Wolfgang Weniger

Am Huckup (3)

 

„Tach Hänschen.  Nanu, siehst ja ganz blass aus.  Lehn dich erstmal hier an den  Huckup,

oder setz dich besser auf den Sockel.“

„Schorse, lass man, ich bin nicht krank, nur furchtbar wütend.“

„Und warum?“

„Brief vom Finanzamt. Öffne den Umschlag und was lese ich: ‚Ankündigung der Vollstrek-

kung’.  Wegen meiner Kfz-Steuer.  Säumniszuschlag 0,50 Euro.   Schorse,  jahrelang be-

komme ich vom Finanzamt einen  Zahlungshinweis  und jedesmal habe ich gleich den Be-

trag  vorzeitig überwiesen.  Und dieses Jahr drohen se mir sofort mit Vollstreckung?   Ich

glaube wohl…“

„Hänschen,  du hast das Kleingedruckte in deinem letzten Zahlungshinweis nicht gelesen.

Darin stand,  dass du dich künftig selber zu kümmern hast und  keine  weitere  Aufforde-

rung mehr erhältst.   Kannst noch froh sein.  Ohne  Einzugsermächtigung  ist  es dir noch

nicht einmal mehr möglich, ein Auto anzumelden.“

„Is ja toll, wer kommt denn auf solche klammheimlichen Ideen?“

„Die vom Amt schieben es auf den jugendlich flotten Finanzminister Möllring.“

„Sieh an, für so was hatter noch Zeit?   Merkwürdig.   Dachte schon,  alles würde sich nur

um die Nord-Süd-Asse drehen.“

„Wennschon dann Achse, Hänschen. Du meinst aber sicher nicht die endlosen Dialoge um

die Endlagerung des Atommülls, sondern den Nord-Süd-Dialog.“

„Jaja. Sag mal Schorse, wer wollte unseren Lokalpolitiker Möllring eigentlich  in Hannover   

an der Leine haben?“

„Sein Duzfreund Wulff, Hänschen, der Schirmherr der ganzen Dialogsperenzchen.“

„Aha. Mein lieber Schorse, nun erklär mir jetzt mal bitte, was das überhaupt sein soll, der  

Nord-Süd-Dialog.“

„Also  Hänschen,  du  darfst dir das nicht so vorstellen,  als würden sich da auf einer groß

organisierten Veranstaltung  nur reiche und dicke Leute tummeln,  die an der Butter run-

terhacken, querschneiden und besser zu Tische als zu Pferde sitzen.  Da geht es vielmehr

um professionell geführte Dialoge,  im Sinne von Geldschöpfung  zur  Unterstützung  von

Entwicklungspolitik auf nationaler Ebene.“

„Und wer wurde nun unterstützt und was wurde entwickelt?“

„Das weiß niemand so genau und deswegen ermittelt wohl gegenwärtig die Staatsanwalt-

schaft, denn die hat ein laufendes Verfahren…“

„Laufendes Verfahren?  Muss ja komisch aussehen.  Wie geht das?   Schorse, jetzt redest

du aber ziemlich verquer.“

„Jedenfalls ist manches unklar und so muss denn nun auch Adlatus Glaeseker …“

„Vor der fisteligen Stimme Oettingers flüchten.“

„Nein Hänschen, wegen Vorteilsnahme vor den Kadi.“

„Vor den Kadi?  Da muss er doch schon gewesen sein,  rotbäckig zurückgekehrt mit einer

Botschaft für Wulff.   Der hat nämlich bei seiner Antrittsrede  gesagt:  dem  Islam  gehört

heut Deutschland und morgen die ganze Welt.“

„Um Gottes willen, Hänschen, er hat gesagt: ‚Der Islam gehört zu Deutschland wie …’ “

„Soso, dann erarbeitet also auch der Islam unsere Rente?“

„Nein, der hat ja keinen Generationsvertrag.“

„Schorse,  den hab ich doch auch nicht,  konnte ihn wenigstens bislang nicht finden.   Wo

steht denn der ganze Vertrag überhaupt geschrieben?“

„Frag bei Gelegenheit einfach Minister Möllring, denn der war ja Anwalt, bevor er Minister

und Experte in Finanzfragen rund ums Amt wurde und stell dich dabei mal weniger  döm-   

melig an, so nervös, wie er zurzeit ist.“

„Bist du aber heute auf Krawall gebürstet!  Soviel ich  weiß,  hatter  nun  wirklich  andere

Sorgen:  Sollte Rechnungen schreiben - weil  Sponsoreneinsätze  beim  Buchen  vielleicht   

                                                                -1-

 

unglücklich unter den Tisch gefallen sind?“

„Na sieh mal einer an, du bist ja redseliger als der Finanzminister. Der sagt nämlich, dass

er gar nichts sagt,  weil er sich sonst strafbar machen würde  und eigentlich sowieso wei-

tere Rechnungen nachträglich zu schreiben habe.“

„Nee, ne,  Schorse, woher willst du das wissen?  Genausogut bekäme da jemand gern ein

funkelnagelneues Auto von Winterkorn geschenkt.  Und wenn es denn so wäre, säße der-

jenige jetzt unter Umständen vor seiner Steuererklärung, wüsste nicht recht, wie er plau-

sibel und ordnungsgemäß den Wert des Autos auf die  Ausgabenseite  schreiben  könnte,

um unterm Strich noch eine Steuererstattung herauszuschlagen.  Und dann  käme  Spezi

Möllring…“

„Was faselst du da?

Dazu ist die Lage doch nun wirklich viel zu verfahren und zu ernst.  Jetzt  erkläre  ich  dir

mal, weshalb man der Politiker zutiefst überdrüssig ist:

Kanzler und Sozialdemokrat Schröder beauftragt Betriebswirt Hartz,  dem späteren, dau-

haften Namensgeber staatlicher Stütze,  mit der Reform des Arbeitswesens,  weil das Ar-

beitsministerium dazu anscheinend nicht in der Lage ist.   Sogleich reguliert Hartz die Re-

gelsätze nach unten und aus heller Freude über seinen von Schröder initiierten  Honorar-

schub liebäugelt er,  Doktor und Professor ehrenhalber,  alsbald mit der  Volkswagen AG.

Dort jedoch wird er,   ‚Manntje, Manntje, Timpe Te’,  wegen Korruption aus dem Vorstand

komplimentiert. Von Wulff, dem früheren Milchbubigesicht, angeblich jungen und mittler-

weile gealterten Wilden mit den für ihn gar zu großen Schuhen.

Und Wulff,  der Pharisäer,  Opportunist mit Ausbildungsintelligenz und Kriegserklärer  ge-

nehmigt sich,  nach seinem widerwilligen Rücktritt aus privaten Gründen, über  das  Bun-

despräsidialamt den Ehrensold und  dazu  einen  Sekretär,  der  sämtliche  Schmäh-  und

Drohbriefe zu archivieren hat.“

„Und nu, Schorse?“

„Du kannst dich revanchieren.  Wahltag ist Zahltag.   Kannst den selbstgefälligen  Privile-

giensammlern zeigen, dass ein Mandat kein Türöffner zum Selbstbedienungsladen ist. Ur-

plötzlich versagt dir daher im Wahllokal deine Zweitstimme.   Bedeutet,  0,70 Euro Wahl-

kostenausgleich aus Steuergeldern sind futsch und fehlen somit der Parteienfinanzierung.

Gegengerechnet mit deinem Säumniszuschlag von 0,50 Euro hast du dafür,  ideell  gese-

hen, dann 0,20 Euro mehr in der Tasche.“

„Schorse, die Wahl ist ja wohl noch immer geheim, das merken die doch gar nicht.“

„Oh doch, unterm Strich Hänschen, unterm Strich.“

 

 

Hildesheim, 16.03.2012

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