Irene Beddies

Der Weihnachtsmann ist krank

 


Vor vielen, vielen Jahren wurde der Weihnachtsmann zum ersten Mal in seinem Leben krank.
Er hatte Schnupfen und hustete sehr. Immer wenn er ein Päckchen eingewickelt hatte, musste er die Nase putzen. Und wenn er ein Blech mit den Weihnachtskeksen aus dem Ofen holen wollte, bekam er einen Hustenanfall, dass ihm fast die Luft wegblieb. Wie sollte er alles schaffen bis zum Weihnachtsfest?
Obwohl der Weihnachtsmann Medizin schluckte und sich einen warmen Schal um den Hals wickelte, bekam er ein paar Tage vor Weihnachten doch noch Fieber und musste sich ins Bett legen.
Da lag er nun und war verzweifelt, denn wer sollte den Kindern die Geschenke bringen?
Als er einmal aus dem Bett aufstand, um sich eine Tasse heißen Tee zu holen, fiel sein Blick auf ein Stück Papier. Er nahm es zur Hand und schrieb darauf mit Bleistift:
 
                                         Hilfe! Hilfe! Ich bin krank!
 
Er klebte den Zettel mit Kuchenteig an seine Haustür. Dann ging er zitternd wieder ins Bett.
 
Zwerge kamen am Haus des Weihnachtsmanns vorbei. Sie sahen den Zettel an der Tür.
„Kannst du lesen?“, fragte ein Zwerg den anderen.
„Nein, wir sind ja nicht zur Schule gegangen“, antwortete ein anderer.
„Vielleicht können die Rentiere lesen“, meinte ein dritter.
Sie gingen zum Stall, wo die Rentiere darauf warteten, vor den Schlitten gespannt zu werden.
„Könnt ihr lesen?“, riefen die Zwerge schon an der Stalltür.
„Das ist Menschenkram“, murrten die Rentiere und steckten ihre Köpfe in die Futterkrippe.
„Ich weiß etwas“, rief aufgeregt der kleinste Zwerg. „Die Fee im Wald kann uns helfen. Sie kann sicherlich lesen.“
Eilig schaufelten und stapften sich die Zwerge einen Weg durch den Schnee zum Haus der Fee. Sie klopften an die Tür. Die Fee machte auf, sie hatte ihr Glitzerkleid angezogen und einen hohen spitzem Hut auf dem Kopf.
„Kannst du lesen?“, schrien ihr die Zwerge entgegen.
Die Fee lächelte. „Ich kann nicht lesen. Aber ich weiß, was geschehen ist. Der Weihnachtsmann ist sehr, sehr krank und hat einen Zettel an seine Tür geklebt. Darauf steht ‚Hilfe, ich bin krank‘. Ich bin gerade auf dem Weg zu ihm.“
„Du kannst unsere Spur nehmen, die wir getrampelt und geschaufelt haben“, boten ihr die Zwerge an, aber da schwebte die Fee schon davon.
 
Als sie beim Weihnachtsmann ankam, sagte sie streng: „Du bleibst dieses Jahr zu Hause im Bett und wirst gesund.“
„Und wer…“, begann der Weihnachtsmann krächzend.
„Ich. Ich werde den Kindern die Geschenke bringen. Ich habe es mir sooft gewünscht.“
Die Fee zog ihren Zauberstab hervor und bewegte ihn in vielen Figuren durch die Luft. Jedes Mal, wenn eine Figur fertig war, wickelten sich mehrere Päckchen von selbst in Goldpapier, die Schleifen banden sich darum und die Kekse auf den Blechen im Ofen wurden knusprig und füllten sich dann von allein in die Tüten. Zum Schluss malte die Fee einen großen Bogen mit dem Stab in die Luft und siehe da: Alles schlüpfte in die Weihnachtssäcke. Die Fee nahm die Säcke und verschwand.
 
Am Weihnachtsabend schauten viele Kinder aus dem Fenster, um den Weihnachtsmann vorbeikommen zu sehen – aber er kam nicht. Manche sahen einen Glitzerschein durch die Straßen huschen. Und als die Glöckchen zur Bescherung bimmelten, fanden die Kinder Geschenke unter dem Tannenbaum wie an jedem Fest.
Und der Weihnachtsmann? Der war gar nicht zu sehen gewesen!
Da erinnerten sich einige Kinder an den Glitzerschein und glaubten, Engel hätten die Geschenke gebracht, denn sie kannten die Fee nicht.
Eine Fee kommt ja auch nur heimlich.
 
 
 

© I. Beddies


 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.12.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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In fernen Ländern begegnen dem Leser Paschas und Maharadschas. Ein Rabe wird sogar zum Rockstar.
Auch der Weihnachtsmann darf in dieser Gesellschaft nicht fehlen.

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