Gabriele Singer

Der Sturz

Ein Mensch auf der Straße des Lebens fällt hin. Genau genommen er stolpert über etwas, das er sich selbst in den Weg gelegt hat, aber das weiß er (noch) nicht. Er ist zunächst entsetzt, dass er gefallen ist. Andere Menschen gehen vorbei, einige gucken nicht mal hin, andere schauen zwar, gehen aber weiter, wieder andere gucken und lachen (und sagen, dass ihnen das nicht passiert). Manche schauen interessiert, bleiben stehen, gucken zu was nun passiert. Der Gefallene sieht das alles, fängt an zu weinen, besonders als er vermeintlich ausgelacht wird. Ein paar Menschen halten ihre Hand hin, wollen helfen. Der Gefallene traut sich jedoch weder Hilfe anzunehmen, noch um diese zu bitten – egal wie sehr sein Körper schmerzt. Im Gegenteil, er weint und sagt immer auf’s Neue: „Ich bin gefallen, sieht das denn keiner? Niemand hilft mir! Keiner ist da, der mich sieht in meinem Schmerz!“ Ein, zwei Menschen gehen zu ihm, wollen ihn stützen, beim Aufstehen helfen. Sie zeigen ihm, worüber er gestolpert ist, doch er sieht es und sagt: „Das hat mir jemand da hin gelegt, diese Welt ist so schlecht!“ Kaum auf den Knien, wirft er sich wieder auf den Boden und weint: Ich bin hingefallen! Warum will das niemand sehen?“ Dann, nach einer ganzen Weile, gehen die Interessierten gelangweilt fort. Von denen, die eine Hand reichen wollten, versuchen es ein paar erneut, doch ihre Hand wird von dem Unglücklichen auch noch weg geschlagen. Immer wieder jammert er: „Ich bin gefallen! Ich liege am Boden!“ Die Augen blind vom Weinen, der Körper schmerzhaft, aber auch taub und müde von der unbequemen Haltung, wiederholt er stetig, dass er gefallen ist, ihm Hindernisse immer wieder in den Weg gelegt werden und dass ihm niemand helfen will. Irgendwann sind auch die wirklichen Helfer müde, versuchen es noch EIN MAL … geben dann auf und gehen nach Hause. Die Nacht bricht herein und nun hört wirklich niemand mehr sein Jammern…
Das geht viele, viele Tage so weiter. Mit dem Unterschied, dass der Gefallene bereits am Boden liegt und nicht erneut gefallen ist. Seine Behauptung ist aber täglich die Gleiche. Die ihn schon vorher sahen, gehen vorbei ohne ihn zu sehen, die irgendwann mal helfen wollten, auch. Die Ursache des Sturzes wird verdeckt vom täglichen Einerlei. Der Mensch wird krank und schläft immer öfter. Ab und zu ein paar mitleidige Blicke der Passanten, manche werfen ihm ein paar Pfennige hin, einer gibt ihm ein belegtes Brötchen und legt ihm ein weiteres hin für den nächsten Tag. Das erste Brötchen isst er sofort, merkt auch dass die Lebensgeister erwachen… das Zweite, für den nächsten Tag, denn er glaubt nicht, dass ihm dieses Glück noch mal passiert, lässt er liegen und denkt für sich: Es kommt ja noch ein Tag, und noch einer und so weiter. Nach einiger Zeit ist auch diese Nahrung vergessen im Schmutz der Tage…
Eines Tages kommt ein wirklich hochgestellter Mensch zu dem Armen und sprich ein paar Worte mit ihm, der dort am Boden liegt und sich kaum noch bewegt. Er erzählt von Armut und dass dies lediglich bedeutet: Armer Mut. Also fehlender Mut. Der Arme widerspricht und sagt, dass er doch Mut habe. Doch seine Stimme ist schwach. Der feine Mensch steht auf und geht hinüber zu der auf dem Boden liegenden Ursache des Sturzes. Er hebt sie auf und zeigt sie dem Bettler: Dies hier ist der Grund für Deinen Sturz. Ein fast unbedeutender Stein für die Meisten, doch er trägt eine wichtige Botschaft. Sie lautet: „Ich werde fallen!“ DU, und kein Anderer, hast gesagt, Du wirst fallen!
DU hast es gesagt, gedacht, gefühlt BEVOR Du gefallen bist. Du selbst hast Dir mit dem, was Du denkst, diesen Stein und noch viele andere in den Weg gelegt und wunderst Dich, dass Du fällst???"
Mit unglaublicher Milde in der Stimme sagt er: "Ich helfe Dir jetzt auf, gebe Dir ein paar Münzen um nach Hause zu kommen und ein Brot für den Weg. Von heute an denke immer daran: Die Steine, die DIR im Weg liegen … hast Du Dir selbst dorthin gelegt. Was Du glaubst dass Du bist, wirst Du sein. Wenn Du sagst ICH BIN gesund, stark, erfolgreich und glücklich, dann wirst Du es sein, fast augenblicklich. Einige Dinge werden ein paar Tage dauern, aber gib nicht auf. Glaube fest daran ICH BIN …
So. Und jetzt:
Steh auf und gehe!
Ich glaube an Dich!" 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Gabriele Singer).
Der Beitrag wurde von Gabriele Singer auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.12.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Gabriele Singer als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Auch der halbe Mond ist schön: Geschichten - Gedanken - Gedichte von Lilo Külp



Von unbeschwerter Kindheit, von Abenteuern. Kriegen, von Flucht, Liebe und Verrat erzählen die Geschichten.
Und von einem Aufstand der Frauen, die gegen Krieg und Gewalt demonstrieren.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Lebensgeschichten & Schicksale" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Gabriele Singer

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Sehnsucht nach Ewigkeit von Gabriele Singer (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
Zwangserkrankung - Mein Weg aus der Angst von Anschi Wiegand (Lebensgeschichten & Schicksale)
Tod eines Lehrers von Rainer Tiemann (Schule)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen