Dieses Silvester war die reinste die Hölle für unseren Hund Felix, schlimmer als je zuvor. Ich hatte zwischendurch schon befürchtet, er würde kollabieren. Er war heiß, hechelte, die Augen fielen fast raus... einfach furchtbar. Viele Hunde (und natürlich auch andere Tiere) leiden ja darunter, aber Border Collies sind dazu noch ganz besonders geräuschempfindlich. Und dieses Mal war die Böllerei viel massiver, näher und lauter, und ging schon viel früher los als dort, wo wir vorher wohnten, obwohl es auch da schon genug war, aber gerade noch erträglich für den Hund. Diesmal lief Felix geduckt von einem Eck ins andere und sprang irgendwann vor Verzweiflung sogar in die Badewanne. Ich legte ihm einen der Flokatis rein, damit er darin nicht auch noch herumrutschte. Aber Ruhe fand er auch an diesem dunklen Plätzchen nicht.
Nur gut, dass wir uns dann auf den Rat einer Bekannten hin, die auch so einen ängstlichen Hund hat, zur Fahrt auf der Autobahn entschlossen haben. Im Auto fühlt sich Felix auch bei Gewittern immer recht sicher, das ist das eine. Und auf der Autobahn, mit dem Motorengeräusch und dem Umstand, dass Ortschaften meistens weiter entfernt sind, hörte man tatsächlich gar nichts von dem Krach. Wir machten an einer recht einsamen Raststätte im Wald halt und dachten, wir probieren es aus, da zu bleiben, ansonsten – falls auch da Böller zu hören wären – würden wir eben weiterfahren. Wir stiegen aus, und da war absolute Stille. Was für eine Wohltat! Felix sah im Gebüsch eine Katze und sprang ihr sofort nach. Dieser Reflex/Instinkt war trotz allem noch da. Aber er war natürlich an der Leine und die Katze in Nullkommanix weg. Dann kam alles, was er noch im Darm hatte, in flüssiger Form herausgeschossen. Gebrochen hatte er zu Hause schon.
Als er fertig war betraten wir die natürlich leergefegte Raststätte und verbrachten dort den Jahreswechsel. Die Frau, die dort Dienst hatte, war nett und brachte Felix gleich einen Napf mit Wasser und hörte sich unser Leid an. Felix tat ihr richtig leid und sie meinte: Gut dass Sie jetzt hier sind! Felix hatte sich soweit beruhigt, dass er gleich ein bisschen Wasser trinken konnte. Dann legte er sich hin. Als die Frau einmal draußen war und wieder zurückkam sagte sie, von ferne würde man schon ein bisschen was hören. Das war kurz nach Mitternacht, wo es ja am schlimmsten ist. Doch drinnen war, auch bedingt durch das Brummen der Lüftungsanlage, zum Glück überhaupt nichts zu hören, und so konnten wir bleiben und Felix entspannte sich zunehmend.
Wir hatten das ganze ja so spontan gemacht, dass wir an nichts gedacht hatten. Man hätte das Backgammonspiel oder das Schachspiel mitnehmen können. Sie hatten aber immerhin Karten da, und so spielten wir Mau Mau. Eine neue Art Silvester zu feiern... MauMauspielen auf einer einsamen Autobahnraststätte, warum auch nicht. Wir fühlten uns angesichts des ruhig schlafenden Hundes dann auch richtig wohl. Zwei Fernfahrer winkten von weitem und wünschten Frohes Neues.
Wir blieben so bis halb zwei etwa und fuhren dann langsam zurück. Zurück in die Hölle. Zwar war hatten wir das Hauptsächliche vermeiden können, aber die einzelne Knallerei ging immer noch bis fünf Uhr morgens. Wir hätten doch die Nacht in der Waldraststätte verbringen sollen. Sie hatten da auch ein Motel, aber das wussten wir vorher nicht. Nächstes Silvester ist klar, was wir machen. Falls wir nicht weit weg wollen, werden wir in der Waldraststätte übernachten. Aber vielleicht entscheiden wir uns für ein silvesterknallereifreies Ferienhaus irgendwo in der Pampa. Ich hab im Netz gegoogelt, und da gibt es ein paar gute Angebote extra für Angsthasenhunde oder für Menschen, denen das einfach auf den Geist geht oder die selbst Angst haben. Eine Möglichkeit wären vielleicht auch einige Nordseeinseln, auf denen wegen der reetgedeckten Häuser die Böllerei verboten ist. Aber ob das in der Praxis dann auch so gemacht wird, weiß ich natürlich nicht.
Wir werden jedenfalls eine Lösung finden, so dass Felix gleich von Anfang an nicht mehr solchen fürchterlichen Stress ertragen muss. Mir tun auch all die anderen Tiere, speziell die Haustiere, die ihrem natürlichen Fluchtinstinkt ja nicht folgen können, sehr leid. Aber tun kann man dagegen wohl nichts, wenn die Mehrheit das weiterhin so haben will. Wobei ich am Zweifeln bin, ob es wirklich die Mehrheit ist, die das will. Da sind uns die Italiener ein Stück weit voraus. In Venedig auf dem Markusplatz wird geküsst statt geböllert. In allen großen Städten Italiens – außer in Neapel – ist das Böllern wegen der Menschen, der Tiere, der Natur und der Luft (die Feinstoffbelastung durch die Böllerei ist immens) verboten. Respekt.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.01.2012.
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