Melisa Böhm

Schlaflose Nächte


Sie betrachtete seine immer schwerer werdenden Augen und ihr Herz schlug im selben Takt wie seine Atemzüge. Ihre Angst und gleichzeitige Trauer brachten sie nicht zum Einschlafen. Die ganze Nacht blieb sie gedankenvoll im Bett liegen. Nächtelang lag sie gequält in dem Ehebett, welches längst keines mehr war. Draußen sah man den leicht bläulich schimmernden Mond. Die Krähe vor dem Fenster sang eine taktlose Melodie, welcher sie aufmerksam zuhörte. Das laute Atmen vom ihm machte ihr eine Gänsehaut , mit jedem weiteren Atemzug wurde ihre Trauer größer. Das Einzige was sie noch von ihm hatte, war die Ungewissheit. Sie stand langsam auf und stellte sich vor dem Spiegel.
 
„ In der Dunkelheit bin ich schön“ . Ihre Augen schweiften ab vom Spiegel und sie beobachtete ihn. „Wann hört das auf?“ fragte sie leise mit der Hoffnung nicht gehört zu werden. Sie fing an sich am Arm zu kratzen. Ihre Wunden wurden größer und den Schmerz unterdrückte sie. Jaqueline ging nachdenklich durch den Raum. Sie staunte, denn es hatte sich einiges verändert, die kalten Wände schienen noch grauer zu sein und beengender. Wie zu Hause fühlte sie sich nicht. Die Ungewissheit zerstörte sie innerlich. Sie öffnete ihr Tagebuch und las in alten Einträgen. Die Erinnerungen an die schönen Tage waren längst vergessen. Lediglich ein schmunzeln brachte sie auf ihre Lippen. Fast hätte sie vergessen was für ein Mensch er war. Einen neuen Eintrag konnte sie nicht schreiben, dazu war sie zu verstört. Mit Tränen in den Augen starrte sie aus dem Fenster.  Sie wünschte sich nichts sehnlicheres als endlich ihre Ruhe zu finden.
 
Die Luft wurde immer kühler und sie lehnte sich nach hinten. Sie berührte ihn und schreckte zurück. Er war eiskalt. Sie bekam Panik und man sah wie sich ihr Brustkorb schnell auf und ab bewegte. Ihr Atem blieb eine kurze Zeit stehen. Er war kreidebleich und doch sah er so friedlich aus. Sie blickte hoffend auf die Beatmungsmaschine. Die ständig blinkenden Lichter waren aus, das laute Atmen war vorbei. Sie wollte den Lichtschalter anmachen, doch es war kein Strom mehr da. Mit einem leeren Blick sah sie ihn an und sie verstand, dass es vorbei war.
 
Sie lachte, so wie sie zuvor noch nie gelacht hatte. Es war ein verzweifeltes und erlösendes Lachen. Die Freiheit war ihr ins Gesicht geschrieben. Sie blickte aus dem Fenster und rief der aufgehenden Sonne zu: „ Ich danke dir“.
 

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