Lisa Moser

Verfolgt


Schatten. Überall Schatten. Ich sehe genau dort welche, wo eigentlich keine sein sollten. Es ist zum Verrückt werden! Hier und dort bewegt sich etwas. Ich gehe schneller. Ich will nach Hause. Sofort!
Das einzige Licht spendet mir der Mond. Eigentlich liebe ich den Mond. Ich fotografiere oder zeichne ihn mit Vorliebe. Doch heute scheint er mir sehr düster, als hätte er eine Vorahnung, was mit mir passieren könnte, wenn ich noch länger durch diese dunklen Straßen ziehe.
Hinter mir vernehme ich Schritte, doch wenn ich mich umdrehe, werde ich wahrscheinlich wieder niemanden sehen. Bin ich Paranoid?! Was ist bloß los mit mir? Seit wann fürchte ich mich vor Schatten? Früher war ich doch auch nicht so. Oder?
Ich glaube, ich sollte aufhören Horror Filme oder Bücher als Unterhaltung zu nutzen.
Schon wieder Schritte. Ok, tief durchatmen. Du bildest dir das alles nur ein. Sei nicht doof. Wenn du dich wieder umdrehst, wirst du niemanden entdecken. Also gehst du einfach weiter, als wäre nichts passiert. Es ist ja auch nichts passiert. Alles ist nur meiner verfluchten Vorstellungskraft zu verdanken, die mir gruselige Monster oder schaurige Dämonen vor Augen führt.
Meine Bewegungen fühlen sich mechanisch an, als würde ich meine Schritte nicht mehr kontrollieren können. In meinem Nacken verspüre ich ein unangenehmes kribbeln. Beobachtet mich nun doch  
Noch einmal drehe ich mich um. Doch auch diesmal wurde ich von meinem erstaunlich schlechten Wahrnehmungsvermögen getäuscht. Warum hört dieses verdammte kribbeln nicht auf?
Ich hätte mich von meiner Freundin nach Hause fahren lassen sollen, dann wäre ich jetzt nicht so nervös. Ich mache mich selbst verrückt. Es sind nur noch ein paar Meter. Ich brauche nur noch die Allee entlang gehen und die warme Wohnung aufschließen, dann bin ich endgültig zu Hause.
Ich beschleunige meine Schritte. Je schneller ich an mein Ziel komme, desto besser.
Plötzlich lacht jemand. Es ist ein schrilles Lachen, dass mich erzittern lässt. Das kann ich mir doch nicht eingebildet haben! Es klang so real! Aber es ist niemand hier. Ich bin hier ganz allein!
„Komm nach Hause.“ Ganz leise nehme ich diese Worte wahr. Die wenigen Laternen, die mir meinen Weg beleuchten, fangen an zu flackern. Schließlich gehen die Lichter ganz aus. Natürlich verdecken die Wolken auch noch meine letzte, wenn auch spärliche Lichtquelle. War ja klar, dass das alles genau jetzt passiert!
„Komm nach Hause.“ Ich höre die Worte, als würde mir jemand diese ins Ohr flüstern. Ich drehe mich um und versuche jemanden ausfindig zu machen, doch überall ist nur diese Dunkelheit. Diese verdammte Dunkelheit!
 Der Wind rauscht durch die Blätter der Bäume. Ich kann den Gehweg nur mehr erahnen, da ich nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen kann. Ich spüre Regentropfen und fahre erschrocken zusammen, als ich den ersten Blitz sehe. Der Donner lässt auch nicht lange auf sich warten. Es fängt an in Strömen zu gießen. Es dauert auch nur wenige Sekunden, bis ich von Kopf bis Fuß völlig durchnässt bin.
„Komm nach Hause.“ Diesmal ist es kein Flüstern mehr. Ich fange an hysterisch zu schreien: „Wo bist du?! Zeig dich, verdammt noch mal!“
Durch den vielen Regen kann man meine Tränen nicht mehr sehen. Ich bin vollkommen fertig.
Wieder dieses Lachen. Es klingt so grausam.
Es blitzt wieder und während es für kurze Zeit hell ist, sehe ich eine dunkle Gestalt vor mir.
Als es wieder blitzt, ist sie verschwunden. Ich habe Angst weiterzugehen, wohl wissend, dass ich nur noch ein paar Schritte von meiner Wohnung entfernt bin. Meine Sinne hatten mich also doch nicht getäuscht. Es ist jemand hier. Nur wer oder … . Nein, ich traue mich nicht, diesen Gedanken weiterzudenken.
Wieder blitzt es und jetzt steht genau vor mir jemand, nein, etwas! Ich hoffe schon, dass es sofort wieder dunkel wird, ich will nicht in diese Fratze mit den kohlschwarzen Augen sehen. Doch meine Hoffnung wird zerstört. Es wird nicht mehr dunkel. Ich weiß es. Die Gestalt ist nur einen Schritt von mir entfernt. Sie lächelt mich mit spitzen verfaulten Zähnen an. Ich bin wie erstarrt. Ich bringe keinen Ton mehr heraus. Ich kann nicht atmen. Es ist, als wäre meine Lunge mit Watte gefüllt. Ich weiß nicht warum, aber ich habe das Gefühl, dass irgendetwas zu Ende gegangen ist oder dass etwas gerade erst anfängt.
„Komm nach Hause.“, sagt die Gestalt zu mir, ohne die Lippen zu bewegen.  „Du gehörst nicht mehr hier her. Komm nach Hause.“
Plötzlich habe ich keine Angst mehr. Nicht einmal, als es meinen Arm mit seiner klauenartigen Hand packt. Ich sehe der Gestalt tief in die Augen. Auf einmal wird mir schwindelig. Ich schließe meine Augen, ich will nichts mehr sehen.
Als ich sie wieder öffne, befinde ich mich an einem anderen Ort.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.08.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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