Neulich fuhr ich in die Innenstadt. Beim Einsteigen in den fast besetzten Bus ließ
sich ein leichtes Drängeln kaum vermeiden. „Könnte ich bitte mal durch?“
„Null Problem.“ Weiter hinten standen Schüler, ungefähr zwölfjährig. „Echt krass
die Klausur, aey, Alter.“ Die letzteren Plätze hatten Schüler höherer Klassen belegt,
sie sprachen mit erhobenen Stimmen. „Cool, wie sich unser Lehrer auf den nassen
Schwamm gesetzt hat… und wie der dann Stress gemacht hat.“
„Wir müssen reden“, sagte eine Frau mittleren Alters zu ihrem Mann, aber der war
eher abgeneigt. „Mach dir mal keinen Kopf, das können wir zu Hause ausdiskutie-
ren.“ Die Frau reagierte empört. „Oh, das glaube ich jetzt nicht.“
Als ich aus den Bus stieg, bemerkte ich einen älteren Herrn. Er deutete auf eine
raffiniert gestaltete Werbung. „Ein richtiger Hingucker.“ Sein Begleiter bestätigte
das sofort. „Aber hallo.“ Den zwei dazugehörenden Damen gefiel das anscheinend
weniger, sie empfahlen kurzum einen Ortswechsel. „Wir möchten nachher im Park
noch ein bisschen frische Luft schnappen, wenn das Wetter mitspielt.“
Im Weitergehen hörte ich aus dem weit geöffneten Fenster einer Wohnung mehr-
stimmigen Gesang. „Happy birthday lieber Karlheinz, happy birthday to you…“ Dem
Geburtstagsständchen folgte die Ansprache. „Schön, dass ihr so zahlreich erschie-
nen seid.“
Vor mir gingen mittlerweile zwei jüngere Männer.
„Wir sollten uns mal austauschen.“
„Na klar, kein Thema.“
„Übrigens, kennst du sie schon länger?“
„Nicht wirklich.“
Wenige Minuten später betrat ich ein Kaufhaus. In der Elektronikabteilung wurden
TV-Geräte in unterschiedlichen Ausstattungen angeboten. Zum Vergleich der Bild-
qualitäten liefen mehrere Programme.
„Die Regierung schnürt nun ein Paket“, berichtete der Nachrichtensprecher, „aller-
dings seien einzelne Vertragsbestandteile noch nicht in trockenen Tüchern, wie ein
Regierungsvertreter betonte…“
Auf einem anderen Bildschirm erschien ein Vollmondgesicht mit pflegeleichter Fran-
senfrisur und einem dominant wirkenden Hautnippel neben der Nase. „Ganz
Deutschland ist geschockt, liebe Freunde, wir müssen ein Zeichen setzen!“
‚Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp’, dachte ich…
Die couragierte Frau mit erhobener Faust wurde ausgeblendet, dafür begann Wer-
bung. „Feel the difference.“
Nun wollte ein Ehepaar neben mir beim Gerätekauf beraten werden. „Ein echtes
Schnäppchen haben wir hier, natürlich sind die technischen Daten bei diesem Gerät
super.“ Der Verkäufer strahlte und vermittelte gelöste Atmosphäre. „Klingt gut“,
meinte der Mann. „Oder sehen sie hier mal bitte, auch dieser Fernsehapparat ist,
ich sage mal technisch erste Sahne und einfach (kurzes Zögern), einfach super.“
„Nehmen sie? Ausgezeichnet, wunderbar, na dann viel Spaß beim Fernsehkucken.“
Und wie ich so noch überlegte, nach einer Qualitätssteigerung für das Wort ‚super’
suchte, stieß ich gegen ein Tischchen mit Werbebroschüren.
Aus einer der Broschüren fielen lauter kleine schwarze Hülsen.
„Ich fasses nicht.“ Der Verkäufer war sichtlich verärgert. „Nun habe ich durch Sie
auch noch Arbeit!“
Und dann kam es, prompt und unvermeidlich: „Nen schönen Tach noch.“
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.11.2011.
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