Maria Schuh

Held sein

Ich war nie besonders mutig. Trotzdem habe ich immer gedacht, dass ich für etwas bestimmt sei. Es ist so ein Gefühl. Vielleicht nur das Gefühl eines Menschen, der nie etwas Herausragendes geleistet hat, der zwar nie Durchschnitt ist, immer etwas besser, aber unter den Intelligenten doch eher der Dumme ist. Ein Gefühl oder die Hoffnung, dass noch etwas kommt und das ganze Leben doch nicht vergeudete Zeit ist. Ich habe Freunde, die in ihrer Jugend schon Hilfsprojekte leiteten oder sich sozial engagierten und immer dachte ich, dass es dies nicht wäre.
Lieber habe ich geträumt ein Held zu sein.
Ich werde ein Held sein, der nicht von Gefühlen geleitet sein wird, jemand der hilft, weil er es als selbstverständlich ansieht. Ich werde ein Held sein, der aufstehen wird einfach nur um der Gerechtigkeit willen. Ich werde tun was getan werden muss und erwarte keine Gegenleistung.
Ich hatte das alles schon hundertmal durch gespielt, jemand wird belästigt ich stehe auf und stelle mich zwischen Täter und Opfer und trete für diesen ein.
Und nun sitze ich hier im Zug höre wie der Mann bittet, dass sie ihn in Ruhe lassen und man ihn gegen einen Sitz stößt. Jetzt wäre normalerweise der Moment in dem ich aufstehe um auf die Gruppe zu zugehen, ohne dass ich die anderen Menschen beachte. Ich würde mich vor den Mann stellen und den Männern Einhalt gebieten. Ich würde mich nicht abdrängen lassen, würde nicht zurückweichen, würde mich nicht einschüchtern lassen auch nicht wenn es zu Handgreiflichkeiten kommen würde. Von mir animiert würden sich jetzt Andere einmischen. Die Männer würden sehen, dass sich das Blatt gegen sie wendet und lassen von dem Mann und mir ab, verlassen das Abteil. Der Mann würde mich ansehen, meine Hände ergreifen um mir zu danken, ich aber würde ihn abweisen, es war schließlich das Richtige.
Aber ich sitze da, mein Kopf ist gesenkt der Versuch so zu tun als ob ich nicht genau wüsste was vor sich geht, unbeteiligt sein. Mein ganzer Körper fühlt sich an wie gelähmt. Gedanken schießen durch meinen Kopf- Du hast nicht mitbekommen wie es angefangen hat. Vielleicht gehören sie zusammen? Es ist nicht deine Sache man soll sich nicht in andere Angelegenheiten einmischen. Die anderen helfen schließlich auch nicht, warum dann ich?- Mein Gewissen beruhigt sich, hier sind auch noch Andere, Ältere und Stärkere niemand mischt sich ein. Die Gruppe beschimpft den Mann und trotzdem bittet er nicht um Hilfe, wenn er fragen würde, würde ich selbstverständlich helfen, aber er frägt nun mal nicht.
Da erhebt sich zwei Sitze weiter eine ältere Frau schaut missbilligend in die Runde und geht auf die Männer zu. Sie fordert sie auf den Mann in Ruhe zu lassen, da sie sonst die Polizei rufe. Die Männer lachen nur. „Ja“, denke ich „es hat keinen Sinn“. Doch als die Frau ihr Handy zückt werden die Männer unruhig schauen sich gegenseitig an und lassen von dem Mann ab. „War ja nur Spaß“, murmelt einer von ihnen und sie verlassen das Abteil. Die Frau geht auf den Mann zu und frägt ob mit ihm alles in Ordnung sei. Dieser ergreift ihre Hände und dankt ihr. Die Frau lächelt nur und meint: „ Es war das Richtige“.
Ich verlasse den Zug mein Gesicht brennt vor Scham anscheinend bin ich auch nur eine von vielen, jemand der wegschaut.
Doch je länger ich laufe desto leiser werden die Schuldgefühle, andere haben schließlich auch nicht geholfen und es ist ja nochmal gutgegangen. Und ganz tief in mir drin spüre wieder das Gefühl.
Irgendwann….

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.12.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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