Hans Pürstner

Die Arbeiter auf dem Weinberg

Die Ersten werden die Letzten sein. Selbst diejenigen, die nur noch zu Hochzeiten und Trauerfeiern eine Kirche betreten, werden sie kennen. Die von Matthäus erzählte Geschichte vom Gutsherren, der morgens auf dem Marktplatz nach Tagelöhnern Ausschau hält um bei der Weinlese zu helfen. Sie vereinbaren einen Tageslohn von einem Denar und die Arbeiter machen sich ans Werk. Im Lauf des Tages ging er nun mehrfach wieder zum Marktplatz und holte nach und nach auch noch die letzten, die ohne Arbeit zurückgeblieben waren, zu sich auf den Weinberg.
Am Ende zahlte er die Leute aus und gab allen Arbeitern den gleichen Lohn, einen Denar.
Zweifellos ist dieses Gleichnis neben dem bekannten Spruch, nach einem Schlag auf die rechte Backe auch noch die linke hinzuhalten, eines der am schwersten zu akzeptierenden. Nicht nur die Arbeiter, die den ganzen Tag geschuftet hatten, murrten darüber. Auch unser eigenes Gerechtigkeitsempfinden wehrt sich gegen diese Vorgangsweise.
Mich hat das alles erinnert an die aktuellen Diskussionen über den gesetzlichen Mindestlohn, gleiche Bezahlung von Leiharbeitern und Festangestellten und ähnliches.
Die Arbeiter, die schon von Anfang an bei der Weinlese waren=
Facharbeiter geschützt von Tarifvertrag und sozialem Netz.
Die später gekommenen Tagelöhner=
Ungelernte, bei Konjunkturspitzen zusätzlich eingestellt, ohne die Sicherheit von Festangestellten aber mit noch fairem Lohn
Die verzweifelten Arbeiter, die erst zum Schluss geholt wurden=
Ältere Arbeitnehmer oder Langzeitarbeitslose sowie Leiharbeiter.
Ihnen wurde von den zuerst eingestellten Arbeitern vorgeworfen, den ganzen Tag auf dem Marktplatz gestanden zu haben, während jene geschuftet hatten. Bestimmt hätten sie gerne von Anfang an gearbeitet, aber niemand hatte ihnen die Chance dazu gegeben.
Auch ein Langzeitarbeitsloser heutzutage sitzt nicht aus Jux und Tollerei (faul?) zu Hause herum. Ihm einen solchen Vorwurf zu machen, ist ungerecht. Wie überhaupt solche Vorwürfe meist von denen kommen, die in einigermaßen sicherer Position stehen genau wie die auf dem Weinberg.
Und nicht von den bösen Arbeitgebern. Die sind zumindest in diesem Fall mal unschuldig.
In punkto gleicher Lohn für gleiche Arbeit allerdings sind sie es, die sich diesen Schuh anziehen müssten.
Schön wäre es, wenn es auch in der heutigen Zeit Leute geben würde, die wie der genannte Gutsbesitzer handeln würden.
Dann würde es weder Erste noch Letzte geben, sondern das, was sich eigentlich alle wünschen:
Gerechtigkeit!

 

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