Iris Klinge

Irrungen der Liebe

 
Um die Zeit zwischen Abitur und Studienbeginn zu überbrücken, durfte ich den  Sommer 1960 in Edinburgh verbringen - bei einer schottischen Familie als baby-sitter.

In einem Club für schottische Volkstänze lernte ich einen Studenten der Atomphysik kennen, der acht Jahre älter war als ich und kurz vor dem Examen stand. Wir freundeten uns an, hatten die gleiche Vorliebe für Jazz,  und bald verbrachten wir Stunden in seiner Bude, wo er mir seine Schallplatten von Ella Fitzgerald und Luis Amstrong vorspielte, für die er damals schwärmte. Allmählich kamen wir uns beim Tanzen näher.  - Er war Inder und hatte denselben Nachnamen wie mein damaliger deutscher Schulfreund, was mir etwas merkwürdig und schicksalhaft erschien.

Es kam wie zu erwarten war  -die romantische Stimmung überwältigte Suresh, der noch nie ein Mädchen näher gekannt hatte. Er schwärmte für ein Wesen aus einer anderen Kultur. -  Nachdem ich wieder zurück in Deutschland war und anfing zu studieren, schrieben wir uns regelmäßig lange Briefe. Seine Gefühle vertieften sich weiter. Im folgenden Jahr besuchte er mich in Heidelberg und sprach von Heirat.

Meine Mutter war entsetzt, als er auch noch in meiner Heimatstadt Freiburg auftauchte, um mir einen Antrag zu machen. Sie meinte damals, ich würde sie ins Grab bringen, wenn ich dem nachgeben würde.

Irgendwie spürte ich, dass dieser Fremde nicht der Richtige für mich war.  Doch  blieben wir in Briefkontakt und erzählten uns von unserem Leben.

Als ich Jahre später heiratete, teilte ich ihm dies mit, und er verschwand aus meinem Leben.

30 Jahre später, als ich längst wieder Single war und inzwischen den Computer und das Internet für mich entdeckt hatte, kam mir eines Tages die Eingebung, nach Suresh zu suchen. Tatsächlich fand ich seinen Namen im Internet. Er war inzwischen bei der NASA beschäftigt und lebte in Califorien.

Kurz entschlossen griff ich zum Telefonhörer und wählte seine private Nummer. Er war tatsächlich persönlich am Apparat und konnte es nicht fassen, meine Stimme zu hören. Er sagte, er sei kurz vor einem Herzinfarkt, so sehr war er aufgewühlt.

Es begann eine lange Korrespondenz per email. Die Botschaften, die er mir schickte, ließen seine Leidenschaft erahnen, die noch immer in ihm brodelte. So gestand er mir, dass mein Gesicht auf seinem Bildschirm auftauchte, sobald er den Computer anmachte.

Er hatte aus Enttäuschung über meine Heirat seine Eltern in Indien gebeten, ihm eine passende Frau zu suchen. Dies erfolgte mit Hilfe eines Astrologen, der eine große Übereinstimmung im Horoskop beider Kandidaten sah, und so flog Suresh in seine alte Heimat, um eine ihm völlig fremde Frau zu heiraten.

Wie voraus gesagt, wurde die Ehe sehr harmonisch. Seine zwei Kinder waren fast genauso alt wie meine. Was seine Frau nicht wusste, er hatte mich noch immer nicht aus seinem Gedächtnis gelöscht, und durch den neuen Kontakt mit ihm loderte das Feuer seiner Leidenschaft erneut hoch.

Wir beschlossen, uns in USA zu treffen, da ich zu einem Wohnungstausch nach Santa Fe flog und New Mexico nicht allzu weit von seinem Wohnort entfernt war.

Er organisierte eine Dienstreise nach Albuquerque, und wir mieteten uns dort für eine Woche in einem Hotel ein.

Er hatte sich nicht verändert. Ich dagegen schon. Um ihn zu beeindrucken, hatte ich mich in einen etwas aufreizenden Outfit gekleidet. Die Wirkung war nicht die, die ich erwartet hatte. Er war geschockt, einer emanzipierten Frau gegenüber zu stehen, die so ganz anders war als seine traditionelle indische Frau.

Unsere Woche im Hotel war für ihn das Fegefeuer. Alles, was er sich in seinen Träumen ausgemalt hatte, stimmte plötzlich nicht mehr. Zwei Kulturen prallten aufeinander.

Am letzten Tag vor seiner Abreise verbrachte ich Stunden im Bad. Er wunderte sich und fragte, was ich da mache. Ich antwortete ihm, dass ich dabei war, ihn aus meinem Leben zu verabschieden, denn ich hatte schrecklichen Durchfall.

Wir trennten uns in der Überzeugung, dass meine Mutter ein gutes Werk vollbracht hatte, indem sie sich gegen die Vorstellung wehrte, ihre Tochter mit einem Inder verheiratet zu sehen.

Er gestand mir, dass er nun endlich seiner Frau sagen konnte, was all die Jahre verhindert hatte, sie um ihretwillen lieben zu können, und dass nun seine ganze Liebe und Verehrung ihr allein gehören würden,  denn sie war eine wunderbare Person, die sich für die Familie aufopferte und nebenbei noch Alte und Kranke pflegte.

Für ihn wurde ein Kapitel seines Lebens erfolgreich abgeschlossen. Er fand  endlich den inneren Frieden im Bewusstsein, mit der Richtigen verheiratet zu sein.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.01.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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