Wolfgang Weniger

Ich sage mal... Worthülsen

 

Neulich fuhr ich in die Innenstadt.   Beim  Einsteigen in den fast besetzten Bus  ließ

sich ein leichtes Drängeln kaum vermeiden. „Könnte ich bitte mal durch?“

„Null Problem.“    Weiter hinten standen Schüler, ungefähr zwölfjährig.  „Echt krass

die Klausur, aey, Alter.“ Die letzteren Plätze hatten Schüler höherer Klassen belegt,

sie sprachen mit erhobenen Stimmen.  „Cool, wie sich unser Lehrer auf den nassen

Schwamm gesetzt hat… und wie der dann Stress gemacht hat.“

 

„Wir müssen reden“,  sagte eine Frau mittleren Alters zu ihrem Mann, aber der war

eher abgeneigt.   „Mach dir mal keinen Kopf, das können wir zu Hause ausdiskutie-

ren.“  Die Frau reagierte empört.  „Oh, das glaube ich jetzt nicht.“

 

Als ich aus den Bus  stieg,  bemerkte ich einen älteren Herrn.   Er  deutete auf eine

raffiniert gestaltete  Werbung.  „Ein richtiger Hingucker.“   Sein Begleiter bestätigte

das sofort.  „Aber hallo.“  Den zwei dazugehörenden Damen gefiel das anscheinend

weniger,  sie empfahlen kurzum einen Ortswechsel.   „Wir möchten nachher im Park

noch ein bisschen frische Luft schnappen, wenn das Wetter mitspielt.“

 

Im Weitergehen hörte ich aus dem weit  geöffneten Fenster einer  Wohnung  mehr-

stimmigen Gesang. „Happy birthday lieber Karlheinz, happy birthday to you…“ Dem

Geburtstagsständchen folgte die Ansprache.  „Schön,  dass ihr so zahlreich erschie-

nen seid.“

 

Vor mir gingen mittlerweile zwei jüngere Männer.

„Wir sollten uns mal austauschen.“

„Na klar, kein Thema.“

„Übrigens, kennst du sie schon länger?“

„Nicht wirklich.“

 

Wenige Minuten später betrat ich ein Kaufhaus.   In der Elektronikabteilung wurden

TV-Geräte in unterschiedlichen Ausstattungen angeboten.   Zum Vergleich der Bild-

qualitäten liefen mehrere Programme.

„Die Regierung schnürt nun ein Paket“, berichtete der Nachrichtensprecher,  „aller-

dings seien einzelne Vertragsbestandteile noch nicht in trockenen Tüchern,  wie ein

Regierungsvertreter betonte…“

Auf einem anderen Bildschirm erschien ein Vollmondgesicht mit pflegeleichter Fran-

senfrisur  und  einem  dominant  wirkenden  Hautnippel  neben  der  Nase.    „Ganz

Deutschland ist geschockt, liebe Freunde, wir müssen ein Zeichen setzen!“

‚Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp’, dachte ich…

Die couragierte  Frau mit erhobener  Faust wurde ausgeblendet, dafür begann Wer-

bung.  „Feel the difference.“ 

Nun  wollte  ein  Ehepaar neben mir beim Gerätekauf  beraten werden.  „Ein echtes

Schnäppchen haben wir hier, natürlich sind die technischen Daten bei diesem Gerät

super.“   Der Verkäufer strahlte und vermittelte gelöste Atmosphäre.   „Klingt gut“,

meinte der Mann.   „Oder sehen sie hier mal bitte,  auch dieser Fernsehapparat ist,

ich sage mal technisch erste Sahne und einfach (kurzes Zögern), einfach super.“

„Nehmen sie?  Ausgezeichnet, wunderbar, na dann viel Spaß beim Fernsehkucken.“

Und wie ich so noch überlegte,  nach einer Qualitätssteigerung für das Wort  ‚super’

suchte, stieß ich gegen ein Tischchen mit Werbebroschüren.

Aus einer der Broschüren fielen lauter kleine schwarze Hülsen.

„Ich fasses nicht.“   Der Verkäufer war sichtlich verärgert.   „Nun habe ich durch Sie

auch noch Arbeit!“

Und dann kam es, prompt und unvermeidlich: „Nen schönen Tach noch.“

 

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