Ulla Meyer-Gohr

Amors Sicherheitsnadel

 

Die Falttüren des Busses schlossen sich. Gritt erhöhte ihre Laufgeschwindigkeit. Sie wollte den Bus noch erreichen. Die junge Frau war spät dran. In der Firma gab es eine wichtige Besprechung.
      " HALT ! - HALT !"
Ihre Arme kreuzten sich über dem Kopf und fuchtelten wild hin und her, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Der Busfahrer grinste und ließ die vordere Tür nochmal aufschnellen.
      " Na, junge Frau. - Heute mit dem falschen Fuß aufgestanden ?"
Optisch kannte man sich durch die täglichen Busfahrten. Auch die anderen Fahrgäste ergaben ein gewohntes Bild. War doch jeder auf dem Weg zu seinen täglichen Verpflichtungen.
      " Bitte, Herrschaften, rücken sie doch ein kleines bisschen zusammen. Fast sitzt die junge Dame in meinem Kassenbereich !"
Ungern bewegten sich die Stehenden im Mittelgang weiter.Keiner hatte Lust seinen ergatterten Stehplatz mit Haltemöglichkeit freiwillig auf zu geben.
      " Ein Blick in den Spiegel verrät mir, dass noch freie Flächen im hinteren Bereich nicht genutzt wurden !"
Nochmals gab es einen Ruck. Gritt wurde vom Sog der Menge erfasst bis in die Mitte getragen und direkt vor den Füßen eines jungen Mannes abgesetzt. Sie lächelte hilflos. Er nickte verständnisvoll.   Sein roter Wollschal schmiegte sich an ihre Mantelknopfleiste und milderte den Druck der Enge zwischen ihnen.
      " Ein fremdes Gesicht. - Sehr sympatisch," dachte die junge Frau. Gritt errötete bei dem Gedanken. Also versuchte sie woanders hin zu gucken. - Aber wo ? - Sie begann seinen Schal zu fixieren.
      " Ungewöhnlich große Maschen," stellte sie fest
      " Nächste muss ich aussteigen und somit ist Turbulenz angesagt. Aber das schaffen wir schon !"
Erstaunt, über die beruhigende Baritonstimme, blickte Gritt in das offene Gesicht des Fremden. Die junge Frau spürte wie der Mann versuchte sich einen kleinen Freiraum zu verschaffen, aber Irgendetwas hielt ihn zurück.
      " Oh Gott ! - Sein roter Schal !" schoß es Gritt durch den Kopf. Er saß fest an ihrer Mantelknopfleiste. Ihr fiel die Sicherheitsnadel ein, die sie, morgens, notdürftig mit einem abgerissenen Knopf befestigen konnte. Es war keine Zeit geblieben, um dieses Mißgeschick noch zu beheben. Die Nadel hatte sich, inzwischen, tief in das Maschenwerk des Wollschals verhackt. Mit gesenktem Kopf folgte Gritt dem Schalträger wie ein, an die Leine gebundener, Hund. Neugierige Blicke beobachteten das seltsame Gespann, welches wie ein Komikerpaar, hinter einander, im Gleischritt, den Bus verließ. 
      " Gibt es eine Erklärung für ihre Verfolgung ? - Meine Vermutung bezieht sich auf mein neues Aftershave. Eine Frau , die dem Duft nicht widerstehen konnte. Es würde die Reklame im Fernsehen bestätigen. "
Der Fremde lachte und zwinkerte mit den Augen. Verneinend schüttelte Gritt den Kopf.
      " Meine Sicherheitsnadel verfing sich in ihrem Schal und würde, bei Gewaltanwendung, das Gewebe zerstören."
Schuldig bekennend blickten ihre Augen zu Boden.
      " Ach was für eine simple Erklärung ! - Mein Schal ! "
Ein bisschen Enttäuschung klang in seiner Stimme. - Doch dann lenkte er aufmunternd ein:
      " Kein Grund zur Panik ! Uns wird schon was einfallen !"
Beherzt griffen beide die Verstrickung an und vergaßen völlig ihre Umwelt . Die Nähe entwickelte sich sehr nah, sodass beim Entwirren sogar das Sie dem Du zum Opfer fiel. Endlich gelang die Trennung und der rote Schal kehrte mit einer übergroßen, aus der Form geratenen Masche, zu seinem recht mäßigen Besitzer zurück. Verdutzt und verwundert sahen sich die beiden jungen Leute, über die entstandende Vertrautheit, tief in die Augen.
      " Wie heißt du eigentlich ?" mit dem Zeigefinger hob der junge Mann das Kinn der jungen Frau zu sich empor.
      " Gritt und du ?"
      " Ulf ! - Das kann kein Zufall gewesen sein. Amor müssen die Liebespfeile ausgegangen sein und in seiner Verzweiflung griff er zur Sicherheitsnadel !"               
 
  
  

   

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