Elke Lüder

Augen-Blicke

Er saß, scheinbar lässig, auf der Couch und unterhielt sich mit ihrer Freundin.

Leise drang seine angenehme Stimme an ihr Ohr.

Sie folgte dem Gespräch nur halb und während er sprach, verlor sie sich in der Tiefe seiner Augen.

Ein Hauch von Magie schwebte durch´s Zimmer.

Plötzlich war da so eine Unendlichkeit. Mystisch zogen seine Augen ihren Blick an. Sie konnte nicht von ihm lassen, genoss diese Magie.

Es war als würde sie in einen Strudel gezogen um die Wirrungen des Lebens zu sehen, einen Tunnel für das Licht, einen Weg, der einem aber keinen Weg auf diktiert, eine Treppe, die für das Weite und die Höhen des Lebens steht,aber auch wie in einen Brunnen um die Tiefen des Lebens zu sehen.

Sie sah Sterne, zum greifen nah. Schwebte auf Wolken und geriet in die Geschichte ihres Lebens.

Da war Schatten und Licht und ein Wechselspiel der Gefühle. Nur Sekunden waren vergangen, aber sie befand sich schon auf einer Reise durch die Welt.

 

Es war seine Welt. Und doch vor allem auch ihre.

Irgend etwas verband sie miteinander. Aber was konnte das sein? Sie kannten sich doch noch nicht mal eine Stunde!

Kurz senkte sie den Kopf, als er seine Augen auf sie richtete. Doch sofort lenkte sich ihr Blick wieder wie verzaubert auf ihn.

Langsam wurde er nervös. Wollte nun doch rauchen und mit zittrigen Händen zündete er sich eine Zigarette an, derweilen er sich in ihren, für ihn rätselhaften Blick in seine Augen, verfing.

Es war wie eine Beschwörung und er stockte während des Erzählens.

Dieses Mal hielt sie seinem Augenausdruck stand, wollte mehr von dieser Welt sehen, die sich ihr in einer so farbigen Vielfalt präsentierte.

Die Atmosphäre war voller Spannung.


Die Freundin bemerkte nichts von alledem. Sie nutzte den stillen Augenblick und sprudelte einfach drauf los. Fast zerstörte sie mit ihrem Redeschwall die Mystik des Moments.

Für ihn ein Augenblick des Orientierens, sich sammeln und in die Tiefe ihrer Augen zu tauchen. Beide vergaßen für einen Atemzug lang das sie nicht allein waren.


Vorübergehend unterbrach der Zauber, er begann wieder zu erzählen, indessen sie frischen Tee zubereitete.

Doch kaum hatte sie ihm gegenüber auf dem Teppich wieder Platz genommen, begann das Augenschauen wieder von vorn.

 

Er erzählte von seinen Plänen der nächsten Wochen und sie ließ sich weiter in seinen Bann ziehen.

Seine Stimme hatte einen weichen, warmen Klang, sie lehnte sich zurück und genoss die Stimmung die auf sie immer übersinnlicher wirkte.

 

Wieder blickte sie ihm fest in die Augen. Er hielt nun ihrem Blick stand und plötzlich begann für sie eine Reise durch die Zeit.

 

Zu den visuellen Eindrücken stellten sich nun auch Gerüche ein. Sie roch Feuer, harziges Holz brannte in einer offenen Kochstelle. Darüber hing ein Kessel, in dem eine würzig duftende Suppe vor sich hin brodelte.

Dem Feuer zugewandt stand eine rothaarige Frau in langen Kleidern.

 

Während er weitersprach, vermischte sich seine Stimme mit dem prasseln des Feuers und dem Trappeln von Pferdehufen.

Nach einen kurzen Klopfen öffnete sich eine Tür und plötzlich schaute sie sich selbst ins Gesicht und hörte ihre eigene Stimme, als die Rothaarige den Eintretenden begrüßte.

Der Moment verwirrte sie! Was passierte hier?

Schnell schloss sie einen Wimpernschlag lang die Augen, wollte das gesehene dadurch verdrängen, aber es blieb.

Und mit der Stimme ihres Gastes antworte der Besucher auf die Begrüßung und überreichte der Hüttenbesitzerin Fische aus dem nahen Fluss.

 

Tee eingießend, versuchte sie die Bilder loszuwerden. Aber noch immer hatten seine Augen diese Anziehungskraft auf sie.

 

Tiefe Blicke. Blitze!

 

Szenewechsel.

 

Vollmond. Waldgeruch hängt in der Luft.

Leiser Wind, warm wie seine Stimme, verfängt sich in den kleinen Birken am Rande der Lichtung des riesigen Buchenhains. Tiefe Dunkelheit zwischen den Baumriesen wird von silbrigen Fäden des gleißenden Mondlichts durchzogen und vermittelt eine fast gespenstische Aura. Auf dem kleinen Waldsee spiegelt sich der Vollmond. Fast nicht hörbar, plätschert ein Reiher am nahen Ufer zwischen sich sacht im Wind bewegendem Reet.

 

Der Flügelschlag eines Nachtvogels, der sich auf Nahrungssuche begibt, ist aus der Ferne zu hören.

Schemenhaft im Halbdunkel, ein Pferd, gehalten von einem Mann der fasziniert einem leisen Singsang seine Aufmerksamkeit widmet.

 

Er folgt dem Gesang. Und auf einer von Mondlicht durchfluteten Lichtung tanzen langhaarige Frauen in altertümlichen Kleidern einen Reigen.

Er bleibt stehen und sieht den Tanzenden zu. Der Gesang wird immer intensiver und hält ihn gefangen.

Geschmeidige Bewegungen sind ein Blickfang für die Seele.

 

Das leise Wiehern seines Pferdes erschrickt eine der Frauen. Sie schaut genau in Richtung Pferd und Mann und das Mondlicht verfängt sich in ihren Augen, zeichnet goldene Pünktchen in ihre Pupillen.

 

Zaghaftes Lächeln auf ihrem Gesicht verrät ihm, das die Rothaarige ihren Fischer erkannt hat.

 

Geruch von Zigarettenrauch holt sie in die Wirklichkeit, ins Heute zurück.

Sie sieht in seinen Augen ein Verstehen, ganz viel Vertrauen und ein „mach weiter“!

 

Jahre scheinen vergangen zu sein. Sie sieht alte Häuser, Ställe, Vieh. Im Dorfbackofen ein Feuer und Brote die fast fertig gebacken sind. Der Duft zieht sich bis zum nahen Dorfteich, auf dem laut schnatternde Gänse und nach kleinen Fischen gründelnde Enten, schwimmen.

Von der Dorfschmiede hört man lautes schlagen. Qualm dringt aus der Esse. Der Gehilfe des Schmiedes steht am Blasebalg und hält so das Feuer in Gang.

Funken sprühen. Nicht nur im Schmiedefeuer.

 

Vor der Schmiede steht ein Schimmel und sein Besitzer. Darauf wartend das sein Pferd neu beschlagen werden kann, aber noch arbeitet der Schmied an einer Heugabel.

 

Von weitem lautes kreischen und rufen und ein Pferdegespann mit einem Käfigwagen. Kinder die hinterher laufen. Noch ist der Wagen zu weit weg um zu erkennen wer sich darin befindet, doch schon bald sieht der Mann vor der Schmiede, wehendes rotes Haar und als der Wagen an ihm vorbei rollt schaut ihm die Tänzerin von der Buchenhainlichtung gebannt in die Augen.

 

Hexenjäger hatten sie gefangen genommen.

 

Eine Tür wird geöffnet. Die Freundin geht ins Bad.

Den Augenblick des allein Seins nutzend, sehen sich die beiden wieder tief in die Augen!

Darin brennt Feuer, darin sprühen Funken. Darin ist soviel Leben.

 

Leise, zart und weich wie Milchschaum klingt seine Stimme an ihr Ohr.

Aber sie nimmt die Worte nicht auf, nur den Klang.

 

Modriger Geruch steigt ihr in die Nase und sie fühlt eine feuchte Kälte auf ihrer Haut.

 

Die Reise führte sie in ein Verlies. In eine Folterkammer.

Verschiedene Foltergeräte sind zu sehen.

Und die Rothaarige! An eine Wand gekettet. Wieder sieht sie sich selbst ins Gesicht, es ist gezeichnet von Schmerzen der Torturen der letzten Wochen.

Wirr hängen ihr die Haare ins Gesicht und ihr ehemals grünes Kleid ist dreckig und zerlumpt.

Plötzlich mischt sich der modrige Geruch mit dem von schalem Wein und Bier. Der Foltermeister betritt das Verlies und der Gestank machte sich sofort im ganzen Raum breit. Alkohol, schmutzige Kleidung, die voller Essensreste hing und seine Ausdünstungen nach Schweiß machten das Atmen schwer.


Eiskalte Schauer rinnen über ihren Rücken, aber die Wärme seiner Augen

hält sie fest und gibt ihr Halt während weitere Bilder vor ihr entstehen.

 

Der bestialische stinkende Folterer packt die Rothaarige am Handgelenk und zerrt sie nach oben, dabei vergessend das er sie angekettet hatte.

Er zwingt sie auf die Streckbank, legt ihr Daumenschrauben und Fußschrauben an.

Mit dem gespickten Hasen fährt ihr ihr wieder und wieder über den Bauch. Ihre Öffnungen dehnte er mit der Birne.

 

Schmerzschreie gellen durch die Kellerverliese und hallen an den kalten Wänden wider.

 

Wenn der Folterer selbst nichts unternahm, schmierte er ihre Fußsohlen mit Salz ein und lies eine Ziege das Salz ablecken. Ihre Füßen waren wund und zerschunden.

 

Niemand hört sie, niemand kann ihr helfen. Dem Folterer ausgeliefert harrt sie in ihrer Zelle aus.

 

Wochen vergehen, der stinkende Folterer wird abgelöst. Zumindest bleibt ihr der Gestank erspart.

Es ist Sommer. Und durch die Gitter dringt der Duft von Holunder und warmer Sonne als sich die Verliestür öffnet und ihr Fischer vor ihr steht.

Er schaut in ihre Augen, bückt sich. Öffnet die Fesseln und nimmt sie an die Hand.

 

Langsam geht er mit ihr die aus Stein gehauenen Treppen nach oben. Raus aus dem Verlies, raus aus dem Mief des Kerkers.

Immer wieder schaut er sich um und lässt ihr die Zeit die sie braucht um mit ihrer geschundenen Seele den Weg ins Licht zu finden.

 

Blitze! Augenkontakt.

Sie stand auf, fröstelte noch ein wenig vom Erlebtem.

Dann fühlt sie diese, seine Hand, obwohl sie weit von ihm entfernt saß. Sie fühlt die Wärme die in seiner Stimme und in seinen Augen liegt.

Sie fühlt sich aufgehoben und geborgen.

 

Bei einem Menschen, der bisher noch keine Einblicke in ihr Leben hatte.

 

Dann steht auch er auf, verabschiedet sich und während sie ihm nachschaut als er die Treppe runter geht klingt in ihrem Kopf ein Lied von

Silly

 

Du hast mich an mich erinnert!“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.12.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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