Andreas Gritsch

Ein Tag im Leben des M.
















Schon im Erwachen zogen graue Schleier des neuen Tages durch die Flüssigkeit seiner noch halb geöffneten Augen. Er gönnte sich noch eine kurze, ungeschnürte Atmung, bevor sich all die zarten Daunenfedern in glühend heiße Nadelstiche zu wandeln begannen. Das Bett als Sarg einer Ruhestätte wandelte sich zu einer Ruhestätte im Sarg durch sein Bewußtsein in Erwartung des neuen Tages. Die Uhr stand plötzlich nicht mehr still, sondern raste um sich selbt in fremden Bahnen. Im Radio war eine Stimme schon gut gelaunt, und wie üblich wollte er das Gerät aus dem Fenster schmeißen, verzichtete aber auf Grund seiner Kontostände immer wieder darauf.

Vor dem Spiegel im Bad angekommen, weideten sich noch einige Nachwirkungen der zuletzt im Schlaf gezeichneten Bilder an seiner Betrachtung. Jede Bewegung überschwemmte in diesem Zwischenraum die eigene Erwartung durch verzögerte Handlung. Also im Klartext, er schlief halt beim Zähnenputzen manchmal ein, oder vergaß einfach sich zu waschen. Er stank dann, marschierte aber trotzdem wankend durch seinen Tag.

Er hatte es danach nicht weit zum Bus, in welchem Tag für Tag, und Jahr für Jahr die ewig gleichen Wesen hockten. Alle verschmolzen darin zu einer unbeweglichen Masse während einer stetigen Bewegung hin zur eigenen Starre. Die Monatskarte baumelte dabei im Einklang der sich bildenden Wolken am Himmel um seinen Hals und schnürte sich mit zunehmender Dauer jener Fahrt immer enger um die Gurgel. Alle Flächen der vorüberziehenden Litfaßsäulen zogen als animierte Viedeoclips über seine Zunge hinunter in die Blutlaufbahn seiner Gedärme. Sie schlossen ihren Pakt und bündelten ein Glasversprechen. Danach kam die Haltestelle.

Noch ein kurzer Weg um drei Häuserecken, die sich winden wie Kurven einer noch nicht zuende gebauten Autobahn. Durch die blau gefärbte Atmosphäre jener Eingangshalle, welche sich im Schimmer einer nicht zu erwartenden Hoffnung selbst ergab,betritt er die Schwebebahn hoch in den fünften Stock eines von Zinngebilden bleiverschmierten Holzgebäudes. Von der Arbeit selbst kann hier nicht berichtet werden, weil : Betriebsgeheimnis !!
Nur ein kurzes Wort zur Speisung in der sogenannten Kantine. Menschenschlangen wie die Viecher im Urwald.  Wie diese Schlange, die so lang ist und ihr Opfertier langsam erwürgt. Der Boden zittert unter verschiedenen Erwartungen genährt zu werden, Fenster beginnen sich beinahe berstend zu biegen ob der leichten, doch begrenzten Stunde dieses Tages und er steht da mitten drin und kann die Tafel mit den angebotenen Speisen nicht entziffern, weil er seine Brille wieder mal vergessen hat. Aber egal, weil Knödel gibts immer.

Und wie er so die letzten Stunden dieser Einheit fast wie einen Hauch im Sturm seiner eigenen Existenz an sich selber vorüberziehen spürt, ist dann auch schon Feierabend. Der letzte Stempel, die letzte Kopie, der letzte Drahtseilakt, und danach, auf auf und davon. Er lächelt dann beim Verlassen des Gebäudes sogar manchmal, was ihm durchaus positiv ausgelegt wird und sich deshalb schonmal eine Begegnung mit einem weiblichen Wesen angebandelt hat, aber diese Geschichte muß in einer anderen Kategorie bei e-stories veröffentlicht werden. Jedenfalls geht er nach Schicht einkaufen, weila Hunger hat und dann auch kocht, bzw. macht er eben seine Nahrungsmittel warm.

Danach trinkt er gern eine Tasse voll mit heißer Schokolade auf der Veranda des Hauses, welches ihm sein toter Opa vermacht hatte, mit der Auflage, noch am Sterbebett ausgesprochen, daß er doch ein anständiges Leben führen möchte. Dem entsprechend geht er dann auch wieder zeitig schlafen, um sich auch am nächsten Tage wieder kreiselförmig in der Betrachtung aller Sinne dieses Lebens zusammen mit den ewig gleichen Gestalten durch die eigene Ausgangslage fräsen zu können. 


























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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.09.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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