besorgen.

Da vorne sehen wir einen Zebra-Bär. Er ist braun und grün gestreift. Den hier haben wir in einer Jojo-Liane eingewickelt gefunden. Zebra-Bären können sich – wie Tarzan – mit Hilfe von Lianen und anderen rankenden Pflanzen sehr schnell vorwärtsbewegen. Heimtückisch daran: Die Jojo-Lianen hängen unscheinbar von Bäumen herab. Ist ein Tier unvorsichtig und nähert sich ihr, wickelt sie dieses Tier blitzartig ein, so daß es sich nicht mehr bewegen kann. Jojo-Lianen gehören zu den fleischfressenden Pflanzen; wir kamen gerade noch rechtzeitig, um unseren Zebra-Bären davor zu retten, bei lebendigem Leibe verspeist zu werden. Er ist sehr dankbar und anhänglich seitdem.


Die Kryptozoologie ist ein Teilgebiet der Zoologie. Sie spürt Tiere auf, die sich vor den Menschen verborgen halten. Und erforscht diese Tiere natürlich auch. Die Kryptozoologie ist ein Teilgebiet der Kryptrobiologie. Die Dracontologie beschäftigt sich mit unbekannten Wassertieren. Die Hominologie kümmert sich um die Menschenaffen. Die Mythologische Kryptozoologie geht der Entstehungsgeschichte von Fabelwesen nach.

Es gibt rund 1,5 Millionen bekannte Tierarten. Daneben soll es eine unbekannte Zahl an Tieren geben, die noch nicht entdeckt und noch nicht beschrieben worden sind. Manchen Wissenschaftler schätzen, daß es mehr als 15 Millionen unbekannte Tierarten gibt. Die meisten dieser Tierarten werden den bekannten Tiergruppen (wie den Gliederfüßern = Insekten, Spinnen) zugeordnet – sie haben also wenig mit der Kryptozoologie zu tun. Die ist nämlich eher daran interessiert, die Existenz von unbekannten Großtieren zu beweisen, die als schon lange ausgestorben gelten oder außerhalb der existierenden Klassifiktionsschemata angesiedelt sind. Die Quastenflosser können als Beispiel dafür gelten.

Entlegene und daher noch nicht richtig erforschte Gegenden wie die Tiefsee gelten also Orte, wo noch unbekannte Tiergruppen vermutet werden.

Bei unbekannten Tieren handelt es sich um unbekannte Organismen, die sich von allen anderen bekannten Tieren unterscheiden. Aufgrund ihrer Beschreibung und ihres Verhaltens lassen sie sich nicht in das bestehende System der Zoologie einordnen. Tiere aus der Mythologie gehören dazu.

Potentiell ausgestorbene Tiere kommen bei den Kryptiden hinzu. Die Dinosaurier gehören dazu. Aber auch der neuseeländische Riesengecko Hoplodactylus delcourti gehört dazu. Er starb erst im 19. Jahrhundert aus.

Es gibt auch Tiere, die bekannten Tierarten sehr stark ähneln, sich aber durch Spezifika von ihnen unterscheiden. Das können Mutanten oder um unbekannte Verwandte dieser Tierarten sein. Diese Tiere können leicht in das System der Zoologie eingeordnet werden. Waldelefanten sind ein Beispiel dafür.

Beschriebene Tiere, derer die Wissenschaft aber nicht habhaft ist – sie sind die wahren Kryptiden. Sie sind wissenschaftlich benannt und definiert, durch Fotos oder Zeichnungen belegt, sind aber beispielsweise nicht in Zoologischen Gärten vertreten. Da man anfangs nur ungenaue Fotos davon hatte, war das Okapi eine Zeit lang ein Beispiel für diese Tiere.

Ob man bekannte Tiere in untypischen Gegenden zu den Kryptiden zählen will, ist sicherlich Geschmackssache.

Wie schon gesagt: Die Kryptozoologie beschäftigt sich auch mit den Ursprüngen und Hintergründen von mythologischen Wesen. Sie möchte aber nicht die ehemalige Existenz von Riesen oder Drachen beweisen. Es ist vielmehr das Ziel der Kryptozoologie, die tatsächlichen Wurzeln von Sagengestalten zu finden. In vielen Fällen gehen diese Wurzeln nämlich auf tatsächlich existierende oder ausgestorbene, aber keinesfalls mysteriöse Tiere zurück. Der Zyklop wäre ein Beispiel dafür. Er ist mit größter Wahrscheinlichkeit auf in Höhlen gefundene Schädel ausgestorbener Zwergelefanten zurückzuführen – deren große Nasenöffnung wurde irrtümlich für eine Augenhöhle gehalten.


Wie soll man sich mit solchen unbekannten Tieren beschäftigen, insbesondere als Journalist? Als ich Hermine diese Frage stellte, schaute sie mich nur verächtlich an. Ich sei ein Knallkopp, behauptete sie. Es gebe doch die lokale, örtliche „Vereinigung für kryptozoologische Forschung“, die sich eben genau dieses Ziel gesetzt habe. Und wie sie so ist, hat sie auch schon gleich einen Termin mit deren Anführer gemacht. Oswald-Hartwig von Schönhausen-Grünstein heiße er, sei ein führender Experte auf dem Gebiet und auf dem besten Wege, die Kryptozoologie zu einer anerkannten, seriösen Forschungsrichtung der Biologie zu machen.

Tja, meine Liebe, womit Sie auch nur einen Teil der Wahrheit beschrieben hätten.

Und wieso, Herr von Schönhausen-Grauenstein.

Ich werde das Forschungsgebiet erweitern, und damit revolutionieren.

Wie das?

Nun, ich werde es um die Kryptobotanik erweitern. Es gibt bestimmt noch ganz viele Pflanzen auf diesem Planeten, die bestimmt noch nie jemand gesehen hat und die es zu entdecken gilt.

Wie das? Können Sie Ihre Aussage konkretisieren?

Aber selbstverfreilich und selbstverständlich. Kennen Sie das Höhlensystem vor den Toren unserer Stadt?

Höhlensystem? Ich kenne zwar die Roten Berge, bin auch schon zu Ausflügen dort gewesen; Höhlen sind mir dort aber nie aufgefallen.

Eben genau das ist auch das Problem. Selbst Geologen kennen sie unter Umständen nicht. Dementsprechend sind die Roten Höhlen, wie wie in Fachdreiecken, äh, Entschuldigung, in Fachkreisen genannt werden, also bei Zoologen und Botanikern, oft auch nicht bekannt. Also hat auch noch niemand eine Expedition unternommen und erforscht, was es dort an unbekanntem Leben gibt.

Und diese Expedition werden Sie unternehmen.

Ja, genau. Ich werde sie höchstpersönlich durchführen.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten – welche Tiere und Pflanzen würden Sie gerne entdecken?

Meiner Phantasie sind keinerlei Grenzen gesetzt....
Reden Sie, Mann; nennen Sie Beispiele.

Nun, in Höhlen ist es bekanntermaßen ständig dunkel. In Fachquadraten, äh, Fachkreisen kursieren immer wieder Gerüchte, es würde Schwarze Tulpen geben.

Schwarze Tulpen? Was soll denn so besonders daran sein?

Ihre Blütenblätter. Sie sind völlig schwarz.

Herr von Schönhausen-Grauenstein, Sie sind ein gelungenes Beispiel für Kryptozoologie.

Wieso?

Wie Würmer in Ihrer Nase sind so gut versteckt, daß selbst Journalisten wie ich Mühe haben, sie Ihnen aus selbiger zu ziehen.

Wie – ah, Sie wollen wissen, was so besonders an der Schwarzen Tulpe ist? Das ist doch ganz einfach, das weiß doch jedes Kind.

Ich bin aber kein Kind mehr. Ich bin eine erwachsene Frau.

Oh, Verzeitung, äh; Verzeihung. Ich vergaß, erwachsenen Weibchen muß man mehr erklären als Kindern (Hermines Blick hätte jeden anderen Mann auf der Stelle getötet; Wissenschaftler sind aber gegen ihre Blicke immun.) Also – Schwarze Tulpen brauchen kein Licht; für sie ist Licht, ganz egal, ob natürlich (beispielsweise von der Sonne) oder künstlich (beispielsweise von Lampen) schädlich. Schwarze Tulpen verwandeln nämlich Dunkelheit in chemisch speicherbare Energie um. Magnesiumtetraperoxyd wird mit Hilfe von Kohlensäure, jodiertem Gold, natronsaurem Zinksulfat und rechtsdrehender Salzcousine, äh, Salzbase in hochkalorienhaltigen Fruchtzucker umgewandelt. In geringen Mengen ist dieser Traubenzucker sogar unserer menschlichen Gesundheit zuträglich. Nehmen Sie mich als Beispiel. Seit ich diesen Traubenzucker regelmäßig schlucke, kann ich sogar nachts genauso wie tagsüber sehen, ohne daß ich eine Lampe anmachen muß.

Wie sind sie denn an Fruchtzucker gekommen?

Oh, das war reiner Zufall. Bei uns an der Uni gibt es ein sehr weit verzweigtes Kellersystem. Einige Räumlichkeiten werden wohl schon lange nicht mehr genutzt. Dort habe ich vor einigen Jahren Schwarze Chrysanthemen entdeckt. Sehr schmackhafte Pflanzen, das muß ich schon sagen. In ihren Blütenblättern habe ich den Traubenzucker entdeckt.

Sagen Sie mal, Herr von Schönhausen-Grauenstein, sind Sie schon lange Kryptozoologe?

Oh ja, schon sehr lange, seit ich Student war...

Äh, ich verstehe nicht ganz...

Naja, können Sie ja auch nicht. Als ich neu an der Uni war, hat mich mein Professor eines Tages in den Keller geschickt. Ich sollte nur eines jener Plastik-Skelette holen, die er für die Vorlesung brauchte. Dumm und unerfahren, wie ich damals war, habe ich mich prompt in den vielen Katakomben und Gängen verlaufen. Ich muß wohl sehr lange im Keller herumgeirrt sein. Als das Licht ausging, stand ich vor einem Rätsel: Wie sollte ich je wieder nach oben kommen? Als mir jemand auf die Schulter klopfte, erschreckte ich mich erst einmal. Ich war doch völlig allein gewesen...
Und – was war des Rätsels Lösung?

Eine der fliegenden Pflanzen hatte mich beobachtet; ihr war aufgefallen, wie hilflos ich war. Also holte sie Hilfe. Eine Flugpflanze holte die Streichhölzer aus meiner Hosentasche. Mit Hilfe einer anderen Flugpflanze zündete sie eine Kerze an. Dann nahmen sie mich an der Hand und zeigten mir den Weg ins Freie. Was meinen Sie, wie froh ich war, als mir wieder frische Luft um die Nase wehte.

Herr von Schönhausen-Grauenstein, jetzt nehmen Sie mich aber auf den Arm...

Aber, aber, Hermine, das würde ich doch nie wagen...

….jetzt schwindeln Sie aber...

...aber nicht doch … so dick und fett, wie Sie sind, da würde ich mir doch einen Bruch heben (während Hermine ihn wutschnaubend ansieht, kichert er lauthals über seinen eigenen vermeintlichen Scherz). So, jetzt muß ich Sie aber an meinen Freund Dagobert Entenscherz abgeben. Der kann ihnen bestimmt alles über außerirdisches Leben erzählen.


Außerirdisches Leben sind Lebensformen, die möglicherweise extraterristisch existieren. Sein Ursprung und natürlicher Lebensraum ist nicht die Erde. Der Begriff deckt alle möglichen Lebensformen und Erscheinungsformen ab – also von einfachsten biologischen System (wie Viren, Prionen und Prokaryonten) bis zu komplexen intelligenten Lebensformen und anderen Eintitäten (wie beispielsweise künstlichen Intelligenzen). Ein außerirdisches Wesen wird umgangssprachlich auch Außerirdischer genannt.

Die theoretische Möglichkeit außerirdischen Lebens wird schon seit Jahrhunderten diskutiert. Giordano Bruno meint schon im 16. Jahrhundert, daß das Weltall unendlich ist und daß es dementsprechend auch unendlich viele Lebewesen auf anderen Planeten im Universum gibt. Immanuel Kant beschäftigte sich 1755 in seinem Buch Von den Bewohnern der Gestirne damit.

Als die Evolutionstheorie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung gewann, nahmen auch die Spekulationen über außerirdisches Leben wieder zu. Die Evolutionstheorie besagt bekanntermaßen, daß sich das Leben auf der Erde über Jahrmilliarden über natürliche Mutations- und Selektionsprozesse von einfachsten Lebensformen zu immer größerer Vielfalt, höherer Komplexität und letztendlich auch zu Intelligenz entwickelte. Diese Vorstellung ermöglichte auch die Annahme, daß sich auch auf anderen Planeten Leben entwickelt haben könnte. Die Vorstellung, daß dieses Leben durchaus fremdartig (im Vergleich zum Leben auf unserer Erde) sein kann, ist dabei nicht so abwegig. Das außerirdische Leben läßt sich in Lebensformen, die dem Leben auf der Erde prinzipiell ähneln, in Lebensformen, die völlig anders als auf der Erde sind und niedrige Lebensformen einteilen.

Vielen Leuten erscheint es als faszinierend (und möglicherweise auch beängstigend), daß die Außerirdischen eine Intelligenz und Technologie haben könnten, die der von uns Menschen ähnlich, wenn nicht gar überlegen sein könnte. Im Falle eines Kontaktes könnte ja eine Gefahr davon ausgehen.

Es gibt allein in der Milchstraße zwischen 200 und 400 Milliarden Sterne. Und die Milchstraße ist nur eine von mehr als 100 Milliarden Galaxien. Soweit bekannt, weist unsere Sonne keine besonderen Merkmal auf. Auch Planetensysteme scheinen weit verbreitet zu sein. Daher kann man leicht annehmen, daß es sehr viele Planeten gibt, die ähnlich gute Bedingungen für Leben bieten wie die Erde. Daher scheint es doch sehr wahrscheinlich zu sein, daß es noch weitere Lebensformen im Universum gibt.

Falls technologisch fortgeschrittene Lebensformen zu interstellarer Kolonisation fähig wären und außerdem ihre Zivilisation über Jahrmillionen aufrecht erhalten könnten, müßte die gesamt Galaxis innerhalb weniger Millionen Jahre vollständig kolonisiert sein. Die Tatsache, daß sich bis heute keine Anzeichen dafür gibt, wird als Fermi-Paradoxon bezeichnet.

Das außerirdische Leben könnte sehr verschieden zu dem Leben auf der Erde sein. Es könnte sogar auf ganz anderen chemischen Elementen beruhen. Die Protowissenschaft erforscht die Möglichkeit der Entstehung und Existenz von außerirdischem Leben; der Fachbegriff für diese Wissenschaft heißt „Exobiologie“. Die parawissenschaftliche Spekulation über die möglichen sozialen Charakteristika und Entwicklungstrends von außerirdischem Leben wird unter anderem als „Exo-Soziologie“ bezeichnet.


Das Aussehen von Dagobert Entenscherz ist doch ein wenig wunderlich. Er hat Halbglatze und einen Kranz aus abstehenden weißen Haaren; sein Bart ist wuschelig. Seine Augen sind stechend, die Brille mit den runden Gläsern nimmt er ständig ab, nur um sie gleich wieder aufzusetzen. Auf seiner Nasenspitze hat – gleich einer klassischen Hexe – eine Warze, deren Haarbüschel er nicht abzuschneiden wagt. Das Kinn ist eckig und ausgeprägt, soweit man es bei dem Bart beurteilen kann. Der Körper wirkt groß, massig und doch irgendwie plump. Die wahre Größe ist schlecht schätzbar; Entenscherz geht schon lange vornübergebeugt und auf einen Stock gestützt. Die Körperproportionen wirken irgendwie merkwürdig: Arme und Beine lang, Rumpf verhältnismäßig kurz, Kopf oval und so fragil auf den Körper befestigt wirkend, daß er schon beim leichtesten Lufthauch abfallen könnte. Die Finger sind kurz und wurstförmig. „Die Außerirdischen sind mitten unter uns“ - dieser Leitsatz von Entenscherz könnte auf ihn selbst zutreffen.


Der Mann vom Mond
es gern´ betont:
Er kommt in Frieden
zu den Hominiden
die Reise durch Raum und Zeit
war überhaupt nicht weit.
Er nahm viel Schwung
so war`s`n Katzensprung
Ihn interessierten die Frauen
wollte ihnen zuschauen
wie sie die Männer verwöhnen
und nicht sehen, wie sie sie verhöhnen
Der Mann vom Mond
war die Erde nicht gewohnt
er kehrte schnell zurück
zu seinem eigenen Glück.



Draußen in den Weiten des All´
fanden die Menschen Widerhall
sie entdeckten Sterne und Planeten
fanden solare Asketen
die ohne Sonnenstrahlen lebten
weil sie hinter Monden schwebten
sie sahen kosmische Dinosaurier
und anderes alte Ungetier.
Die kosmischen Frauen gefallen sehr
der Kontakt zu ihnen ist nicht schwer
von selbst sie kommen ganz schnell her
sie sind liebevoll, freundlich, nett
und wollen nicht gleich ins Bett
doch wenn sie kochen,
dauert das Wochen
das ist nichts für Männer,
eher was für Hungerkenner.

Sehen Sie die beiden komischen Typen da drüben, diesen Mann mit seiner Begleitung? Das sind Hieronymus und Hermine. Reporter wollen sie sein. Am Telefon behauptete sie, sie seien „Fernsehjournalisten“ und würden für das lokale Fernsehprogramm über Horrorgeschichten berichten wollen. Und ich sei ein Exobiologe, also ein Experte für extraterristisches Leben, sprich: Außerirdische. Blöd, wie ich bin, habe ich mich prompt zu einem Interviewtermin überreden lassen. Bitte verzeihen Sie, wenn ich mich jetzt umziehen gehe. Es muß ja nicht jeder alles wissen...

Meine Güte, hier bei Entenscherz riecht es ja irgendwie streng … Wie vornehm du den Gestank umschreiben kannst, liebste Hermine … Der Mann hätte doch wenigstens lüften können, bevor wir kommen.Jeder Kuhstall duftet da parfümiert zu dem hier...

Idioten! Als ich in einem Kuhstall die Luft absaugen und hier wieder verströmen lasse!!

Nun, meine liebste Hermine, womit kann ich Ihnen dienen?

Mit Ihrem riesigen Fachwissen. Erzählen Sie uns bitte was über außerirdisches Leben.

Aber gerne doch. Wo soll ich anfangen?

Am besten am Anfang.

Oh, das wird schwierig sein.

Aber wieso denn? Im Zweifelsfall fangen Sie ganz einfach mit dem Urknall an.

Urknall? Urknall? Welchen Urknall meint Sie denn? Es gab nie einen Urknall, wie von vielen Wissenschaftlern behauptet. Es ist einfach dämlich, anzunehmen, daß vor 6 Milliarden, 7 Milliarden oder gar 10 Milliarden Jahren alle Masse und Energie in einem Punkt konzentriert war und sich dann innerhalb einer einzigen Sekunde explosionsartig ausbreitet.

Und was ist stattdessen passiert?

Aber das ist doch ganz einfach. Es gibt da draußen eine Gottheit, die Cycly heißt. Diese Gottheit gibt es schon seit Billionen und Billiarden Jahren. Eigentlich sind Götter ja nichtstoffliche Existenzen. Doch bei Cycly ist irgendetwas schiefgelaufen. Cycly hatte immer Durchfall. Sowohl harten (das sind die heutigen Planeten) wie auch weichen Durchfall ( = die heutigen Sonnen).

Wie kommt es, daß die Sonnen und Planeten so weit verstreut sind?

Sie kann es sich doch vorstellen: Durchfall ist auch für Götter eine schmerzhafte Angelegenheit.Also hat sich Cycly immer wieder bewegt und so die Sonnensysteme im Weltall verteilt.

Dann muß Cycly ja riesengroß sein?

Anfangs schon. Durch den vielen Durchfall ist die Gottheit aber geschrumpft. Kommen heute Weltraumforscher vorbei, kann sich die Gottheit natürlich leicht irgendwo hinter einem Stern verstecken. Interessant dabei ist, daß die Forscher falsch suchen. Sie suchen immer nur nach Leben aus Materie, nie nach Leben aus Antimaterie, aus der Götter gemacht sind.

Ob es wohl auch künstliche Intelligenz gibt?

Gut möglich. Als Cycly seinen Durchfall hatte, wird bestimmt auch viel Darmflora ausgestoßen worden sein. Können wir sicher sein, daß dabei nicht auch langfristig intelligentes Leben entstanden ist, das wiederum lebende Maschinen entwickelte?

Wie würden wir denn herausfinden, ob ein Lebewesen beispielsweise ein solches Maschinenwesen wäre?

Oh, das wäre ganz einfach.

So?

Ja. Wir bräuchten nur einen Boxkampf veranstalten. Tun dem gegnerischen Boxer die Hände und Fäuste sowie das Kinn weh, hat er gegen ein Maschinenwesen gekämpft. Gibt es dagegen bei einem Treffer nur ein zittriges Bild, kämpft der Boxer gegen ein Hologramm.

Und das soll ich glauben?

Ja, aber natürlich. Versuchen Sie es doch mal bei mir...

Als wir gingen, sah Hermine reichlich irritiert und verwirrt aus. Sie hatte so hart zugeschlagen, wie sie konnte. Trotzdem hatte sie immer wieder durch sein Gesicht durchgeschlagen. Als Dagobert Entenscherz ihr dagegen einen Kinnhaken verpaßte, biß sie sich prompt auf die Zunge. „Da ist irgendetwas faul,“ sagte sie beim Weggehen. Ihr journalistischer Ehrgeiz war geweckt (und wahrscheinlich hatte sie auch finanziell-unternehmerisch Lunte gerochen und eine Einnahmequelle entdeckt).

„Kann es digitales Leben geben,“ fragte Hermine kurze Zeit Engelbert Kaffee-Satz. „Klar,“ entgegnete der kurz angebunden. „Erklärung,“ forderte Hermine, meine Partnerin, genauso kurz angebunden. „Sie wissen, was ein Hologramm ist? Ja? Gut, dann brauche ich das ja nicht zu erklären. Nehmen Sie dieses Hologramm. Es sieht wie ein ganz gewöhnliches Hologramm aus. Es ist aber eine Spezialanfertigung. Es ist lebensgroß. Auch wenn man es glauben mag, weil sie dicht beeinander sind: Der Körper ist kein einheitliches Wesen; Kopf, Rumpf, Arme, Beine, Füße, Hände und Finger gibt es unabhängig voneinder. Auch die Bestandteile des Gesichts (Augen, Nase, Mund usw.) sind einzeln beweglich. Die Großrechnerprogrammabteilung unseres staatlichen Ministeriums für Allgemeine Datenverarbeitung hat schon vor geraumer Zeit ein Spezialgrogramm entwickelt, das es diesen Hologrammeinzelteilen ermöglicht, sich menschlich und natürlich zu bewegen.“

Da sitzt ein Verschwörungstheoretiker vor uns. Dieser Gedanke muß Hermine deutlich im Gesicht abzulesen gewesen sein. „Sie glauben mir nicht,“ fragte Kaffee-Satz nämlich plötzlich. „Dann kommen Sie mit. Wir machen jetzt eine Betriebsbesichtigung.“

Wie heißt noch mal dieser Beruf, der künstliche Körperteile herstellt? Orthopädiemechaniker? Ich glaube schon. Auf jeden Fall sahen wir sehr viele künstliche Körperteile in dem Lager herumliegen. Arme, Beine, Hände, Füße – und, oh ja, auch die Rümpfe von Schaufensterpuppen nicht zu vergessen. Sogar Schaufensterpuppenköpfe lagen da herum. „Die künstlichen Köpfe sind sehr schwierig herzustellen,“ behauptete Kaffee-Satz. „Wir beschäftigen dafür eine ganze Kohorte von Spezialisten. Augenoptikermeister besorgen die beweglichen Augen und Brillen. Kieferorthopäden kümmern sich um die Zähne und beweglichen Kiefer. Hörgeräteakustiker verleihen den Ohren ein natürliches Aussehen. Gesichtschirurgen kümmern sich um Lippen, Nase, Stirn und Gesichtsmuskulatur. Und Friseure verpassen den Körpern die passenden Toupets.“ Und was ist mit dem Gehirn? „Ach, das bißchen bewegt doch die Festplatte.“ Und das Rückgrat? „Was meinen Sie? Ach so, die Steuerung der Beweglichkeit. Nun, die Puppe ist innen drin natürlich verkabelt. Diese Verkabelung besorgt die Beweglichkeit.“ Auch die Reaktionsfähigkeit? „Die Reaktionsfähigkeit der Roboter ist wesentlich besser weil schneller als die der Menschen.“ Warum? „Wir verhindern Fehler. Wir haben eine Sicherung eingebaut. Hängt sich das erste Programm auf, wir automatisch das Parallelprogramm aktiviert. Außerdem erhält der Großrechner automatisch die Nachricht, daß er das erste Programm neu starten muß.“ Und der Zentralrechner fällt wohl nie aus? „Nein, das ist ausgeschlossen. Es gibt ihn in dreifacher Version; alle drei Großrechner sind jeweils an ein Notstromaggregat angeschlossen, so daß für alle Eventualitäten vorgesorgt ist.“ Ist auch eine Fehlbedienung durch den Menschen ausgeschlossen? „Ja. Beim Großrechner ist eine Selbstverteidigungsanalage eingebaut. Jeder Mensch, der sich dem Computer ohne Voranmeldung und Erlaubnis nähert, wird erschossen. Und der Computer ist ein guter Schütze, glauben Sie mir. Wir haben inzwischen schon drei Tote zu beklagen. Vorsicht, Hermine: Sie wären fast das vierte Opfer geworden...“

Die Hologramm-Abteilung habe ich mir dann alleine angesehen; Hermine war einfach zu sehr geschockt. Die Hologramm funktionieren so ähnlich wie die Puppen-Roboter. Die menschlichen Körper werden dabei auf eine bewegliche künstliche Lichtsäule projiziert. Zumindest habe ich es so verstanden.

Ich fürchte, Hermine wird sich jetzt aus dem Filmprojekt zurückziehen. Auf der Arbeit be- und eventüll, äh, eventuell erschossen zu werden, war doch etwas zu viel für ihre Nerven.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Andreas Rüdig).
Der Beitrag wurde von Andreas Rüdig auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.08.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Andreas Rüdig als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Karins kinderbunter Lesespaß von Karin Ernst



Was bietet meinen Leserinnen und Lesern "Karins kinderbunter Lesespaß"?

Es spiegelt den Traum einer Hobbyschriftstellerin wider, ihre selbst erdachten Kinder-Geschichten in einem schönen Buch vereint zu sehen.
Dieser Traum geht hiermit in Erfüllung.

Mögen beim Vorlesen von Alltagsgeschichten, Märchen und Weihnachtsgeschichten die Augen der Kinder leuchten, sie fasziniert zuhören, nachdenklich werden, oder in andere Welten versinken.
Die Geschichten eignen sich zum Vorlesen für kleine Kinder, zum Selberlesen für größere, aber auch für Eltern und sogar Großeltern - wie ich selbst eine bin.



Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Sonstige" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Andreas Rüdig

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Bate coxa von Andreas Rüdig (Sonstige)
MANCHMAL GIBT ES NOCH KLEINE WUNDER von Christine Wolny (Sonstige)
Ungarische Zähne Rhapsodie von Norbert Wittke (Autobiografisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen