Hans Witteborg

Am Rande der Gesellschaft



Die Zeit zwischen Ernte und Wintersaat läßt die Felder darliegen wie vergessene und nutzlos gewordene Badetücher an einem vergessenen Strand.
doch irgendwann werden die Böden wieder durch pflügen oder grubbern auf die Fruchttätigkeit vorbereitet.
So auch hier. Ein Bauer hatte mit schwerem Gerät gerade ein Feldstück bearbeitet und wurde von einer Krähe auf einem nahe gelegenen Baum am Feldrand aufmerksam beäugt. Nachdem sich der Trecker endlich dem Horizont näherte, flog die Krähe mit lautem Krächzen auf das Feld – ein Signal offenbar, das eine ganze Schar der Schwarzgefiederten herbei rief, die sich ihrerseits auf dem Acker niederließ und mit geschultem Blick und kurzen Schnabelhieben alles Freßbare aufpickte. Die aufgerissene Erde hätte reichlich Platz und Futter für den Krähenpulk geboten, doch neidisch blickte man auf den Nachbarn, der offenbar das interessantere Stück Boden bearbeitete. Daran wollte man auch teilhaben und in Kürze kam es zu einer Prügelei, weil niemand dem Nachbarn irgend etwas gönnte. Man kämpfte mit Flügelschlagen, Schnabelhieben und Krallen um etwas, was für alle doch ausreichend da war.
Soviel zu der menschlichen Behauptung, daß eine Krähe der anderen kein Auge aushacke.
Während man sich am Boden stritt und mit sich selbst beschäftigte, hatte ein Sperberweibchen* aus der Luft seine Chance erkannt. Sie suchte sich offenbar ein Opfer am Rande der sich streitenden Vögel aus – stieß herab und schlug ihre dolchspitzen Krallen in das überraschte Tier. Worauf sie in aller Ruhe Feder für Feder mit ihrem Schnabel säuberlich auszog und sich an dem toten Körper, der nur wenig kleiner war als der Raubvogel selbst, ohne Störung gütlich tat.

Ein Vorfall unter vielen, der in der Natur des Fressens und Gefressenwerdens durchaus üblich ist.
Aber laßt mich ein Wort zu dem Geschehen sagen, bevor wir die grausige Szene verlassen:
Wir blicken hier auf eine Gemeinschaft oder Gesellschaft in der jeder seinen Platz finden könnte. Futter neidisch streitet man sich jedoch, um die besten Brocken, ungeachtet der Gefahren, die sich für den Einzelnen ergeben. Besonders ungeschützt diejenigen, die am Rande der Gesellschaft zu finden sind. Unnötige Opfer einer Gesellschaft, in der jeder nur eigene Ziele verfolgt.

Könnte es ein, daß man aus der Naturbeobachtung vielleicht doch etwas lernen könnte? Was meinst du...



* Sperberweibchen deshalb, weil der Terzel, der erheblich kleiner ist, eine Krähe nicht überwältigen könnte.



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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.11.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Vom Ufer aus von Hans Witteborg



Die Gedichte begleiten durch die vier Jahreszeiten und erzählen wie die Natur erwacht, blüht und welkt, wissen von reicher Ernte zu berichten. Der Spätsommer im Park, winterliche Gefilde oder Mailandschaften scheinen auf. Der Autor verwendet meist gereimte Zeilen, zeigt sich als Suchender, der neues Terrain entdecken möchte. Der Band spricht von den Zeiten der Liebe, zeigt enttäuschte Hoffnungen und die Spur der Einsamkeit. Wut und Trauer werden nicht ausgespart. Es dreht sich das Kaleidoskop der Emotionen. Der kritische Blick auf die Gesellschaft und sich selbst kommt zum Zuge. Kassandras Rufe sind zu hören. Zu guter Letzt würzt ein Kapitel Humor und Satire. So nimmt der Autor seine Zettelwirtschaft aufs Korn, ein hoffnungsloser Fall.

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