Karla Solbach

Flucht

Sie rannte. Viel zu schnell senkte sich ihre Brust auf und ab. Lange würde sie das nicht mehr durchstehen. Sie hörte, dass die Schritte hinter ihr immer näher kamen. Die Panik in ihr verpasste ihr einen weiteren Adrenalinstoß. Kurzzeitig war ihr, als würde sie ihren Vorsprung ausbauen. Doch nur einen Moment, einen viel zu kurzen Moment, später kam die Erschöpfung wieder hoch, kroch ihre Beine herauf in ihre Lunge. Sie fühlte sich als müsse sie erbrechen. Doch sie rannte weiter. Ihre Gedanken kreisten. Flogen zurück zu David. Sie hatten sich gestritten. Die alte Leier. Er hatte so lange schon Rücksicht auf sie genommen, hatte sie zu nichts gedrängt. Und sie hatte ihn warten lassen. Länger als nötig. Am Anfang, ja, da hatte sie sich seiner Liebe sicher sein wollen, bevor es passierte. Schließlich sollte es ihr erstes Mal sein. Doch irgendwann hatte sie ihn Absichtlich zurückgehalten, hatte es genossen mit ihm zu spielen. Sie hatte es ihm für diesen Nachmittag versprochen. Hatte vorgegeben endlich bereit zu sein. Doch letztendlich hatte sie ihn im letzten Moment wieder fallen lassen. Doch diesmal wohl zu tief. Sie hatten sich gestritten und irgendwann, irgendwann war sie einfach abgehauen, in die nächste Straßenbahn gestiegen und irgendwo wieder ausgestiegen. Sie war in die nächste Bar marschiert und hatte ein Bier nach dem anderen bestellt. Dann war dieser Typ aufgetaucht und hatte ihr einen ausgegeben. Sie hatte sich gut mit ihm unterhalten und er bestellte immer mehr. Nicht nur Bier auch harte Sachen, die sie noch nicht bekam. Dann hatte er ihr angeboten sie nach Hause zu fahren. Es war schon dunkel und natürlich war sie zu ihm ins Auto gestiegen. Konnte David sie doch am Arsch lecken, der hier hatte ein Auto! Aber er war nicht zu ihr nach Hause gefahren. Irgendwann hatte sie gemerkt, dass das hier gar nicht die richtige Richtung war. Sie hatte ihn gebeten anzuhalten, sie wolle aussteigen. Doch er hatte nur gelacht und sogar noch mehr Gas gegeben. Sie hatte sich abgeschnallt, die Tür geöffnet, war au! s dem Au to gesprungen und hatte sich erst mal auf der Straße übergeben. In der Zwischenzeit war er schon aus dem Auto gestiegen und kam langsam auf sie zu. Sie hatte sich aufgerappelt und war weggerannt.
Und nun rannte sie. Ihr war es, als können sie seinen heißen Atem im Nacken spüren. Sie spürte wie ihr wieder übel wurde. Dieser beschissene Alkohol. Doch jetzt war es zu spät. All die Drinks des Abends rächten sich und noch im Lauf kam es hoch. Sie schnappte nach Luft. Ein Fehler, denn ein Brocken von dem Sandwich heute Mittag rutschte mit in die Luftröhre. Sie hielt an, musste husten.
Dann spürte sie seinen Griff um ihren Arm. „Hab ich dich du kleine Schlampe!“, zischte er. Er packte sie, zog sie runter von dem Wanderweg. Sie kannte diesen Weg. Im Sommer ging sie hier oft mit ihrer besten Freundin joggen. Dann war der Weg immer voller Leute. Nicht so jetzt. Nicht im Winter, nicht mitten in der Nacht. Sie wollte schreien, doch sie brachte nur ein hilfloses Röcheln zustande. Wer sollte sie auch hören?
Immer tiefer zog er sie ins Gebüsch. Irgendwann warf er sie auf den Boden. Schob ihre Jacke und ihr T-Shirt hoch und fasste ihr an die Brust. Mit dem Minirock hatte er es sogar noch einfacher. Die Strumpfhose zerriss er einfach. Als er das erste Mal in sie eindrang begann sie zu weinen. Wie bedeutungslos erschien ihr Streit mit David. David… wäre sie doch nur nicht so egoistisch gewesen. Immer wieder drang er in sie ein, stöhnte voll Wonne. Und sie weinte immer weiter, dachte an David, stellte sich vor, dass er es war, der da auf ihr lag. Das hatte etwas Tröstliches. Als er fertig war schien es als seinen Stunden vergangen. Er ließ sie einfach liegen, wie ein Stück Dreck. Sie merkte, dass es kälter wurde, spürte es durch ihre zerrissenen Kleider. Immer, immer kälter wurde es. In Gedanken blieb sie bei David. Ihrem ersten und letzten Freund. Wie gerne hätte sie ihm noch gesagt, dass sie ihn liebte, sich bei ihm für ihr Verhalten entschuldigt. Doch dafür war es jetzt zu spät. Mit Davids Bild vor Augen schlief sie ein.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.11.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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