Andreas Dany

“Kleine Helden“ (Der Unfall)



Kratzt der Kopf am Autolacke –hast ohne Helm du schnell ne Macke !
 
 
 
 Montag,7:05Uhr.
Jetzt ist es aber allerhöchste Zeit!
Wie immer habe ich bis zur letzten Minute im Bett gelegen. Wenn ich es jetzt noch rechtzeitig schaffen will, muss ich mich beeilen! Aber bei mir ist das möglichst späte Aufstehen so eine Art Sport. Schnell habe ich den Schlafanzug aus-und Socken und Hose angezogen .Ab ins Bad und Zähne putzen (warum dauern 3 Minuten bloß immer soo lange?)Ein paar Tropfen Wasser ins Gesicht(bloß nicht zuviel), T-Shirt über`n Kopf, die gepackte Schultasche geschnappt (die packe ich neuerdings schon abends, aber auch erst, seitdem ich zweimal mein Lateinheft mit den Hausaufgaben liegengelassen habe)
 
Spitzenzeit: 5 Minuten ! Ein Becher Milch und eine Schüssel Müsli; Schulbrot geschnappt:„Tschüß Mutti!“, angedeuteter Kuss (wird verlangt –Mütter wollen das so) und schon bin ich beim Fahrrad. Helm auf (in der Beziehung ist mein Vater absolut uncool, kein Helm bedeutet: 2 Wochen kein Fahrradfahren!)und schon geht’s los.
 
    Wie jeden Morgen treffe ich mich mit meinem Freund Tim an der Ecke. Und wie jeden Morgen wartet Tim schon auf mich:„ Mensch Rudi, kannst du nicht einmal früher aufstehen? Ich warte schon seit 5 Minuten!“ „Das klappt bei mir nur in den Ferien“, antworte ich. „Ich bekomme Medizin und kalte Umschläge dagegen, hat aber noch nicht geholfen!“
 
     Eigentlich heiße ich Rudolph, aber ich werde fast immer Rudi genannt. Wie jeden Morgen hängt Tims Helm am Lenker  „ Ist dein Kopf nicht ganz aus Eisen, solltest du mit Schutzhelm reisen!“, witzel ich, wie üblich in Reimform .
„Tu ich doch!“, grinst Tim.

    Langsam setzen wir uns in Bewegung. Gemütlich fahren wir nebeneinander her und schmieden Pläne für den Nachmittag. Ein Klingeln reißt uns aus den Gedanken .Ich beschleunige kurz, Tim bremst und schon fahren wir hintereinander her und lassen das Fahrrad vorbei. „ Hallo ihr Schnecken !“, Judith, der 15 Jahre alte Schwarm aller Jungs, geht in die Parallelklasse .Dank einer “ Ehrenrunde “ ist sie ein Jahr älter als wir. Ihr blondes, langes Haar weht wie eine Fahne hinter ihr her. „Na die hat es ja wieder mal eilig – hat wohl wieder mal etwas zu lange vor dem Spiegel gestanden! “, konstatiert Tim.
  Auch wir fahren jetzt etwas schneller. „ Na, bei der möchtest du wohl mal Mund zu Mund -Beatmung machen - was?“ Tim spielt auf den Erste-Hilfe Kurs an, den ich vor kurzem gemacht habe. „Quatsch, es heißt schließlich „ Erste Hilfe-Kurs“ und nicht „ Erste Hilfe Kuss“!“, kläre ich ihn auf. „Übrigens, hast du schon die Mathe Aufgabe für morgen?“, schnell wechsele ich das Thema, denn soo falsch liegt er gar nicht!

 Ein Quietschen  und Scheppern unterbricht unser Gespräch. „Da vorne ist was passiert!“
Wir steigen in die Pedale und rasen zu der vor uns liegenden Kreuzung. „ Sch… das musste ja mal passieren!“ Eine Autofahrerin aus der Seitenstrasse hat das Fahrrad von Judith auf dem Radweg übersehen und seitlich gerammt. Die Fahrerin sitzt noch im Auto, starrt nach vorn und hält  das Lenkrad fest umklammert. 
 
 „Tim, dein Handy ! 112 anrufen!“ Ich weiß auch nicht was in diesem Moment mit mir passiert,  aber ich bin total konzentriert! Schnell kniee ich neben Judith, die verdreht und mit einer stark blutenden Kopfwunde auf der Seite liegt. „ Atemkontrolle – keine Atmung – Kopf überstrecken“, halblaut wiederhole ich die Schritte die ich erst kurz vorher an einer „Erste Hilfe Puppe“ geübt hatte.
Laut höre ich, wie Judith einatmet. Da hatte der Erste-Hilfe-Ausbilder wohl recht: „Das Überstrecken des Kopfes ist die wichtigste Sofortmassnahme, meist setzt dann die Spontanatmung wieder ein“, ich höre diesen Satz, als wenn er neben mir stünde.

     „ Hallo ? Hier ist Tim Reitling ich melde einen Verkehrsunfall, Willi Brandt Strasse, Ecke Friedensstrasse, Fahrtrichtung Stadt. Verletztes Kind mit stark blutender Kopfverletzung, Bewusstlos ! Autofahrer vermutlich unter Schock !“ Tim, den man am Telefon sonst kaum verstehen kann, ist absolut cool. Wie wir es bei der Jugendfeuerwehr gelernt haben, setzt er einen astreinen Notruf ab.
 
     Auf der Hauptstraße hat ein Autofahrer angehalten. „Geben Sie mir bitte Ihren Verbandkasten!“ Auch wenn Erwachsene sonst nicht auf Jugendliche hören, dieser Mann redet nicht lange, reißt seine Erste Hilfe Tasche aus dem Auto und gibt sie mir. „ Ziehen Sie sich bitte Ihre Warnweste an und sichern Sie die Unfallstelle und Sie, “, ich zeige mit dem Finger auf eine Frau die auch angehalten hat, „kümmern sich bitte um die Autofahrerin, vermutlich Schock!“ Als man mich später einmal gefragt hat woher ich in dieser Situation den Mut genommen habe die Erwachsenen einzuteilen, konnte ich keine Antwort geben. Meine Eltern und Lehrer hören jedenfalls nicht so gut auf mich (leider)!
 
    Schnell streife ich die Handschuhe über und lege Judith einen Druckverband an der stark blutenden Kopfwunde an. Wenn Sie doch bloß die Augen aufmachen würde! Aber wenigstens kann man jetzt deutlich Ihren Atem sehen .Ihr Brustkorb hebt und senkt sich deutlich. Das ganze Gesicht mit Schürfwunden übersät und auch ihre Hose färbt sich langsam rot. Da, dass Martinshorn, noch nie habe ich mich mehr über diese Tonfolge gefreut als heute!
  
    Ein paar Augenblicke später halten der Rettungswagen und der Notarztwagen neben uns.
Das zuckende Blaulicht beleuchtet gespenstisch die Szene. Die Ärztin hat sich neben Judith gehockt und untersucht sie:„ Gute Arbeit !“ Sie lächelt mich kurz an:„ Ich übernehme!“, ruhig und sicher versorgt sie Judiths Verletzungen und gibt nebenbei den Sanitätern Anweisungen. Ich gehe ein paar Schritte zur Seite.
 
    Zum ersten Mal seit dem Unfall sehe ich hoch. Es hat sich eine Menschentraube gebildet und ein Jugendlicher macht mit seinem Handy sogar Fotos .Ich will schon auf Ihn losgehen, aber ein Polizist erscheint und nimmt Ihm das Gerät schon aus der Hand. Die Polizei habe ich gar nicht kommen hören. „Das kannst du dir später auf der Wache abholen! Und du,“, er deutet auf mich, „ komm doch bitte mal mit.“
    Der Polizist nimmt meine Personalien auf und lobt mich. „ Tolle Leistung, mein Junge. Kannst du denn zur Schule fahren?“ Erst jetzt merke ich, dass ich am ganzen Körper zittere. „Wird schon gehen, ich verschnauf noch einen Augenblick. Außerdem sind wir ja zu zweit!“ Tim ist neben mich getreten und sagt bewundernd: „ Du warst ja echt cool!“
    Ist schon ein tolles Gefühl, wenn man jemandem geholfen hat! Erst schieben wir unsere Räder ein Stück, aber dann siegt die Bequemlichkeit und wir steigen auf. „ Moment mal –“, Tim hält noch mal an und setzt seinen Helm auf. „ Was ist denn mit dir los, hast du Angst, dass ich bei dir „Mund zu Mund“-Beatmung mache?“ Wir lachen und fahren langsam zur Schule. 
 
   Ich musste die Geschichte in der nächsten Zeit bestimmt hundertmal erzählen. Sogar in der Zeitung stand ein großer Bericht.
Eine Woche später durften wir Judith im Krankenhaus besuchen. „ Die Narbe am Kopf werde ich wohl behalten, aber sonst ist schon fast alles wieder in Ordnung. Nächste Woche komme ich hier raus und dann darf ich auch schon bald wieder zur Schule. Gina bringt mir jetzt schon immer die Hausaufgaben. “, erzählt uns Judith. „ Sollen wir sie abfangen?“, Tim ist wie immer konstruktiv und hilfsbereit. „ Nein danke “, Judith lacht „ ein bisschen Abwechslung schadet hier gar nicht!“ Ganz überraschend beugte sie sich zu mir „ vielen Dank!“ Ehe ich mich versehe, gibt sie mir einen Kuss „ Ich, ähh, Ich glaube wir müssen dann mal“, stottere ich und schieße an dem breit grinsenden Tim vorbei in Richtung Tür.
 
    Erst am Ausgang holt er mich wieder ein: „Du wirst dir wohl einen neuen Helm kaufen müssen “, lacht er mich an. „ Und wieso?“, frage ich verdutzt.
 
„ Na, dein grüner Helm passt farblich nicht zu deiner knallroten Birne!“  
     
  

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.09.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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