Ulla Meyer-Gohr

Straßenschild

 

      " Hamburg liegt nicht nur an der Alster. Es liegt des öfteren an der Umleitung," behauptete eines Tages ein gestresster Autofahrer, der eine halbe Stunde Verspätung deswegen in Kauf nehmen musste.

Auch dieses Wochenende blockierte eine große Baustelle das Nachtleben auf der Reeperbahn einer Amüsiermeile von St. Pauli. Die High Heels der leichten Mädchen stolperten und staksten um dieses Hindernis herum. Ihre derben Flüche, die nicht oberhalb der Gürtelliene blieben, trieben so manchem Besucher die Schamröte ins Gesicht. Zufrieden mit sich und der Welt kicherte Abbu Klint vor sich hin. Er fand alles lustig. Seine Augen strahlten und er versuchte mühsam die langen, dünnen Beine zu koordinieren. Der Alkohol hatte ihn fest im Griff und verpasste ihm eine rosarote Brille. Plötzlich starrte er, wie elektrisiert, auf das Schild, welches am Bauzaun hing. Ein schippendes Männlein mit Sandhaufen wurde dargestellt. Schwarz auf weiss mit einer roten Umrandung:
                                                        ACHTUNG   BAUARBEITEN !
signalisierte es. Dann entwickelte sich alles rasant schnell. In langen Sätzen und einem kühnen Sprung landete Abbu Klint in der Absperrung und fiel mit einem Teil Bauzaun um. Laut lamentierend drückte er das Straßenschild an sich und versuchte unter der Drahtfalle wieder ins Freie zu robben. Der Lärm zog zwei patrouillirende Hüter des Gesetzes auf den Plan.
      " Na, Pappi, einen über den Durst getrunken ?"
      " A - lles in beschter O - r - d -nung. Hä, hä, hä," meinte Abbu und streichelte das Straßenschild.
      " Bevor du noch mehr Dummheiten anstellst nehmen wir dich in Gewahrsam. Dort kannst du deinen Rausch ausschlafen."
Polizist Reuter versuchte mit vereinten Kräften des zweiten Ordnungshüters Abbu Klint auf die Beine zu stellen und in den Streifenwagen zu verfrachten. Das Ganze wurde vom lauten Protest Abbus begleitet. Es half ihm nichts. Geschulte Griffe falteten ihn ordnungsgemäß in den Polizeiwagen. Das Straßenschild musste mit. Abbu drückte es fest gegen seine Brust und wurde sehr ungemütlich, wenn jemand es wagte  nur das Schild zu berühren. Inzwischen glänzte die Baustelle wieder. Nichts deutete mehr auf einen gewesenen frontal Angriff hin. Dank Abbus Freunden, die eins,zwei,drei das Loch an der Baustelle wieder schlossen. Das prüfende Auge des Gesetzes überzeugte sich von der Wiederherstellung und hakte die Sache als" in Ordnung" ab. Hier endete die Sause der Zechbrüder auf dem Kiez. Abbu musste mit auf die Davidwache und eine unerfreuliche Nacht in einer Ausnüchterungdzelle der sündigen Meile verbringen.

Am nächsten Morgen erwachte Abbu mit Brummschädel, einem Kater und war reichlich zerzaust. Seine Situation konnte er sich nicht erklären.
      " Was war mit ihm geschehen ?"
Schemenhaft dämmerte ihm etwas. Vorsicht war geboten. Er stellte sich einfach unwissend. Auf sein Hallo und gegen die Tür trommeln öffnete sich die Tür. Der Dienst habende Polizist Hansen händigte Abbu die einbehaltenen Habseligkeiten wieder aus. Die vorliegende Liste Abbu Klint wurde abgehakt.
1 Feuerzeug
Pkt. Taschentücher
1 Geldbörse
2 benutzte Kinokarten
1 Kamm
1 Schlüsselbund
1 Schild
Abbu nickte zufrieden und unterschrieb die Entgegennahme.
      " Danke für alles. Die Polizei dein Freund und Helfer. - Ich kann es nur bestätigen !"
      " Passen sie das nächste Mal besser auf ihren Alkoholkonsum auf," ermahnte Hansen," sonst kann es bei einem größerem Unfug richtig weh tun."
      " Wie recht sie haben !"
Abbu verließ die Wache und drückte das Straßenschild wieder an seine Brust. Dann jauzte er vor Freude und ließ seinen langen Körper einmal durch die Luft schnellen.
      " Das war mir dieses Ungemach wert. Halt ich doch endlich mein lang ersehntes Straßenschild in den Händen. Meine Sammlung " Straßenschilder" ist endlich abgeschlossen. Meine Ines wird Augen machen. Keine nächtlichen Streifzüge mehr von mir. Keine Angst mehr, ob das wohl gut geht !"

Nur über eines wunderte Abbu Klint sich sehr: wieso ließ die Polizei ihn mit dem Straßenschild laufen ?"
  

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.03.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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