Seit Andreas Hofer in der Hofburg in Innsbruck lebt, sieht ihn Hansl nur selten, aber dann kann er stundenlang den Geschichten von den Freiheitskämpfen zuhören. Für ihn ist der Vater der größte Held. Doch eines Abends kommt er heim, die Kinder werden ins Bett geschickt, - und am nächsten Tag ist der Vater wieder fort. Er hat sich verstecken müssen, heißt es. Hansl weiß nicht, wohin und warum. - -
Ein schneereicher, bitterkalter Winter zieht ins Land. Da sagt die Mutter: „Hansl, du musst morgen mit auf die Alm zum Vater. Du bist ja schon groß, allein ist mir der Weg zu beschwerlich.“ Wie freut sich der Hansl, den Vater wieder zu sehen!
Doch in der Nacht, er schläft schon oben im Heu, pumpert es an die Tür. „Das sind sie“…sagt ergeben der Hausvater. „Heilige Mutter Gottes,“ schluchzt sein Weib, - „versteck dich doch! Im Weinkeller – im Heu – oder unterm Dach, in der alten Truhe….“ – „Zu spät“, antwortet der Sandwirt. Er schiebt den Riegel zurück und öffnet das schwere Tor. Eine riesige Schar Männer in Uniformen poltert herein, ihre Fackeln erleuchten das Haus. Die Frau faltet die Hände, betet leise. Andrä Hofer steht breitbeinig mitten in der Stube. „Was wollt’s?“ ruft er mit sicherer, lauter Stimme, die das Befehlen eher gewohnt ist als das Betteln und Zagen. – „Mitkommen!“ lautet die barsche Antwort. Da schreit die Frau laut auf: „Na, na, mein Mann derfts es net wecknemmen!“[1]und sie wirft sich dem Hauptmann vor die Füße. Der stößt sie grob beiseite. Andrä nimmt gelassen seinen Hut vom Haken. „Tua net reahrn, Weibele, de lassn mi schon wieder hoam“ [2], beruhigt er sie. Doch daran glauben kann er selber nicht.
Mit großen Augen schaut Hansl zu, wie die Soldaten seinem Vater die Hände fesseln. „Vatta, was tuasch denn?“ [3], fragt er. – Er bekommt keine Antwort, kennt sich mit der Welt nimmer aus. Er ballt die Hände in den Hosensäcken zu Fäusten. Ganz schwarz funkeln seine Augen vor Zorn. Wenn er doch schon größer wäre – mit einem ganzen Dutzend Soldaten wollte er fertig werden! – Jetzt reicht er dem Vater noch nicht einmal bis zur Schulter. Aber Mut hat er schon ! Forsch tritt er hervor: „Insa Vatta hat enk nix tan!“ [4]sagt er mit fester Stimme, die nur ein ganz klein wenig zittert. Einer der Uniformierten gibt ihm eine gewaltige Ohrfeige, dass er durch die Stube zurückfliegt, ein anderer versetzt ihm noch einen Tritt, dann reißen sie den Sandwirt, der sich von seiner Frau verabschieden will, weg und jagen ihn mit Tritten aus dem Haus. „Seids stark und teats betn!“[5], sind Hofers letzten Worte.
Als Hansl aus seiner Ohnmacht erwacht, vernimmt er nur das Schluchzen seiner Mutter; sie beugt sich über ihn und legt ein kühles Tuch auf sein geschwollenes Auge. Die Augen stehen ihr voll Wasser.
In der Morgenfrühe steigen sie ins Tal.
Das Leben im Dorf geht weiter. Es sollte weitergehen, aber für den Hansl ist es stehen geblieben. Er will nicht mehr in die Schule, Tag für Tag steht er am Fenster, schaut talaus und wartet. „Der Vatta kimmt wieda, er muass wieda kemmen!“ [6], sagt er sich vor.
Er glaubt an den Vater. Der ist doch so stark, so mächtig. Alle im Dorf haben Respekt vor ihm. Und die Franzosen hat er besiegt, die ganzen Schlachten hat er mit vorbereitet, Oberkommandant ist er sogar gewesen, - den Vater können sie nicht so einfach mitnehmen und einsperren?! –
Doch ein Tag vergeht wie der andere. Der Vater kommt nicht. Endlich hält es der Bub nicht mehr aus. Er will dem Vater einen Brief schreiben. Reden kann er mit niemandem, die Mutter weint, sobald er damit anfängt, die kleineren Geschwister verstehen alles noch nicht. Und zu anderen Kindern vom Vater zu sprechen, wurde ihm streng verboten.
Aus seinem einzigen Schulheft reißt er eine Seite und beginnt:
„Liaba Vatter! Wo bisch denn so lang, warum kimmsch net hoam? Warum hams di eingsperrt? Du hasch ja neamd was tan, du willsch ja grad de fremdn Soldatn aus unsan Landl vajagn. I hätt des genauso gmacht. De Hoamat gheat ja uns, uns Tirola alloa!
De Leit sagn, du bisch unsa Held. Mir brauchn di alle, kimm wieda! De Mamme tuat soviel reahren um di. De halbe Nacht kniat sie vorm Herrgottswinkl und betet, und i tua aa betn.
Pfiat di Vatta.“ [7]
Den Zettel gibt er dem Postboten, der einmal in der Woche ins Dorf kommt, zum Weiterschicken. Doch den Vater erreicht das Schreiben nicht mehr, der wird am 20. Februar 1810 erschossen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.02.2012.
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