Veronika Bachmann

vom Wind

 

 

 

 

 

Vom Wind und von der Liebe

Natürlich könnte man meinen, es handelt sich hier um einen billigen Schundroman. Aber nein!

Erstens wird in Schundromanen nicht fremdgegangen - auf keinen Fall - und außerdem handelt es sich in dieser Geschichte skandalöserweise wieder um unsere echten Leben.

Die Hauptfiguren sind hinlänglich bekannt, ich erzähle aus meiner Warte, ich erzähle was ein Geheimnis ist. Zwischen mir und Markus Ostner.

Anna, Hannes, Sebastian und vorallem Ingrid mit ihrem: ich bring ihn um, wenn er mich betrügt, werden es niemals wissen. Nie.

Ich kann vom Ablauf der Dinge berichten, die anderen Helden dieser Erzählung werden es niemals erfahren. So ist das. Ich glaube, man nennt das die Allmacht des Erzählers.

In unserer Welt gibt es immer nur Markus und mich, die wir wissen, was wir getan haben. Nicht lassen konnten, auf keinen Fall lassen konnten. Und wenn Leser glauben, daß ist doch alles nur erfunden, um in einem Buch zu landen, daß unter einem Pseudnonym veröffentlich wurde, dann können diese Leser das machen. Ich werde sie anonym behandeln und bestimmt keine falschen Rückschlüsse über ihr erotisches Interesse an ruchbaren Seitensprüngen ziehen.

Bei uns geht es eben im Moment ziemlich sittenlos zu, aber so ist das Leben. Man redet gewöhnlich nicht darüber und wenn nur aus billiger Senstationslust und weil schmutzige Geschichten immer einen hohen Marktwert haben. Ich muß schließlich auch von etwas leben. Es hilft mir mein mickriges Lehrerinnengehalt aufzubessern, Geschichten zu erzählen und unter Pseudnonym zu veröffentlichen.

Alle Welt tut immer, als sei es das Letzte was da geschieht, entrüstet sich, aber ich frage nicht nach den Geheimnissen der anderen Leuten, aber manchmal weiß ich und dann erzähle ich sie. Das ist dann der Fall, wenn dem werten Leser die Handlung und die Helden bekannt vorkommen, aber Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind jedoch selbstverständlich rein zufällig.

Dies hier ist eine meiner Geschichten, meine wunderbare Geschichte und ich muß sie erzählen, wie soll ich das sagen, um die Systemik zu erhalten, ein Gleichgewicht zu erreichen. Ich mußte es mit Markus treiben, um Anna und Sebastian zu befreien.

Sie wissen es also doch, obwohl sie Nicht-Wissen vorschützen, wie man eben etwas wissen kann und es doch nicht weiß. Weil ihnen die Worte für die Gefühle fehlen.

Mir nicht.

Über Anna und Sebastian habe ich mich ja bereits in der vorhergehenden Geschichte zur Genüge ausgelassen, jetzt berichte ich vom blauen Meer und der warmen Sonne, dem weißen Sand. Bilderbuchstrand und heile Urlaubswelt. Allgemeinplatz und doch erfrischend herrlich.

Es beglückt mich das Blau des Himmel gegen das Blau des Meeres zu sehen, ich liebe den Wind in den Palmen und über bikinibedeckten Körper. Ich kann nicht genug kriegen davon, wie schön ist es in der Sonne auf einem weichen, wohlriechenden Handtuch zu liegen und kühler Sand passt sich dem Körper an und der darüberstreichende Wind ist Liebkosung.

Die meisten Sterblichen wissen davon nichts oder sie wollen davon nicht wissen, sie erinnern sich nicht daran. Vor der Berührung von Mensch zu Mensch war die Berührung von Wind. Samenflug und Windbestäubung. Ich liebe so verrückte Ideen, dafür liebe ich mich.

Der Wind ist eine Berührung, auf die man sich verlassen kann. Natürlich gibt es Jahre mit viel Wind und Jahre mit weniger Wind. Aber ich erinnere mich, es gab ein Jahr des Windes, damals als die Zwillinge klein waren und sehr anstrengend, damals muß dies gewesen sein, da brauchte ich kaum Männer. Ich  lief spazieren am Klostersee, früh vor der Schule und nachmittags oder vorm Abendessen und es gab Wind und das

genügte mir. Er bließ die Sorgen weg und die Belastung.

Hier am Meer ist der Wind - ablandliger Wind lasse ich mir von den Wassersportlern erklären - hier ist er ein Versprechen. Hier macht er Lust auf mehr. Drei Tage sind wir hier und es geht uns ausgezeichnet.

Sebastian ist sehr aufmerksam und verwöhnt mich mit seinen kleinen, zärtlichen Berührungen, als wären wir frisch verliebt.

Und es wäre gelogen, wenn ich nicht zugeben würde, daß es mich mächtig anturnt, daß er es mit mir treibt und mit Anna.

Jawohl, die zwei haben es wieder gemacht, da auf dem Schiffe irgendwo ungemütlich im Stehen, aber so unersätlich, als hätten sie hungern müssen, in der Fastenzeit zwischen Ostern und Pfingsten.
Ich kann richtig sehen, wie sie übereinander hergefallen sind und sich küssten und festhielten und allein diese Vorstellung macht mich ganz aufgeregt. Sag ich doch, es turnt mich an.

Immer, immer weiß ich, daß dies, was Anna und Sebastian miteinander haben mehr Liebe ist, wie ich je verstehen werde. Das ist so. Eine unerbittliche Tatsache.

Meine zwei Lieben trieben es also da am Schiff und als sie zur Gruppe zurückkommen, sehe ich es ihnen an, sie leuchten förmlcih vor Glück und Sattsein und ich weiß es.

In genau diesem Moment sehe ich Markus an und er sieht mich an und es ist eine beschlossene Sache.

Was die machen, können wir auch, denke ich.

Da zum ersten Mal wissen wir gleichzeitig, daß wir es tun werden und das ist ein guter, gemeinsamer Schritt. Wir werden es bei nächster bester Gelegenheit tun. Da wird die Idee geboren, sie kristallisiert sich heraus mit dem Schauckeln des Schiffes und mit dem Wind, der die Haare zaust.

Wir müssen es tun, denn dies ist es, was ich weiter obene mit Ausgleich meinte und mit Gleichgewicht.

Und Markus wird ein wenig Anna durch mich lieben und ich sanktioniere dadurch, was Anna und Sebastian tun, das ist wichtig. Und eindeutig ist es so, daß Markus keine Ahnung hat, was vor sich geht, er denkt an guten Sex und den soll er kriegen.

Ich werde auch nicht hhungern, ich bin noch immer satt geworden, alle Sorgen vor dem Urlaub waren umsonst. Da habe ich vor mir selbst gejammert, daß ich von diesem Idioten Markus umgeben sein werde, wie konnte ich denken Markus sei ein Idiot. Er ist ein Mann und das ist gut genug. Er ist beileibe keine schlechte Kost, egal, was ich Anna gegenüber darüber äußere, für mich ist er gut genug.

Er sieht mich also über die Bankreihen auf der Fähre hinweg an und herrscht ein tiefes, inniges Einverständnis über das befreite Lachen von Anna und Sebastian hinweg, was die können, können wir auch.

Dabei stimmt es nicht, wir werden etwas können, was sich an­fühlt wie Sex, weil es purer Sex ist, wie Erotik, wir geben uns gegenseitig eine vorübergehende, einmalige Befriedigung. Aber dies was Anna und Sebastian machen, ist lieben. Liebe machen. Das wird mir mit Markus nicht gelingen.

Ich will nicht sagen, daß es nicht schwer war für mich zu sehen, wie gut sich Anna und Sebastian verstehen. Zu gut. Sie sind lebenslänglich verliebt, sie wissen es nur nicht. Sie müssen es sogar vor sich selbst geheimhalten, damit sie sich in unserer Welt von starren Moralvorstellungen nicht verraten. Verraten, daß sie ein Verhältnis haben.

Ixch persönlich glaube außerdem, daß sich Anna und Sebastian aus früheren Leben kennen - das tun wir doch alle - und sie müssen sich lieben. Sie lieben sich. Ich will nicht sagen, daß es mich nicht manachmal neidisch macht, aber ich muß auch zugeben, daß es schön ist anzusehen. Nicht von dieser Welt, diese geheime Liebe.

In diesem Spiel, in dieser Systemik wird es nämlich einen geben, der wird es nie wissen. Hannes. Hannes ist blind, was seine Frau betrifft und ich kann nur sagen, es geschieht ihm recht, daß sie ihm Hörner aufsetzt. So nennt man das bekanntlich, wenn eine verheiratete Frau ein außereheliches Verhältnis hat.

Erstaunlicherweise und Gott sei Dank ist auch Ingrid blind für die Beziehung, die Anna und Sebastian pflegen. Ingrid ist eine frustrierte Kuh und unsensibel für erotische Reize und Signale, für die Details der zwischenmenschlichen Stimmungen. Sie liebt ihren Markus Ostner mit der ganzen Macht der monogamen, eifersüchtigen Frau. Das klingt nachteiliger, als es im herkömmlichen System ist.

Ich behaupte jedoch - wie Anna - gerne,, daß sehr viel Leid und viele Krankheiten daher kopmmen, weil weder Frauen noch Männer die Potieniale ihrer eigenen Liebesfähigkeit ausschöp­fen. Später wird es Zeiten geben, die das besser verstehen, dann, wenn man keine Pseudnonyme mehr braucht um Geschichten dieser Art zu erzählen.

Ingrid weiß auch nicht, daß sie gefrustet ist, weil es sich und ihm auferlegt, treu zu sein. Sie hält das für pure, wahre Liebe. Alles andere macht ihr Angst und ist ihr zu hoch.

Was Markus und ich machen werden ist purer Sex. Und ich möchte nur wissen, was daran schädlich sein soll? Es bedeutet nichts und die Welt.

Markus lacht, wir sehen uns an - angeleuchtet von Anna und Sebastians Glanz und ich weiß, bei Gelegenheit machen wir Liebe.

Und Ingrid wird keine, keine Ahnung davon haben. Ja, sie wird nicht einmal auf die Idee kommen, daß wir Liebe machen. So kann man es nämlcih auch nennen, vornehm.

Und doch ist es purer Sex. Nicht auf die Schnelle und unbequem, niemals. Zu warten auf den richtigen Moment gehört mit zu dem versteckten Spiel, zum Aufbau der erotischen Spannung und wir wissen beide, es kommt der richtige Moment. Heute nicht mehr, morgen, übermorgen, wir haben alle Zeit der Welt.

Ich bin wie der Wind hier am Meer. Versprechen und Sehnsucht in einem und dasmacht diese Lust auf mehr, Wirbelwindchen, nichts kann man festhalten und doch erzähle ich, was die können, können wir auch.

Vielleicht ist das wiederum übertrieben - vorallem bei den Männern gilt, daß sie mehr unbewußt handeln, aber für mich gilt, was ich hier erzähle, ich kann Gedanken lesen. Und es spielt sich immer mehr zwischen den Menschen ab, Unsicht­bares, Wegwehendes wie der Wind.

Aber die Art wie Markus mich ansieht, begehrlich, da auf dem Schiff zum ersten Mal, daß ist ein warmer Wind. Ein Versprechen, ich weiß, wir werden uns verstehen.

 

 

Na ja, und dann vergingen die ersten Tage, wir gewöhnten uns am Urlaubsort ein - in dem bekannten Gleichnis brauchen die Seelen der Menschen eben ihre Zeit zum Ankommen, zumal wir schnell reisen, mit dem Auto, mit dem Schiff und noch ein Stück weiter mit dem Auto. Seelen brauchen mehr zeit zum Reisen und eigentlich ein gemütlicheres Tempo, aber das ist auch etwas, was der gewöhnliche Sterbliche vergessen hat.

Da gibt es ja eine so nette Anekdote von dem Forscherteam unterwegs im südamerikanischen Urwald und sie heuern sich Einheimische als Träger und Führer an. Die spuren auch ganz ordentlich und halten das hohe Tempo der Forscher mit, aber dann am dritten Tag meutern sie, sitzen da und gehen nicht mehr voran. Darüber befragt, was denn los sei, geben sie zur Antwort ihre Seelen bräuchten Zeit zum Nachkommen und sie müßten eben auf ihre Seelen warten. Das bei Fußgängertempo.

Was machen wir? Unsensibel geworden für die Empfindungen unserer Seelen.

Aber jetzt nach drei Tagen sind wir alle wieder vereint mit unseren zwar unsichtbaren, nichts destotrotz vorhandenen Seelen und fangen an uns richig wohl zu fühlen.

Es gibt Sonne, Wind, Sand und gutes Esen mit gutem Wein dazu. Man kann Tennisspielen, und im Hinterland spazierenlaufen, am Strand wandern und über Felsen klettern, joggen. Schwimmen, im klaren Wasser ohne Quallen schwimmen.

Ich die Schwimmerin des ausgehenden Jahrtausends. Man kann surfen und segeln und was man sonst in einem Club so alles ausprobiert.

Es gibt Gymnastik, die ich selber besser vorführen könnte, zu der ich normalerweise nur einmal hingehe um die Hostess mit meinem Bewegungs und Rythmusgefühl zu beschämen. Aber gefällt es mir, es ist ein junger Tänzer, ein Rumäne vielleicht und was er kann, ist nicht übel, da hole ich mir neue Ideen und schaue mir ein paar Kombinatiopnen an - eine sehr preiswerte Fortbildungsmaßnahme - Glück gehabt.

Wir tanzen und spielen zusammen - wenn ich Markus nicht kriege, nehme ich ihn, denke ich bei mir, ja so gut ist der Typ. Er sieht, daß ich es kann und spielt mit mir, indem er immer schwierigere Schritte auf die Tanzfläche bringt. Aber ich komme nicht aus dem Tritt - niemals - und er muß aufgeben, schließlich hat er Hausfrauen in seiner Gruppe, die ihm längst nicht mehr folgen können. Sie trampeln mit ihren untrainierten Beinen, den hängenden Schultern und Armen und schön ist es nicht anzusehen, aber dies ist sein Job.

Mich macht es immer glücklich zu tanzen bei Aerobic, bei Steps im Rythmus, es macht mich lebendig und glücklich.

Die andere viele freie Zeit in diesem Urlaub essen wir und schlafen, sitzen zusammen und reden, wir warten bis die Zeit genüßlich vergeht unterm blaueb Himmel in den Badetüchern voller Sand.

Nachts steht der untergehende Mond in der Bucht, ein zunehmender Viertelmond, kein voller kitschiger Lustmond. Und ich sehe die drei Tage Anna und Sebastian zu, sie umkreisen sich und meiden sich und sie sind so vernünftig. Und so traurig. Sie wissen nicht, wie sie sich abseilen sollen, wann und wo und vielleicht trauen sie mir noch immer nicht.

Um so wichtiger, daß ich Markus nehme, denke ich, es erlöst sie.

Sie sind nicht geübt darin gute Plätze aufzuspüren, ich, ich  weiß, wo es geht. Vielleicht nehme ich es schon am ersten Urlaubstag wahr, mehr unbewußt und doch weiß ich, dies ist der Ort. Ich sehe den unabgesperrten Schuppen voller gymnastischer Matrazen - da gibt es viel unkomfortablere Plätze um es zu trieben. Ich sehe die nächste menschenleere Bucht bei meinen langen Spaziergägngen, die Dünen, die sich eignen um sich zu verstecken. Ich persönlich hasse es jedoch Sand in den Haaren und zwischen den Beinen zu haben, womöglich auch noch nachts, nein, mir bleibt der Schuppen ...

Und wie gesagt Sebastian ist so nett zu mit, tags und abends, nachts in unserem gemeinsamen Beet, aber er ist traurig. Er hat einen Konflikt, einen Zwiespalt. Aber es gibt keine Möglichkeit mehr mit ihm zu sprechen.

Ja, es ist dummerweise wahr, ich spreche nicht mehr mit ihm über Anna, seit wir uns den gestrigen Abend deswegen gestritten haben ... mag sein, ich kann diese Szene nicht wirklich gut erzählen, aber man muß nicht alles gut erzählen. Zum besseren Verständnis will ich jedoch einräumen, daß wir uns gestritten haben, als ich großmütig noch einmal vorschlug, er solle sie vögeln und lieben und bumsen und ficken. So in der Art.

Madeleine, sei nicht so ordinär, sagte Sebastian, es war nachts im Bungalow, die Kinder schliefen im Zimmer nebenan.

Aber dann tues doch einfache, sagte ich, ich sehe doch, ich braucht das.

Das hatte er in den falschen Hals gekriegt, er glaubte mir noch immer nicht, daß es mir nichts ausmacht.

Weil du mich nicht liebst, jammerte er, Du liebst mich nicht.

So sind diese Männder.

Was ist schon Liebe? What's love got to do with it? Sagte ich.

Na ja und dann bockte er. Hör auf, Madeleine, warnte er mich. Hör auf.

Und ich gehrochte. Was ist schon Liebe? Ist frech und vorlaut, aber so bin ich nunmal.

Und so ernsthaft wie Sebastian und Anna versuche ich dem Geheimnis von Liebe nicht auf die Spur zu kommen. Ich weiß, ich werde das niemals wirklich verstehen, ich füge mich da in mein Schicksal, Liebe, was ist schon Liebe?

Es ist traurig, aber wahr, nun wage ich also nicht noch einmal das bristante Thema anzuschneiden, aber dies wird sich bitter rächen. Solcherart Themen auszusparen ist nicht gesund ... so gerne würde ich ihm sagen, geh und treib es mit Anna, damit wir alle unseren Frieden finden.

Markus und meine Wenigkeit werden also mit gutem Beispiel vorangehen, die Versuchung ist groß, sehr groß.

In diesem Moment bräuchte ich nur die Hand ausstrecken und ihn berühren.

Das wäre ein Fehler, ich weiß das, ich bin die, die berührt wird, aber ich bin ja auch der Typ, der manchmal in der Hektik Fehler macht. Ich bin der Typ, der gerne Fehler macht, statt nichts zu haben lieber einen Fehler machen.

Es war natürlich auch ein Fehler von mir bei jenem kurz erwähnten Streit beim Stichwort " Was ist schon Liebe" nicht fortzufahren:ich würde gerne so lieben können wie du, Sebastian, ich bin manchmal wirklich ganz neidisch, aber ich verstehe nichts von dieser gottlosen Liebe zwischen dir und Anna, so sehr ich das möchte, ich werde es niemals begreifen. Ich sehe euch an und ich weiß, es ist gut.

Das wäre ehrlich gewesen und Sebastian weiß Ehrlichkeit zu schätzen, aber ich habe es nicht gesagt und jetzt ist es zu spät. Ein Fehler. Ich mache gerne und oft Fehler, aber wahrscheinlich bin ich der einzige Mensch auf der Welt, der dies ungeniert einräumen kann. Es ist schwer mit mir.

Ich liebe also noch immer am Strand, der Wind streicht über uns hinweg und Markus liegt neben mir und ich bräuchte nur die Hand ausstrecken, ihn berühren um ihm ein Zeichen zu geben.

Die Kinder spielen am Wasserrand, insgesamt haben wir immerhin sieben Kinder dabei, sie spielen am Wasser und mit den kleinen Wellen, dem Sand, lachen und tollen, liegen im seichten Wasser und quitschen bei jeder Welle.

Ich bräuchte nur die Hand ausstrecken, ihn anfassen, seinen knochigen, dürren Körper streicheln, ich sehe zu ihm hin unter meinem gebogenen Arm heraus, liege auf dem Bauch und sehe zu ihm hin.

Er hat unglaublich knakcigen Po und ich schwöre, er weiß es. Die Art, wie er ihn mir zeigt, daraus ersehe ich, daß er stolz darauf ist.

Aber gibt seinerseits kein Zeichen, nichts Merkliches, kein Nicken, nichts, will er oder will er nicht?

Der Wind streicht über uns und er ist ein Verpsrechen, aber trotzdem kann man abgelenkt sein ode rmit sich selbst beschäftigt.

Es kann sein, daß er mit in den letzten drei Tagen versuchte ein Zeichen zu geben und ich habe es übersehen, natürlich kann man dann zweifeln, ein klein wenig zweifeln, pro forma nur. Zu Zweifeln erhöht den erotischen Reiz.

Auf ein Zeichen, eine Antwort, eine Zustimmung von ihm könnte ich meine Hand ausstrecken in einer ganz normalen, gewöhn­lichen Bewegung und ihn streicheln - aber wie lange müßte er ebenfalls auf dem Bauch liegend, liegenbleiben bei dem knappen Modell von Badehose, das er trägt - ich verstehe, daß er keine Lust dazu hat.

Für mich ist es schön, ich stelle es mir vor ihn anzufassen, ich sehe ihn an, streichle ihn mit meinen Augen, fahre den muskulösen Körper entlang, die Hüften, wo er bestimmt zucken wird vor Lust, dann und ich überlege mir, welche Liebkosungen er wohl besonders gerne mag. Mit seinem knackigen Po.

Ich weiß, daß er von Zärtlichkeiten nicht sonderlich viel versteht, aber das macht nichts. So ist das. Mit den Jahren habe ich mich daran gewöhnt, daß ich solche Typen aufreiße und immer, mein Leben lang werde ich glauben, daß ich es diesen Typen lernen kann zärtlich zu sein, daß ich sie erinnere, ermahne, ich gebe den besten Sex der Welt, so viel Zärtlichkeit und Gefühl.

Sebastian ist übrigens nicht die Spur von schnell oder grob, Sebastian ist unglaublich zärtlich und es ist jedesmal wie ein Wunder für mich. Trotzdem: Was ist schon Liebe? Ich würde ihn schrecklich vermissen, gganz schrecklich vermissen sollte er je fortgehen. Aber er wird Anna nehmen und er wird nicht fortgehen, so ist das.

Markus reagiert nicht, ich zweifel an mir und ein wenig bin ich vielleicht auch gefrustet, als sehe ich zu, was ich machen kann.

Ich geh in den Bungalow, bemerke ich lässig. Er könnte nachkommen, wenn er möchte, er wir könnten absperren und nach hinten aus dem Bad kann man locker entkommen. Er könnte nachkommen, wenn er wollte.

Markus sieht träge hoch, verschlafen, er wird nicht kommen.

Den Kassettenrekorder an, die Musikkassette rein, die ich extra für solche Gelegenheiten aufgenommen habe, den Bikini runter, nackt ausziehen und vorm Spiegel tanzen.

Das ist besser als in der Schule, wie im Gymnastiksaal, vor dem Spiegel sich nackt bewegen, jede einzelne Bewegung kontrollieren, ansehen, beherrschen. Üben. Die komplexen Bewegungsabläufe, gegengleiche Arme und Beinbewegungen üben, einprägen, wiederholen und mit den einfachen klassischen Schritten Freude haben. Im Rythmus, im Takt bleiben, ich liebe das, ich liebe es wirklich sehr. Und da tanze ich also vor dem Spiegel und blad glänzt de rSchweiß auf meiner Haut, ich dehne mich um auszuruhen - strecke mich, zieh am Körper lang den Arm über die Hüften nach links und nach rechts, langsam, sicher, bewußt. Schön. Ich bewege mich ganz wie es mir die Lust und die Laune eingibt, zähle automatisch und gedanklenlos, weil  ich es hiunderttausend Mal gemachte habe - zähle bis vier, bis acht und wieder zurück auf Null und ich bin glücklich dabei.

Da brauche keinen Markus Ostner, da brauche ich überhaupts nicht, es ist Versprechen und Einlösung des Versprechens gleichzeitig, dann ist es das reine Glück.

Es geht zehn, füfnzehn, zwanzig, dreißig Minuten lang, Kombinationen von Schritten zu meiner fetzigen Lieblingsmusik, ausruhen und sttretchen dazwischen, ich bin glänzend vom Schweiß und erschöpft, es geht mir gut.

Schwimmen, zum krönenden Abschluß werde ich schwimmen gehen im glasklaren Mee, die Königin des Wassers geht schwimmen.

Wen ich mich jetzt bewege, habe ich etwas von einer Katze, von einer Tänzerin, von einer Göttin, ich ziehe den Badeanzug an, den, der mehr wie ein Body alles verhüllt und dennoch betont, was ich zu bieten ahbe. Ich gehe durch die Reihen der Urlauber am Pool, auf der Wiese, am Strand, ich gehe ganz normal, aber alle, alle sehen mir nach und ich bin die schönste Frau der Welt. Ich schwöre, ich bin die schönste Frau der Welt.

Das liegt daran, daß ich lebendig dabei bin und dement­sprechend diesen dämlichen, gestylten Modepüppchen haushoch überlegen. Die sind nur schön, aber nicht lebendig wie ich, nicht so nah am Glück, so als könnte ich es doch erwischen, festhalten. Mag sein, ich bin eine alte Kuh - vor erbarmungs­losen Spiegel  - und doch bin ich die schönste Frau mit dem bester Sex der Welt.

Natürlich achte ich darauf, daß Makrus mich sieht, nicht wie ein Pfau stolzierend, so nicht, nein, ganz natürlich, aber er muß mich wahrnehmen. Ich gehe also und strahle dabei, er setzt sich auf und ich steige ins Meer. Wenn das nicht klassisch ist und gut gegen das Licht der Sonne, die später im Meer untergehen wird, er setzt sich auf und sieht mir zu.

Ich weiß, er denkt, die muß ich kriegen und so sind wir uns wieder einig.

Ich schwimme weit hinaus, ich brauche das um mich abzukühlen, um mein Mütchen zu kühlen, ich schwimme füfnhundert Meter hinaus bis zu weiß schimmernden Bojen, lege mich auf den Rücken und sehe an den Strand zurück, kleine Pünktchen von Menschen, beduetungslos schön. Ich drehe um und kämpfe gegen die ziemlich starke Strömung zurück - mit der hatte ich nicht gerechnet, das ist eine Herausforderung besonderer Art, mit dem Salzwassergeschmack im Mund und kraule und lasse mich treiben und schwör's da im Wasser zu liegen ist das pure Glück.

Am Strand wieder, schlinge ich mich in das große Badetuch, Markus sitzt da.

Wie wär's mit uns beiden? Fragt er

Ja, sage ich, heute vorm Abendessen. Es gibt einen Schuppen, da drüben ich deute vage ind ie Richtung.

Er nickt, er weiß es, ja zur Duschzeit da ist eine Viertelstudne locker drin.

So um halbsieben dann. Sagt er.

Wenn er überrascht war, daß ich sofort einen Ort zu benennen wußte, lässt er es sich jedenfalls nicht anmerken, er ist cool und ich weiß, er macht das öfter. Wie Männer eben gerne aushäusig essen und ihre Frauen sind völlig ahnungslos.

Wie wär's mit uns beiden. Ich liebe diesen Satz, ich liebe ihn. Glück. Es reitet mich der kleine Teufel und oebebdrein würde ich zu dieser wunderbaren Fragen niemals "Nein" sagen. Niemals. Gelegenheiten dieser Art wollen immer beim Schopf gepackt werden!

 

Und dann beim Abendessen geht es uns allen wunderbar, wir lachen und ich sehe, was ich mir nicht erklären kann, daß auch Anna und Sebastian eine Gelegenheit gefunden haben müssen. Und mir, als der aufmerksamen Beobachterin ist das entgangen. Unglaublich! Das passiert mir, aber es kommt, wenn man so sehr mit sich selbst beschäftigt ist.

Wengistens, denke ich einen Moment ganz fröhlich, wengistens war's nicht wie in der billigen Komödie und wir sind uns dabei auch noch begegnet, in dem Schuppen etwa, das wäre doch traurig. Das sind so winzige Sachen, die muß man als Glück annehmen.

Ich habe mein Geheimnis mit Markus und Anna und Sebastian wissen, sie haben kein Geheimnis vor mir.

Und es wird ein ganz wunderbarer Abend mit einem blutroten Sonnenuntergang im Meer, die Kinder essen am Nachbartisch, ihre Kleinigkeiten, Nudeln, Pommes Frites, Stücke von Honigmelonen und zwanzig Portionen Eis zu siebt. Das hört sich an wie elementares Kinderglück. Dann sind sie verschwunden, laufen am Strand entlang, über die Klippen und suchen die kleinen Einsiedlerkrebse, ganz winzige Krebse und sammeln sie in den Pfützen der zurückweichenden Flut.

Wir sechs Erwachsene sitzen an dem runden Tisch mit Blick aufs Meer und lachen ausgelassen, die Stimmung ist wirklich prächtig, der Wein seh rsüffig und da soll einer sagen, wir hätten nicht ein Leben wie ein Traum!

Jetzt sind unsere Seelen angekommen, sagt Anna zu mir und lacht und ich sehe das schlechte Gewissen und ihre lauernde Angst, sie traut mir nicht.

Es ist gut, Anna, sage ich und lege meine Hand offen auf den Tisch. An dieser Stelle sollten wir nicht von den Seelen rden, denn daran liegt es nicht allein ... für mich ist es gut, ich hab's dir gesagt.

Sie legt ihre Hand auf meine, wer soll schon so rätselhafte Bemerkungen zweier Freundinnen verstehen?

Eines Tages werde ich ihr sagen müssen, daß ich bewundere wie sie sich lieben, wie sehr, weil ich ja davon nichts verstehe, nicht jetzt, eines Tages.

Sie ist still, nachdenklich und dann drücke ich ihre Hand, als ein Zeichen, es ist gut, ich sanktionierte ihre Untreue und meine und alle sehen diese Berührung, diese Zärtlichkeit und einen kleinen, ganzganz kleinen Moment lang weiß ich doch was Liebe ist. Keine Frage, es ist gut.

 

Dann wird am Nebentisch zu laut gelacht, es ist vorüber, die Seifenblase geplatzt, der Vorhang wieder zugeweht, vorbei.

Es ist gut. Erinnerung bleibt mir. Und vielleicht lerne ich doch noch zu verstehen.

Sebastian lacht und Markus erst und ich nehme lachend einen winzigen Schluck Wein, es ist gut.

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.01.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

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...doch man schweigt... Ist ein Gemeinschaftswerk von Menschen, welche sich seit 2005 für Betroffene im Hartz IV und SGBII engagieren. Sie erleben Ausgrenzung, Schikanen, Sanktionen bis hin zu Suiziden von vielen Freunden aus eigenen Reihen, welche für sich keinen anderen Ausweg mehr sahen. Die Autoren versuchen in ihren Episoden und Gedichten das einzufangen, was das Leben zur Zeit für fast 10 Millionen Menschen birgt. Der Erlös des Buches geht zu 100% an den Verein Soziales Zentrum Höxter e.V., da wir wissen, hier wird Menschen tatsächlich geholfen.

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