Karl-Heinz Tuttlies

Pseudonym

 

Pseudonym

Schreiben und bekannt werden, dies war sein Ziel. Sicherlich war das nicht immer so; aber seit einigen Jahren, seit er stark ergraute Haare auf seinem Kopf trug, die Brücken in seinem Zahnkiefer mehr wurden und der Rücken fast täglich schmerzte , seit er wusste, dass der Zug für Erfolg und Wohlstand ohne ihn abgefahren war.

Er wusste, dass die Ware Literatur dieser Zeit vor allem von dem lebte, was sie vorgaugelte, es ging darum etwas zu verkaufen, am besten für

Geld , notfalls auch für Ruhm. Nicht Inhalte zählten, nein die Verpackung, der Titel, der Name, das was der Mensch beim Betrachten eines Namens oder Buchtitels assoziiert.

Bevor unser verspäteter Autor also mit der ersten Idee, dem ersten Wort, dem ersten Text beginnen konnte, brauchte er ein Pseudonym, denn er wollte im Verborgenen mittels Textverfassung auch gewaltige Rache üben gegen all die , die ihn gegenwärtig und in der Vergangenheit verkannten, demütigten und ignorierten. Eigentlich wollte er auch mit zukünftigen Verfehlungen seiner zu genüge vorhandenen Widersacher auf diese Weise angemessen umgehen.

Er hatte keinen häufigen Familiennamen. Wehe , wenn Kunden , gar der Chef oder Nachbarn und Bekannte und Verwandte schwarz auf weiß lesen mussten, was er von ihnen wirklich dachte, wie er sie in seinen zu schaffenden Texten degradierte und lächerlich machte;

aus seiner Sicht vielleicht zu recht – aber was würden die Angefeindeten dazu sagen, wie würden sie reagieren, welche Konsequenzen hätte dieser Akt der Katharsis?

Er musste sich also schützen, eigentlich auch die , die ihn lasen und ihn vielleicht kannten oder die jene kannten, über die er so erbarmungslos lästerte und der Lächerlichkeit preis gab.

Wie aber findet man ein Pseudonym, welches gleichzeitig einladend ist, welches Neugierde weckt, welches sympathisch daher kommt?

Und dann darf es keinen Rückschluss zulassen auf den wirklichen Verfasser.

Sollte der Name ausländisch klingen, um so eine kulturelle und örtliche Ferne vorzutäuschen?

Ein finnischer oder litauischer Familienname käme in Betracht.

Spräche nicht ein lateinischer Nachname für den Intellekt des Verfassers?

Kurz könnte der zu schaffende Tarnname sein, aber auch nicht zu kurz, weil dann zu einfach klingend und das Textwerk vielleicht im Werte mindernd beeinflussen.

Der Name musste so raffiniert sein, dass die Ehefrau und selbst die Mutter keinen Verdacht hinsichtlich des wahren Verfassers hegten, wenn sie diesem Pseudonym, wo auch immer, begegneten.

Musste es überhaupt ein gewöhnlicher Name sein ? Wäre nicht noch gerissener und den wahren Verfasser verhüllender eine Zahl, Buchstaben, alphanumerische Aneinanderreihungen?

Wie wäre es mit 007 oder XYZ, um Spannung zu versprechen?

Wahrscheinlich gäbe es dann juristische Probleme wegen dem Urheberschutz .

Nur ein Buchstabe, zum Beispiel Y, um die menschliche Neugierde anzusprechen?

Mit Delta , Pi oder Gamma , am besten natürlich in griechischen Buchstaben, würden eventuell nur Freunde der Mathematik angelockt, die dann enttäuscht wären, wenn der Buchinhalt sich als bloße Literatur entpuppt und außer den Seitenzahlen nichts aus der Welt der Arithmetik sich ihnen zeigen würde.

Das Finden eines wirklich passenden Decknamen dürfte noch eine Weile in Anspruch nehmen.

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