Susanne Cramer-Rößner

Die gleichberechtigte Frau

Letzten Montag traf ich meinen alten Schulfreund Frank auf der Zugfahrt nach Köln. Obwohl wir uns knapp 10 Jahren nicht gesehen hatten, haben wir uns gleich wieder erkannt. Lustig und aufgeräumt erzählten wir uns vom Zweck unserer Reisen, dem Beruf und mehr.
Ich fragte ihn, ob wir im Zugrestaurant zu einem zweiten Frühstück einkehren sollten. Da nahm er lachend eine große Brotbüchse heraus. "Ne, ne" sagte er "ich habe genug mit, hat mir meine Frau gemacht!" Als ich die liebevoll angerichteten und verpackten Leckereinen sah rutschte mir heraus "Oh, Deine Frau scheint ja ein richtiges Hausmütterchen zu sein!". "Na, aber, was denkst Du denn von mir?" rief Frank sofort aus. "Ich bin ein moderner Mann, eine Frau hat bei mir absolute Gleichberechtigung. Mit so einem Dummerchen könnte ich auch gar nichts anfangen." "Außerdem" so fügte er mit einem Grinsen hinzu, "könnten wir uns natürlich auch das hübsche Reihenhaus sonst gar nicht leisten, wenn meine Frau nicht auch ihren Mann im Beruf stehen würde." "Aber hast Du mir nicht gerade stolz von Euren 3 Kindern und dem großen Hund erzählt?" fragte ich "Wie macht ihr das denn, das alles unter einen Hut zu bringen?"
"Ach, das ist doch gar kein Problem. Meine Frau steht immer vor mir auf, Du weißt ja" sagte er augenzwinkernd "Schminken und so. Da kann sie natürlich eben das Frühstück machen und mir einen Kaffee ans Bett bringen. Ich komme halt morgens etwas schwer raus. Meistens warte ich auch mit dem Aufstehen, bis die Kinder aus dem Haus sind. Ist ja sonst so einen schreckliche Hektik bei uns. Der Supermarkt liegt für Petra, so heißt meine bessere Hälfte, fast am Arbeitsweg. So kann sie ohne großen Zeitverlust auf dem Nachhauseweg einkaufen. Deshalb habe ich ihr auch den kleinen Kombi spendiert. Man ist ja nicht knauserig und meine Frau soll es ja leicht haben. Natürlich ist ihr Beruf nicht so stressig wie meiner und sie macht zeitig Feierabend. Deshalb steht das Abendessen auch immer pünktlich auf dem Tisch wenn ich heimkomme. In der Regel sind dann auch die Kinder fertig mit ihren Hausarbeiten, bei denen sie manchmal helfen muss. Das ist auch gut so, denn Du kannst mir glauben, drei Kinder am Tisch, die hampeln und Fragen stellen, das kann ganz schön nervig sein. Das vertrage ich nach einem anstrengenden Arbeitstag einfach nicht mehr. Die Kinder gehen früh ins Bett, sie müssen morgens auch früh raus, darum ist immer noch genug Zeit für meine Frau die Wäsche zu waschen und ein bisschen zu putzen. Nur das laute Staubsaugen habe ich mir verbitten müssen, da versteht man den Fernseher nicht mehr. Aber wir sind ein modernes Paar, es wird nicht befohlen oder gezankt. Wir haben einfach darüber gesprochen und nun saugt meine Petra eben samstags, wenn ich zum Fußball bin. Und um auch meinen Teil dazu zu tun, habe ich sogar schon mal die Kinder mitgenommen um sie zu entlasten!" Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck schaute er mich an "Und Du, hast Du auch einen aufgeschlossenen modernen Mann? Du schaust etwas verkniffen!"
Leider kam in diesem Moment mein Umsteigebahnhof in Sicht, so dass ich ihm leider nicht mehr erzählen konnte, dass ich genug moderne Männer von seiner Sorte kenne. Dass ich aber lieber solange allein bleibe, bis ich endlich einen Mann gefunden habe, der mit mir nicht nur die Rechte, sondern auch die Pflichten teilt!

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