Ich erinnere mich noch als wäre es gestern gewesen: Es war ein warmer Abend Anfang Juni. Die Sonne über der idyllischen Kleinstadt, in der ich damals lebte, war schon fast untergegangen. Im Halbdunkel schlenderte ich nach Hause, obwohl der Abend sich dafür eigentlich viel zu gut anfühlte. Hier und da ließ ich meine Hand über den morschen Holzzaun steichen. Grillen zirpten ein übertrienben romantisches Lied. Es roch nach frischem Gras, nach Liebe und längst vergangenen Sommerliedern. Ein Hauch von Wehmut lag in der Luft, sodass sich bei jedem tiefen Atemzug mein Herz zusammen zog. Sehnsüchtig ließ ich meinen Blick über die dunkel schimmernden Wiesen streifen, als würde ich einen alten Freund erwarten. Die aufziehenden Wolken warfen geheimnisvolle Schatten auf den menschenleeren Feldweg. Es war sehr ruhig. Zu ruhig. Ich hörte jeden meiner Schritte im Kies. Doch da war noch ein Geräusch. Lief etwa jemand hinter mir? Erschrocken drehte ich mich um. Nicht weit entfernt sah ich eine Gestalt unbeweglich an einer Scheune lehnen. Ich kniff die Augen zusammen, um bei dem gleißenden Abendlicht die Umrisse besser zu erkennen. Es schien ein Mann zu sein. Er war ein ganzes Stück größer als ich, die Kapuze seines Pullovers weit ins Gesicht gezogen. Warum stand er da so bewegungslos? Ich schwankte zwischen Panik und Neugier. Meine Gedanken rasten, mein Herz schlug wild. Bevor die Sekunden weiter auf mich einschlagen konnten, handelte ich. Ohne richtig nachzudenken rief ich mit zittriger Stimme: " Hey, was soll das? Warum stehst du da so?"...keine Antwort. Hat er mich überhaupt gehört? Fast krächzend fügte ich todesmutig hinzu:" Warum bewegst du dich nicht? Hast du Angst vor mir oder was?!" Die letzten Worte wären mir fast im Hals stecken geblieben. Ich bereute den Satz noch bevor ich ihn ausgesprochen hatte. Der Schatten lief schnurstracks auf mich zu. Das Blut gefror in meinen Adern. Panik schoß durch sämtliche Nervenbahnen. "Wegrennen", dachte ich noch, als der Unbekannte mit schnellen Schritten immer näher kam. Das Adrenalin wurde wie irre durch meinen Körper gepumpt, doch ich war wie gelähmt. Plötzlich stand er direkt vor mir. Groß. Unberechenbar. Bedrohlich. Ein herber Männerduft wehte zu mir hinüber, während mir heißkalter Schauer über den Rücken jagten.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.03.2012.
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