Mara Krovecs

Verbotener Ritt


Mit glühenden Wangen flog sie durch die weiße Landschaft. Blauer Himmel und feder-
förmige Wolken zischten über sie hinweg. Ihre Hände klammerten sich fest in die Mähne des
„Schneeweißen“, ihre Schenkel spornten sanft zu höherem Tempo an, ihr Jubelschrei brach die Stille der unendlich weit wirkenden Landschaft.
Völlig außer Atem blieben sie schließlich stehen, sie sprang von dem sattellosen Pferd und sank bis zu den Knien in den Schnee.

Obwohl sie ein Eindringling war, herrschte sie über dieses großartige Reich. Sie war die Königin der Weite, des Windes, der Wolken und der Bäume. Es war immer wie eine innere Stimme gewesen, die flüsterte was sie zu tun habe und sie tat es bedingungslos. Seit sie denken konnte, denn inmitten dieser funkelnden Schneepracht schlief das einzige Wesen dessen Herz jemals für sie geschlagen hatte.
Nur so erhielt alles einen Sinn, die Freude auf das nächste Mal ließ sie die fröstelnd einsamen Stunden vergessen. 

Das Pferd schnaubte blütenweißen Nebel aus den rosafarbenen Nüstern.
Ein Pfiff gellte durch die märchenhafte Stille, das große Tier drehte den schlanken mächtigen Hals und warf den Kopf herum. Sein Wiehern klang wie ein Lied, die Frau klopfte zärtlich auf den vollendet geformten Rücken, schmiegte ihr Gesicht in die seidige Mähne und murmelte fremdartigklingende Worte.
Dann preschte der Schimmel davon, stürmte auf die königlichwirkende Villa zu, die weit in der Ferne lag und war schon bald ihrem Blickfeld entschwunden.

„ Ho, ho“, der Alte versuchte den Weißen einzufangen, aber das nervöse Turnierpferd musste wie mit Glacéhandschuhen angefasst werden.
„ Wo treibst du dich nur immer herum?“, schimpfte er leise.
„ Du bist wieder völlig verschwitzt, du hast wohl einen heimlichen Liebhaber ?“
Sein Blick schweifte über die weite Schneelandschaft, dann stieß er erneut einen Pfiff aus.
Plötzlich, wie aus dem Nichts, standen vier schwarze Doggen um ihn herum, die kurzen Ruten zuckten erwartungsvoll, die stolzen Ohren wachsam aufgerichtet.
Der Alte holte sorgfältig geschnittene Salamiwürfel aus seinen Taschen, verteilte sie, sah die vier nur kurz an und gab den Befehl:„ Sucht“.

Wie schwarze Phantome jagten die vier schnell wie der Wind in die Weite und schrumpften
innerhalb von Sekunden zu kleinen schwarzen Punkten zusammen.
„Das muss ein Ende haben,“ der Alte stapfte vor sich hinbrütend davon und verschwand in
einem der Ställe.

Aber die Hunde kamen zurück und es gab keinen Hinweis auf eine Auseinandersetzung oder auch nur eine leise Aufregung.
„ Verflixt, wenn die Herrschaften dahinter kommen, dass Blanca fremdgeritten wird und das auch noch einen Tag vor einem wichtigen Turnier, es ging um sehr hohe Wettgelder, bin ich meinen Job los.
Wenn ...oh Gott, gar nicht auszudenken, wenn Blanca Morgen früh nicht da ist - ,
na warte, du - du Teufel, ich mache dir einen Strich durch die Rechnung, du weißt nicht, was der alte Becker so alles auf dem Kasten hat!“

Er machte sich seine Schlafstätte zurecht und stellte sich auf eine lange Nacht ein.

Weit nach Mitternacht hörte er einen eigentümlichen Schrei. Es klang fast wie der Ruf einer Eule, aber nur fast.
Darauf vorbereitet sprang er,  für sein Alter erstaunlich, schnell und geschmeidig auf und griff nach einem Lasso, tastete die Form seiner Kleinfeuerwaffe in der Jeansjacke ab, und beobachtete Wolf, die schwarzen Dogge, die neben ihm gelegen hatte, die aber inzwischen die geschlossene Stalltür erreicht hatte und freudig winselnd daran kratzte.
Sie hatten Vollmond, er leuchtete durch die Fenster in den Stall hinein; draußen war es
durch den Schnee fast taghell, der Alte atmete die eisige Luft tief ein, Wolf war vor der hohen alten Linde stehen geblieben und fiepte in das schwarze Geäst.

„ Komm runter - du, aber zack zack“, gellte der Mann, verunsichert durch das Verhalten seiner Dogge, in den Baum.

Dann ging alles blitzschnell.
Ein leiser trillernder Pfiff und plötzlich stand Blanca unter dem Baum, eine Gestalt flog aus den Ästen auf den Rücken des Schimmels und schon waren sie wie der Wind in die weiße Landschaft und unter dem Gewölbe des Sternenhimmels verschwunden, wie zwei Spukgestalten.
Wolf heulte den Mond an und der alte Mann hatte sich ächzend unter die Linde gesetzt.

„ Das ist nicht wahr!“ stöhnte er.

„Wolf! Warum hast du nicht angeschlagen?“

Sie war also wieder da.

„ Das kann nicht sein, Wolf, das ist unmöglich“.
Der alte Mann atmete schwer.

„Sie ist doch tot!“

Er selbst hatte doch damals - er sah es wie einen Film vor sich - das Grab ausgehoben.
Alles war voller Blut, sie war noch so jung, sah aus wie Schneewittchen, mohnrote Lippen, im Schnee die schwarzen Locken , diese Zigeunerin war eine Schönheit , es war Winter , wie jetzt, sie hatte den jungen Herren eine zeitlang als Hure gedient und sich einige Kriegsjahre damit über Wasser gehalten.
Dann brach ein Streit zwischen dem jungen Herrn und ihr aus und sein Herr hatte sie einfach erschlagen.
Ein Tote mehr oder weniger in diesem Krieg, wem machte das in jenen Zeiten schon etwas aus.
Er hatte viel für seinen Herrn getan, damals, dann eben auch ein Grab ausgehoben und
den noch warmen Körper in das drei Meter tiefe Loch geworfen.
Mit der Spitzhacke hatte er gearbeitet, denn die erste Schicht des Boden war ja gefroren.
Der Körper dieser Schönheit war noch so warm.
Die finsteren Bilder verfolgten ihn in jeder Winternacht, seit damals war ihm der Winter verhasst.

Und jetzt war sie wieder da.

Nur etwas älter, als damals.

Das konnte ja eigentlich gar nicht sein. Sie hatte doch ungefähr sein Alter gehabt.

Der Alte stand auf und ging mit langsamen bedächtigen Schritten in die kalte klare Nacht.
Wolf folgte ihm .
Die stille Einsamkeit dieser Schneelandschaft wuchs zu unerträglichem Geschrei seiner Gedanken .Aus seinen Erinnerungen brach nun auch jene, in der er sich schuldig gemacht hatte, in diesen finsteren Jahren.
Ach, wie lange war das schon her?
1940, da war er ein junger, schmucker Bursche gewesen.
Die Frauen mochten ihn. Er liebte Feste und ausgelassene Stunden und seine Herrschaft
war großzügig zu ihm, weil er seine Dienste zuverlässig erledigte.
Und in einer Nacht, da hatte „Sie“ ihn um seinen Verstand gebracht.
Sie war so schön, so verlockend und sie lachte ihn an.
„Sie ist doch nur eine Hure“, sagte er sich damals.
Dann nahm er sich mit Gewalt, was die hohen Herren umsonst bekamen, ihre Schreie erstickte er mit weißem Schnee.
Es war eine Nacht, ähnlich wie diese. Es war hell, er erinnerte sich an ihre schwarzen
Augen, funkelnd vor Scham und Wut, an die Nebelschwaden aus ihrer beider Münder und Nasen, an lustvolles und verzweifeltes Stöhnen, an ihr Schluchzen, als er sich von ihr entfernte, nicht ohne ihr vorher gedroht zu haben sie umzubringen, wenn nur ein Sterbenswörtchen an die Herrschaft ging.
Ein gutes Jahr später war sie tot, er hatte sich mitschuldig gemacht, hatte ihr Grab ausgehoben und geschwiegen. Vergessen hatte er es nie .

Heute hörte er ihr Schluchzen wieder. Es hing in den Zweigen, hallte aus dem Schnee,
er hörte ihre fremden Worte voll Hass und Wut ausgestoßen.
Mit Wolf an seiner Seite stand er nun vor diese Baumgruppe.
Birken, silberweiß und schlank ihr Stamm, filigran die schwarzen Äste und Zweige,
die noch unter der Schneedecke heraus schimmerten.
Hier hatte er sie vor vielen Jahren begraben.

Und nun stand diese andere, stolz auf Blanca sitzend, vor ihm und sah ihn ohne Mienenspiel an, und er glaubte sich ausgezogen bis auf die Haut, Schamesröte überflog sein Gesicht.
Sie war wie sie. Nur etwas älter, vielleicht Mitte dreißig.
Sie hatte ihre Augen, ihre schwarzen Haare und einen Zug um den Mund, der nicht von „Ihr“ war, der ihm dennoch schaudernd bekannt vorkam.
Wie sie so vor ihm stand, auf Blanca, vor dem Grab ihrer Großmutter, traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag. Er, der nie geheiratet hatte, der keine Kinder in diese verdammte Welt setzen wollte konnte seiner Verantwortung nun nicht  mehr entgehen.

Als er den Weg zurück schlurfte, schoben sich Wolken vor den Mond und malten den Schnee dunkelgrau. Fröstelnd wickelte er seinen Schal enger und zog die Mütze tiefer in sein Gesicht. Wolf begleitete seinen Herrn treu ergeben. Es ist gut so, dachte er. So ist es gut.















Also , ich habe ein kleines Problem mit den Absätzen und Zeilen.
In der Korrektur stimmt noch alles , aber sobald ich "sende" verschieben sich die Zeilen zum Teil völlig unlogisch. Was mache ich falsch?
Über Tipps würde ich mich freuen.
Natürlich auch über Kommentare zu meiner Geschichte.
L.G. Mara
Mara Krovecs, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.02.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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