Veronika Bachmann

Sehnsucht

 

Ich bin heute von unbenennbarer Sehnsucht geplagt, Sehnsucht nach einer neuen Geschichte, nach einer, die endlich mal gut ausgeht, die von Liebe erzählt und wenig Worte gebraucht, weniger wäre mehr gewesen, was magisches. Es ist ganz still an diesem frühen frühen Abend und es fühlt sich an, als könnten alle Wünsche in Erfüllung gehen ...

Und ich beginne zu schreiben,  dann.

 

Sehnsucht. Sehn-Sucht.

 

Es ist ganz still, an einem der magischen Weihnachtstage, kurz vor dem Jahreswechsel, in einer dieser blauen Stunden, ich sitze da und lausche in mich und in die Stille.

Alle Wünsche können in Erfüllung gehen, denke ich, wenn sie nur fest genug gewünscht werden, alle Liebe der Welt, es gibt von allem genug. Ich werde mir ganz viele Dinge wünschen, nicht nur die drei, die die Fee aus den Märchen gewöhnlich erfüllen kann, ganz viele schöne Sachen, in dieser magischen Stunde mit dem Blick über die verschneiten Häuser der Stadt in den blaugrauen durchsichtigen Winterhimmel. Alle Wünsche wünschen.

Mike und Schreiben und Erfolg haben mit dem Schreiben. Kinderliebe. Gesundheit und dieses kleine Quäntchen Zufriedenheit, das den Frieden im Herzen ausmacht. Zusammenleben können mit dem Mann des Herzens und die Sehnsucht stillen können.

Das wünsche ich mir. Von der Fee aus dem Märchen, die durch mein Arbeitszimmer schwebt, ich kann sie förmlich spüren, ihre Zartheit sehen und ihre Kraft, die sie braucht um meine Wünsche wahr werden zu lassen.

Es herrscht Ruhe und Schwermut, eine Art von Traurigkeit, die das Herz erfreut und mich trotzdem zufrieden macht. Und alle diese Wünsche können in Erfüllung gehen, weil ich mir ihrer ganz sicher bin, und es in dem Moment satt habe mit der Sehnsucht zu kämpfen und den Tränen deswegen.

Dann wenn Mike und ich zu lange getrennt leben müssen, jeder für sich in seiner Stadt. Sechshundertfünfzig Kilometer voneinander getrennt. Ich kann das mit einer Inbrunst und Hingabe verfluchen, und um das Aufhören der Sehnsucht bitten.

Mit aller Kraft daraus die Fee sehen, sie materialisieren.

Komm, rufe ich sie, zeig dich, ich liebe dich, sieh mich an und hilf mir.

Dann ist sie plötzlich wirklich da, sie ist ein kleines Mädchen, das mich ein wenig an mich selbst erinnert, sitzt auf der Treppenstufe vor der Tür zur Terrasse, ein kleines, schüchternes Kindchen. Mit einem Gesicht von durchscheinendem Weiß, gütig und vergeistigt, ein seltsames unirdisches Wesen.


Du? frage ich, du kannst mir helfen?

Aber ja, sagt sie, ich bin dein Schutzengel.

Und wo sind deine Flügel? frage ich ein bisschen blöd zurück, wenn du doch mein Schutzengel bist und nicht meine gute Fee?

Was für eine Konversation, was für Zweifel? Ich habe sie schließlich erschaffen, warum sollte sie mir nicht helfen können? Ob Schutzengel, ob Fee, ich muss ihr glauben.

Ganz unvermittelt fange ich an zu weinen, das kommt bestimmt von der Sehnsucht nach der großen Liebe, die zu selten bei mir sein kann, ich weine und zittere.

Ich vermisse dich so sehr Mike, mein Mike, sage ich, ich wünsche mir, dass wir eine Lösung finden im Laufe des kommenden Jahres, eine praktikable und zufriedenstellende Lösung. Zusammenlebend.

Du weißt, sagt die Kindfee, es ist alles möglich und alles offen, dann kommt sie gelaufen und schwebt gleichsam an meinen Schreibtisch. Ich sehe durch sie hindurch, obwohl sie dicht vor mir steht, so durchscheinend ist ihre Haut, ja, sie ist wie ein Geist, aber sie ist die Hoffnung.

Ich weiß, antworte ich ihr, aber manchmal vergesse ich es wieder oder ich traue dem nicht, vor allem, wenn so lange nichts passiert und kein Schritt in Richtung Erfüllung der Wünsche zu sehen ist. Es ist dann soviel Mutlosigkeit in meinem Herzen und gleichzeitig soviel vergebliche Kraft und ungelebte Lust, ich fühle mich so verlassen, klage ich.

Dann sehe ich plötzlich die Flügel, ja, da am Rücken, zusammengefaltet trägt das Mädchen die Flügel. Fee und Schutzengel. Erfüllerin der Wünsche.

Ich möchte schreiben können, bitte ich, ich möchte die schönsten und magischten Geschichten schreiben können. Und ich möchte, dass Leute sie lesen und sie lieben, von der Liebe und der Traurigkeit lesen, sage ich, während die Tränen über mein Gesicht laufen, und sie mich sanft am Kopf streichelt. Ich möchte von der Sehnsucht erzählen können, die mich treibt und mir das Gefühl vermittelt, ich würde doppelt und dreifach schmerzhaft und intensiv leben. Ich möchte Geschichten erzählen können, die gut ausgehen und Hoffnung beinhalten, den Glauben daran, dass Wünsche in Erfüllung gehen können. Wie gerade in diesem magischen Moment, wo du bei mir bist und mich an das Unmögliche glauben lässt. Wo du mir Kraft gibst und Mut, du, Zauberin des Augenblicks. Ich möchte Wörter finden können, die ausdrücken, was in mir vorgeht und sie aufschreiben. Sie anderen zu lesen geben, damit sie verstehen, was mein Leben ausmacht und die Intensität, mit der ich fühle und weine und lache.

Es ist gut, sagt die Fee, es ist gut, du weißt, dass du das kannst, wenn du dir die Zeit nimmst und die Ruhe dazu hast, dann kannst du es schaffen. Und ich werde dafür Sorge tragen, dass Menschen

 davon hören, ich schaffe dir das Publikum, das du brauchst. Und den Erfolg daraus, ich kann das. Das weißt du.

Noch einmal streicht sie mir übers Gesicht, wischt die heißen Tränen fort, die auf der Haut brennen, tröstet mich mit auf ihre kühle, entfernte, aber liebende Art.

Gleich wird sie sich auflösen, ich weiß es, ich möchte sie festhalten und mir noch ganz viele andere Dinge wünschen, Geld und ein neues Auto und neue Anziehsachen, aber dann sehe ich, dass es genug ist, drei Wünsche mehr als genug gewünscht sind, Mike bei mir zu haben, zu schreiben und Erfolg damit zu haben, mehr als genug.  Sie wird immer blasser und ihre Worte kommen nur noch aus mir und dann ist sie auch schon fort.

Spurlos, denke ich zuerst, aber dann sehe ich, dass auf der Stufe an der Tür eine kleine weiße Feder aus einem ihrer Flügel liegt. Die lag vorher nicht da, ich würde es wissen, denn ich putze hier schließlich selbst. Die muss von ihr sein, als ein Zeichen, als ein Trost, es gibt sie wirklich. Die Fee, den Schutzengel, die Zauberin der Wörter.

Langsam stehe ich auf und nehme das federleichte Teilchen in die Hand, warm und trocken, wische die letzten Tränen vom Gesicht. Das wird mein Glücksbringer sein, das wird mich erinnern, und ganz bestimmt hat dieses Kindgeschöpf das extra gemacht. Um mich bis in die letzte Faser meines Körpers zu überzeugen, um meinen Glauben zu stärken. Passiert mir so ein Wunder. Wie schön, wie schön.

Komm', sage ich zu mir, ich muss das erzählen, von der Sehnsucht und den Wünschen, von der magischen Stunde des Glaubens, wo ich die Fee sehen konnte und meinen Schutzengel mit der ganzen Kraft meines kleinen Herzens. Und ich bitte, dass die Hoffnung nicht mehr aufhört und die Sehnsucht noch viele Geschichten dieser Art erschaffen kann, wenn es ganz leise ist in mir, und ich die Kraft spüre und die Liebe, den Zauber und das Wunder des Lebens, bezaubernd. Verliebt in das Leben und in diesen Kerl, der das alles mit mir macht, alle diese Gefühle weckt und die Intensität schafft.

 

DANKE!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.01.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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