Harald Haider

BLUTRACHE - 6.Teil

7
 
Vor der Postfiliale Vorchdorf, 10:52
 
Vorchdorf war eine Marktgemeinde mit fast 7500 Einwohnern im Bezirk Gmunden im oberösterreichischen Salzkammergut. Meine Eltern waren waschechte Vorchdorfer und wohnten noch immer im Gemeindeteil Unterhörbach, wo mein Vater fleißig in der ortsansässigen Schlosserei werkte, während meine Mutter ihrer Arbeit als Volksschullehrerin im selben Ort nachging. Beide Elternteile sahen ihre Jobs als so eine Art Passion an, mit Hingabe praktizierten sie ihre Berufe und ich weiß, dass das auch der Grund war, warum mir ebenfalls so viel an meinem Arbeitsplatz lag. Nur hatte ich schon bald meine Prioritäten gesetzt und aufgehört die Arbeit in meinem Kopf mit nach Hause zu nehmen, so wie es in meinen ersten Jahren nach der Matura täglich geschehen war. Damals war ich fast wie ein Magnet am Schreibtisch haftend kaum aus dem Büro zu bringen gewesen. Anfangs dachte ich ein kleiner Workaholic zu sein, doch schon bald sah ich ein, dass mich das Hauptthema Arbeit fast erdrückte. Ich brauchte einfach meinen Freiraum, war in dieser Hinsicht nicht so wie meine Eltern, die auch an den Wochenenden fleißig Schularbeiten nachkontrollierten oder in der eigenen Werkstatt Dinge zusammenschraubten. Arbeit muss Arbeit bleiben, so konnte ich immer auch das Leben so einteilen, wie ich es wollte. Während der Woche war ich fleißig und zuverlässig, versuchte meine Aufgaben mit größter Sorgfalt zu meistern, doch es gelang mir mit der Zeit immer mehr, mit dem Verlassen der Firma an das Leben außerhalb der beruflichen vier Wände zu denken und ich muss gestehen, dass dies mir als Lebemensch relativ leicht gefallen ist. Man kann auch ein strebsamer Mensch sein ohne seine Freizeit außer Acht zu lassen. Immer, wenn ich einen meiner Freunde oder Bekannte erwische, wie er einfach nicht von der Arbeit geistig abschalten kann, rüge ich ihn und versuche ihm klar zu machen, dass das Leben viel schönere Facetten bittet als Unterlagen, Schriftverkehr und nervende Kollegen. Ja, ich war ein richtiger Genussmensch, in den letzten Jahren kam noch ein großer Schub Harmoniebedürftigkeit dazu. Das hatte wohl mit den weniger guten Zeiten zu tun, die ich erleben musste, jedoch machten mich diese Rückschläge zu dem Menschen, der ich nun war. Ein Mensch, der mit größtem Optimismus in diesen Montag gestartet war, jedoch diesem Frieden nicht mehr so recht traute.
Als ich aus meinem Wagen stieg und den Schlüssel des Postfachs unangenehm in meiner Hosentasche spürte, wurde mir total flau in der Magengegend. Einerseits hätte ich mich am liebsten sofort wieder hinters Lenkrad gesetzt und wäre zurück in die Arbeit gefahren, aber das wäre keine Lösung gewesen. Christopher, du machst dich total lächerlich, versuchte ich mich etwas zu beruhigen. Nervös schritt ich über den kleinen Kundenparkplatz, blickte zu der alten Apotheke auf der anderen Straßenseite hinüber, musterte zwei Kunden, welche gerade die benachbarte Sparkasse mit ihren Kontoauszügen verließen und musste meinen Kopf schütteln vor so viel Normalität. Hoffentlich hatte ich Gerhard nicht zu sehr beunruhigt. Glücklicherweise war der Nowak nicht sonderlich gesprächig gewesen, als ich ihm vom kurzfristigen Ausflug von der Arbeit aufgeklärt hatte. Das brauchte zwar nichts Gutes bedeuten, aber unnötige Nörgeleien hätte ich auch nicht gebraucht. Mit einem unwohlen Gefühl von allen Seiten beobachtet zu werden betrat ich schließlich das Postamt vor mir. In den letzten Jahren habe ich keine fünf Mal dieses Gebäude betreten, es hatte auch kaum Anlass dafür gegeben. In Zeiten des E-Mails konnte man von zu Hause aus bequem mit der gesamten Welt kommunizieren, ohne wochenlang auf einen überfälligen Brief zu warten. Neben einer älteren Dame mit knallig-orangem Filzhut, die gerade an einem kleinen Tisch in der Ecke einen Lottoschein ausfüllte, war ich soweit ich sehen konnte die einzige Kundschaft. An meiner linken waren einige Modelle von den neuesten Handys und Laptops in einer Glasvitrine ausgestellt, direkt im Anschluss folgten drei Regale mit allerhand Büromaterialen. Ich steuerte die rechte Seite an, denn da befanden sich zwei Mitarbeiter hinter drei Ständern mit diversen DVDs und CDs versteckt an ihrem grauen Tresen und frankierten gerade kleine Berge aus lauter Kuverts. „Grüß Gott! Bitte sehr, was kann ich für Sie tun?“ wandte sich der ältere davon mir zu. Dabei handelte es sich um einen schmalen Herrn Anfang fünfzig mit kurzen braunen Haaren und einem Dreitagebart, den ich schon öfters im Ort gesehen hatte. Sofern ich sagen konnte, stand mir der Filialleiter gegenüber. Ein Blick auf sein Namensschild bestätigte meine Vermutung. ‚R.Kronberger‘ stand darauf und darunter seine Berufsbezeichnung. „Ich wollte zum Postfach mit der Nummer 12“, verriet ich dem netten Mann mein Anliegen. „Das finden Sie gleich neben dem Eingang, die 12 ist in der dritten Reihe.“ Ich bedankte mich für seine Auskunft und befand mich kurz darauf vor einem riesigen gelben Kasten mit lauter Fächern, die meisten davon klein, die unteren dafür größer und geräumiger. 10, 11,…ah, da…12. Nervös stand ich mit dem Schlüssel in der Hand vor dem Fach, welches hoffentlich etwas Licht ins Dunkel bringen würde. Mit leicht zitternden Fingern steckte ich ihn ins Schloss und drehte ihn wie in Zeitlupentempo im Uhrzeigersinn herum. Ich öffnete die kleine Tür und sah neugierig hinein. Ein weiteres Kuvert mit gleicher Versiegelung lag im Postfach mit der Nummer 12 und daneben ein kleines Paket. Stirnrunzelnd stand ich da, hatte Schiss davor den Brief herauszunehmen. Schließlich schloss ich meine Augen und griff danach. Ungeschickt und mit hektischen Bewegungen riss ich das Kuvert auf und zog zwei Zettel heraus. Das erste Blatt war mit einer blauen Tinte beschrieben worden. Die Schrift sprach tausend Worte, man konnte spüren, dass jede Silbe auf diesem Stück Papier unter großem Druck entstanden war. Ich begann langsam und konzentriert zu lesen.
 
Hallo Christopher,
 
lange ist es her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.
 
Ich befinde mich an einem geheimen Ort und es liegt nur an dir, mich daraus zu befreien.
 
Du musst etwas lernen, eine Lektion, die dringend notwendig ist, um zu erkennen, wo du mich finden kannst.
 
Bitte lass‘ mich nicht wieder in Stich wie damals, als ich dich gebraucht hätte.
 
Ich vertraue darauf, dass du mir hilfst.
 
Julia

 
Oh mein Gott! Julia wurde offenbar entführt! Aber von wem? Und warum? Was hatte das alles mit mir zu tun? Von welcher Lektion war hier die Rede? Und wann habe ich sie im Stich gelassen? Leichtes Schwindelgefühl ließ mich kurz ausharren, langsam atmete ich aus und ein. Dann nahm ich das zweite Blatt Papier, auf welchem ich sofort die idente verschnörkelte Schrift entdecken konnte wie im ersten Brief. Diese Zeilen waren von diesem Eros. Ein kalter Schauder strich über meinen Rücken, ließ mich erzittern.
 
Sehr geehrter Herr Mraz,
 
Sie sind meinem Rat gefolgt, das ist gut für Sie.
Vermutlich haben Sie den Brief der kleinen Schlampe bereits gelesen und dabei in vergangenen Zeiten geschwelgt.
 
Es liegt wahrlich nur an Ihrer Entscheidung, ob sie das Licht der Sonne jemals wieder sehen wird können.
Nur Sie können sie finden und befreien, wenn Sie dafür in der Lage sind und die Aufgaben meistern, die ich Ihnen stellen werde.
 
Dabei handelt es sich um die erste Lektion.
Das heißt, es wird noch weitere Briefe von mir geben, und auch weitere Aufgaben werden auf Sie in den nächsten Tagen zukommen.
 
In der Vergangenheit haben sie dunkle Schatten hinterlassen,
dafür müssen Sie nun Buße tragen.
 
Bevor Sie erfahren, was Sie zu tun haben, möchte ich Ihnen ein paar Spielregeln nahe legen und ich hoffe für Sie, dass Sie sich stets daran halten werden.
 
1.  Erzählen Sie niemanden von diesen Briefen oder von mir.
2.  Erfährt ihre Verlobte etwas davon, wird sie sterben.
3.  Erfährt ihr bester Freund etwas davon, wird er sterben.
4.  Erfährt sonst jemand davon, wird dieser Jemand sterben.
5.  Erfährt die Polizei etwas von Ihren Lektionen, werden Sie sterben, und das ganz langsam und grausam.
6.  Leben Sie Ihr Leben weiter so unauffällig wie möglich. Niemand darf etwas mitbekommen von den Aufgaben, die Sie bewältigen müssen. Achten Sie sehr darauf, es ist besser für Sie und noch viel besser für Ihre Liebsten. Also schauen Sie sich etwa mit Herrn Thomas Baumgartlinger wie versprochen das Fußball-Spiel auf der Video-Wall an und unternehmen Sie mit Frau Sarah Ambros die letzten Vorbereitungen für Ihren großen Tag.
7.  Sie haben bei jeder Lektion die Wahl abzulehnen. Die Schlampe würde jedoch sterben.
8.  Scheitern Sie bei einer Lektion, stirbt sie ebenfalls.
9.  Werden Sie von der Polizei geschnappt, das gleiche Ergebnis.
10.                  Nach jeder gescheiterten Lektion wird übrigens die Polizei stets Hinweise erhalten, die Sie mit dem Tod der Schlampe in Verbindung bringen werden.
11.                  Ihnen bleibt nur eine Wahl: sie nicht im Stich zu lassen oder diese Briefe ignorieren und Ihr Leben eiskalt weiterleben – Sie entscheiden ganz alleine!
12.                  Sollten Sie sich entschließen Ihren Egotrip weiterzuleben, verbrennen Sie alle Briefe und vergessen Sie je von mir gehört zu haben.
 
Denken Sie in Ruhe über die Verantwortung nach, die diese Zeilen für Sie nach sich ziehen. Büßen sie für Ihre Fehler oder laufen Sie lieber wieder einfach davon weg?
 
Ich hoffe Sie merken sich diese zwölf simplen und doch so wichtigen Regeln, jeder Verstoß zieht große Konsequenzen nach sich.
 
Wenn Sie noch einmal einen Blick in das Schließfach werfen, sehen Sie ein kleines Päckchen. Öffnen Sie es, darin finden sich weitere Instruktionen über die nächsten Schritte und vor allem über Ihre erste Lektion.
 
Also, lassen wir das Spiel beginnen…
 
Bin gespannt, wie Sie sich entscheiden werden.
 
Eros

 
Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten. Wie ein übertrieben schlechter und geschmackloser Witz lag dieses Stück Papier in meinen Händen, enthielt viele Drohungen und verwirrende Zeilen, bei denen es viel zu oft um das Sterben ging. Was sollte das alles? Von welchen Lektionen war da zu lesen? Für was musste ich büßen? Wenn es den Abend vor zwei Jahren betraf, hatte ich da eigentlich schon mehr als genug dafür gebüßt. Es hätte beinahe mein Leben total zerstört, damals lag alles vor mir in Millionen Scherben. Nein, es musste etwas anderes sein. Welche Rolle spielte Julia dabei? Ich versuchte logisch nachzudenken, die Zeilen sacken zu lassen, jedoch hatte mich der Bann des Bösen schon in jenen Minuten mit Haut und Haar gänzlich verschlungen. Woher wusste dieser Eros vom geplanten Fußballabend mit Tom und von unserer Hochzeit? Wurde ich beobachtet? Vielleicht gerade auch in diesem Augenblick? Ich drehte mich blitzschnell im Kreis, was mich fast umstürzen ließ. Schwindelig registrierte ich nur, dass ich nichts auch nur im Geringsten Verdächtiges entdecken konnte, kein Kamerateam der ‚Versteckten Kamera‘ oder etwas anderes, was alles auf harmlose Weise aufklären würde. Die ältere Frau mit dem Filzhut verließ neben mir gerade die Filiale und schwelgte scheinbar gerade in Gedanken von baldigem Reichtum, so abwesend wirkte sie. Das Paket! Was war nur darin? Mit zitternden Händen tastete ich wieder im Fach herum, bis ich den Karton spürte. Ich zog ihn langsam heraus, entfernte das Garn, mit dem das Paket zusammengehalten wurde und enthüllte den Inhalt. In meinen Händen lagen jetzt neben den zwei Schriftstücken nun auch ein älteres Nokia-Handy, daneben eine SIM-Karte und ein weiteres, jedoch kleineres Kuvert ohne Versiegelung. Ich schluckte kräftig und entschloss mich in meinen Wagen zu setzen, um dort die nächsten Zeilen von Eros zu begutachten. Ich legte die gelesenen Briefe und das Handy auf den Beifahrersitz und widmete mich dem Zettel, welchen ich aus seiner Verpackung gefischt hatte. Auf den ersten Blick sah ich, dass auch dieser Brief dieselbe verschnörkelte Schrift aufwies.
 
Herr Mraz,
 
vor Ihnen liegt ein Wertkartenhandy samt SIM-Karte, welche Sie nach Lesen der Zeilen augenblicklich einlegen werden und das Telefon starten.
 
Merken Sie sich: Sie führen keine Anrufe von dieser Nummer aus. Ich werde mich bei Ihnen melden, wenn es an der Zeit ist. Versuchen Sie nie mich zurückzurufen. Warten Sie auch nicht auf einen Anruf von mir, der kommt ohnehin in den Momenten, wenn Sie rein gar nicht damit rechnen. Achten Sie immer, dass das Handy aufgeladen ist und keiner etwas von diesem Gerät bemerkt.
Sie erinnern sich doch noch an die Regeln, die ich Ihnen so unmissverständlich mitgeteilt habe…denken Sie stets daran, während Sie es verwenden…es ist besser für Sie.
 
In Bälde werden Sie Ihre erste Lektion erfahren.
Ich gebe Ihnen einen Tipp:
Sie wird Ihre tiefsten Urängste erschüttern.
 
Achten Sie sorgfältig auf das Handy, es wird noch sehr lebensnotwendig für Sie werden und nicht nur für Sie, sollten Sie sich entschließen, an diesem Spiel teilzunehmen.
 
Sie hören von mir.
 
Eros

 
Mit offenem Mund saß ich da und Angstschweiß breitete sich auf meiner Stirn aus. Ich blickte zwischen Brief und dem Handy auf dem Beifahrersitz hin und her, wusste dass mir nichts übrig bleiben würde, als dieses verdammte Gerät zu aktivieren. Oder gab es eine andere Möglichkeit? Ihnen bleibt nur eine Wahl: sie nicht im Stich zu lassen oder diese Briefe ignorieren und Ihr Leben eiskalt weiterleben. Sie entscheiden ganz alleine! Ja, das war meine Wahl, doch ich wusste nicht, ob ich so einfach tun konnte, als ob nichts geschehen war und meinen Alltag weiterleben. Besser gesagt, stellte ich mir viel mehr die Frage, ob ich das überhaupt wollte. Denken Sie in Ruhe über die Verantwortung nach, die diese Zeilen für Sie nach sich ziehen. Büßen sie für Ihre Fehler oder laufen Sie lieber wieder einfach davon weg? Was hatte dieser Eros, wer auch immer das war, damit gemeint? Welche Fehler meinte er bloß? Hatte es doch etwas mit Evelyn und…, nein, das konnte es nicht sein. Meine Augen füllten sich fast unmerklich mit kleinen Tränen, der glasige Blick ließ alles um mich kurz verschwimmen, den Brief in meiner Hand, das Innere meines Wagens und ich hätte mich nur zu gern an einen anderen Ort gewünscht wie zurück an den idyllischen Laudachsee oder ins kuschelige Bett mitsamt schöner rothaariger Frau neben sich, jedoch schüttelte ich jegliche Rührseligkeiten schnell wieder ab und konnte klar und deutlich die Zeilen Eros‘ vor mir sehen. Nein, ich war nun mal jetzt in dieser Zwickmühle, warum auch immer und musste schauen, dass ich da wieder herauskam. Außerdem konnte ich vor allem Julia nicht im Stich lassen. Ich hatte Angst, große Angst, doch mir war bewusst, dass ich lieber nicht gegen die Regeln des Versenders dieser Briefe verstoße und etwa die Polizei informiere. Was sollte ich denen auch sagen? Dass sich nach Jahren kurz nach ihrenm Verschwinden meiner Ex-Freundin bei mir gemeldet hat und sie von einem Unbekannten gefangen gehalten wird, bis ich einige Lektionen hinter mich gebracht habe. Das hörte sich sogar für mich total irrwitzig an. Leider hatte ich die Beweisstücke bei mir, welche die Existenz dieses Entführers gnadenlos untermauerten. Fast hätte ich laut zu lachen begonnen, wäre es nicht eine so ernste Angelegenheit gewesen. Ich kam mir vor wie in einem schlechten Thriller, wo ein unschuldiger Mann plötzlich die ganze Welt vor einem irren Psychopathen zu retten hatte. Insgeheim hoffte ich noch immer, dass alles ein großer Irrtum war oder ein dummer Streich. Vielleicht steckte gar Tom dahinter, auch wenn das nicht seine Art war. Aber was hätte er dann mit Julias Verschwinden zu tun? Nein, er konnte es nicht sein. Ich hatte es hier mit einem ernstzunehmenden Gegner zu tun, der wirklich dieses Spiel mit mir durchziehen wollte, mich vermutlich länger schon beschattet hat, wusste, wo ich arbeitete, wen ich liebte, was ich in meiner Freizeit unternahm. Das tat unwahrscheinlich weh, legte alle meine Schwächen schonungslos wie auf dem Präsentierteller für alle offen hin. Ich fühlte mich verletzlicher als je zuvor in meinem Leben, trotz mancher schwerer Stunden und Tage. Alle Versuche meine Nerven unter Kontrolle zu halten, scheiterten kläglich. Am ganzen Körper zitternd saß ich in meinem Wagen und musste mich in Zaum halten nicht zu weinen zu beginnen. Ich kam mir vor wie ein Verrückter. Wie konnte es nur sein, dass ein so schöner Tag wie dieser so plötzlich zu einer Farce voller Irrsinn verkommen konnte. Er war einfach zu vollkommen gewesen, da war es klar, dass irgendetwas kommen musste, welches diese Harmonie in seinen Grundfesten erschüttern würde. Einige Minuten strichen wie im Schneckentempo an mir vorbei, in denen ich nur so dasaß und mit einem starren Blick ins Leere durch die Windschutzscheibe das Postamt fokussierte. Und plötzlich regte sich ein kleiner Hoffnungsschimmer in mir. Das Schließfach...es musste auf jemanden angemeldet worden sein! Der Gedanke ließ mich aufgeregt aus dem Sitz schnellen. Warum war ich nicht gleich darauf gekommen? Wenn ich den richtigen Namen dieses ‚Eros’ erst einmal hätte, dann…ja, was dann geschehen würde, wusste ich zwar noch überhaupt nicht, aber diese auf mich wartenden zwei Worte waren so etwas wie der rettende Strohhalm, an dem ich mich einfach klammern musste, bevor ich vom Sog des Wahnsinns richtig gefangen werden konnte. Ohne die Fahrertür zu schließen, nahm ich voller Adrenalin in mir zwei Schritte auf einmal und stand in Sekundenschnelle wieder vor dem Tresen. Nur der ältere der beiden Angestellten war im Verkaufsraum. Der Filialleiter sah mich wegen meines sicher sehr aufgewühlt wirkenden Auftretens fragend an. „Kann ich noch etwas für Sie tun? Haben Sie das richtige Postfach gefunden?“ musterte mich Herr Kronberger von oben bis unten, dachte sich sicher seinen Teil über diese komische Kundschaft. Aber er konnte ja nicht verstehen, welchen Inhalt ich in diesem verfluchten Fach gefunden hatte. „Ja,ja, ich habe nur eine Frage…welcher Person gehört es?“ Der Postbeamte wirkte nun selbst immer verwirrter. „Ja, gehört es denn nicht Ihnen?“ „Dann hätte ich wohl nicht danach gefragt, oder?“ kam meine unüberlegte schroffe Antwort, die mir kaum ausgesprochen schon leid tat. Mein Gegenüber konnte ja nichts dafür, dass ich seit ein paar Stunden etwas durch den Wind war. „Und, woher haben Sie dann den Schlüssel dafür, wenn ich fragen darf?“ kam es ihm selben Ton zurück. Scheinbar hatte ich mit meiner Meldung den Filialleiter herausgefordert. Was sollte ich drauf sagen? Die Wahrheit wohl kaum. „Äh…ich habe es nicht so gemeint…ein Bekannter hat mich gebeten, hier etwas abzuholen…es ist so eine Schnitzeljagd…nun wollte ich wissen, wer der Gehilfe meines Kumpels ist…“ Das war wohl eine selten blöde Erklärung für mein Anliegen und auch Herr Kronberger wirkte nicht wirklich überzeugt. Er betrachtete mich einige Sekunden ohne Antwort, verzog dann sein Gesicht zu einem fast nicht erkennbaren Lächeln und meinte nur: „Schnitzeljagden habe ich als Kind immer gern gehabt. Sie sind dafür schon etwas zu alt, oder? Aber na gut, dann schauen wir mal in der Liste nach.“ Der Beamte bückte sich hinter seinen Tresen und kam gleich darauf mit einem gelben Heftordner in seiner Hand wieder zu Vorschein. Er fing an durch die Seiten zu blättern und zeigte zur eigenen Bestätigung auf die Liste vor ihm. „So, da haben wir sie ja! Welche Postfachnummer hatten Sie noch mal…die Nummer 12, glaube ich, oder?“ „Richtig!“ schoss es mir ungeduldig über meine Lippen. Gleich habe ich dich! In wenigen Augenblicken würde ich wissen, wer hinter dem Eros steckte. Vielleicht war ja doch alles nur ein riesengroßer schlechter Scherz. „Das Postfach ist seit Anfang des Jahres für einen Herrn Christopher Mraz reserviert. Hilft Ihnen das weiter?“ Stolz wie Sherlock Holmes bei der Aufklärung eines Falles sah mich Herr Kronberger an und erwartete von mir eine positive Reaktion, doch ich stand nur da und spürte, wie alle Farbe aus meinem Gesicht wich. „Was ist los mit Ihnen? Sie wirken nicht ganz gesund.“ Der Postbeamte beugte sich besorgt über den Tresen und beäugte mich eindringlich. Was hatte das zu bedeuten? Wie konnte dieses Postfach auf mich registriert sein? „Kennen Sie diesen Herrn Mraz? Ich hoffe ich konnte Ihnen bei ihrer Schnitzeljagd weiterhelfen, damit Sie am Ende gewinnen. Sie sollten sich danach etwas entspannen, ehrlich gesagt sehen Sie gar nicht gut aus.“ Und ob ich diesen Herrn Mraz kannte. Was war hier los? Welches Spiel wurde hier mit mir gespielt? „Ja…ja, ich bin Christopher Mraz“, kamen die Worte zögernd aus meinem Mund. Erneut betrachtete mich der Filialleiter irritiert. „Und warum wissen Sie nichts mehr davon, dass das eh ihr Fach ist? Das verstehe ich jetzt nicht.“ Nein, ich auch nicht, wollte ich ihm fast antworten. „Wie kann man bei euch ein Postfach mieten?“ fragte ich ihn stattdessen. „Naja, weder in unserer Filiale oder sonst übers Internet. Man muss uns nur online alle wichtigen persönlichen Daten zukommen lassen, außerdem benötigen wir einen gültigen Lichtbildausweis und das war’s auch dann schon. Eigentlich nichts dabei. Normalerweise sind ja die Postfächer für unsere Firmenkunden reserviert, aber es kommt immer wieder vor, dass ein paar davon noch nicht benützt werden und da dürfen die Privatkunden ran. Aber Sie müssten das eigentlich noch von Ihrer Registrierung wissen, oder?“ Herr Kronberger wurde immer misstrauischer und zog seine Augenbrauen hoch hinauf, während er gespannt auf meine Stellungsnahme wartete. „Ich muss Ihnen leider sagen, dass ich nie Kunde bei Ihnen war, ich hatte nie ein Postfach bei Ihnen. Wie kann es sein, dass jemand unter meinen Namen eines mietet?“ Fassungslos streckte ich beide Arme in die Höhe, fast schon vorwurfsvoll blickte ich den Mann auf der anderen Seite des Tresens an. „Und Sie sagen, Sie haben nicht dieses Konto vor mir eröffnet? Wie lautet denn Ihre Adresse?“ „Wie, meine Adresse...bin hier in Vorchdorf wohnhaft, Linzer Straße 26b...“ Ich wusste zunächst nicht, warum mich Herr Kronberger das fragte. Da reichte er mir einen Zettel hinüber, den er aus seinem Ordner rausgesucht hatte. Die ersten Zeilen genügten mir, um erneut sprachlos zu werden. Unter der fettgedruckten Überschrift ‚Registrierung Privatkunde Postfach‘ stand nicht nur mein Name, sondern auch mein Geburtsdatum und meine Wohnadresse. Als ich einen Absatz weiter nach unten blickte, sah ich auch meine alte Handynummer und meine GMX-E-Mail-Adresse vor mir, welche ich nur noch sporadisch nutzte. Das konnte doch nicht wahr sein! Welches Spiel wurde hier wirklich mit mir gespielt? „Das sind doch Ihre Daten, oder?“ hakte mein Gegenüber nach. „Ja! Aber ich kann es mir nicht erklären. Bei so einer Registrierung bekommt man doch normalerweise eine Bestätigungsmail an die angegebene Adresse geschickt, oder? Ich habe jedoch nie ähnliches in meiner Mailbox gesehen.“ versuchte ich ihm meine Unwissenheit zu erklären. Es gab nur eine Möglichkeit, warum ich nie ein Mail von der Post bekommen habe. Sie wurde vorher schon aus meinem Posteingang gelöscht. Das hieß jedoch, dass dieser Eros auch mein Passwort zum Einloggen kannte. Leichtsinnigerweise benützte ich schon seit meiner Schulzeit dasselbe, missachtete alle Sicherheitsbedenken. Egal wo, ob in der Arbeit, bei Facebook, Szene 1 und all den anderen Seiten im Internet, immer gab ich dieses eine Wort ein. Ich wusste selbst nicht, warum ich nie ein anderes gewählt hatte. Wahrscheinlich war es die Gewohnheit, die ich genoss und der Wunschtraum, den ich damit verfolgte. So hatten mich diese sechs Buchstaben die vielen Jahre ständig begleitet. Afrika. Der Kontinent hatte mich schon seit der Hauptschulzeit in ihren Bann gezogen, mich faszinierte alles, die Kulturen dort genauso wie das wilde und vielfältige Tierreich und die einzigartigen Landschaften, wo sich zum Beispiel der Gletscher des Kilimandscharo von der heißen Savanne aus betrachten lässt oder plötzlich in der Wüste die prachtvollste Oase auf ihre Besucher wartet. Ich besaß einige Bildbände in meinem Bücherregal sowie ein paar DVDs der schönsten Fleckchen. Afrika. Es wäre mein Lieblingsdestination für die Hochzeitsreise gewesen, am Diani Beach an der Südküste Kenias die traumhaft schönen Sandstrände und das türkisblaue Meer genießen und während einer mehrtägigen Safari die Wunder der Tierwelt entdecken. Sarah will mich jedoch mit einer selbst gebuchten Reise überraschen. Zuerst war ich gar nicht dafür und kämpfte sehr für meinen langjährigen Wunsch, einmal einen Fuß auf diesen Erdteil zu setzen, doch in der Liebe gab man leider doch manchmal nach und vielleicht will mir mein Schatz gar mit einem Kenia- oder Südafrika-Trip eine große Freude machen. Im Augenblick hatte ich ohnehin andere Sorgen. Dass ich mich über dieses Wort eines Tages einmal ärgern würde, hätte ich mir nicht gedacht. Nie wäre ich auch den Gedanken gekommen, dass solche Daten für jemanden interessant sein würden. Warum hätte ich mir auch Sorgen machen sollen? Ich hatte keine Geheimnisse auf meinem Mailaccount, bekam zum Großteil nur Werbungen von den diversen Onlineshops und Newsletter von einigen Webseiten und Foren, wo ich mich im Laufe der Jahre registriert hatte. Nein, da hatte ich echt nichts zu verbergen. Afrika. Der Gedanke war fast zu komisch um wahr zu sein. „Ja, das ist eigentlich schon der übliche Vorgang, so ein Mail wird automatisch bei jeder Registrierung auf der Webseite zugesendet. Dann muss man, soweit ich weiß, dieses bestätigen und dann fehlt nur noch beim nächstes Besuch hier in der Filiale die zugewiesene Kundennummer sowie der Vorweis eines gültigen Ausweises und anschließend wird der Schlüssel ausgehändigt. Was ich an Hand ihrer Anmeldungsformulare feststellen kann, ist, dass eine Kopie Ihres Führerscheins per Mail an unsere Zentrale gesandt wurde. Wer den Schlüssel dann bei uns abgeholt hat, kann ich leider nicht sagen. Das müssten ja eigentlich Sie selbst getan haben. Ich verstehe aber noch nicht ganz, warum Sie davon nichts wissen? Wer würde über Ihren Namen ein Postfach mieten?“ Mieten! Das hieß, es musste bezahlt werden! Sofort fragte ich Herrn Kronberger, wie das Fach bezahlt worden war. Vielleicht konnte ich jetzt auf die Spur dieses geheimnisvollen Fremden kommen. „Puh, warten Sie mal...“ Der Filialleiter nahm den Telefonhörer zur Hand und betätigte eine Kurzwahltaste. Mit argwöhnischem Blick in meine Richtung erklärte er seinem Kollegen von der Zentrale sein Anliegen. Er machte sich auf einem Stück Papier eine kleine Notiz, welche ich von meinem Standpunkt leider nicht lesen konnte, nach dreimaligem Nicken bedankte er sich für die Auskunft und legte wieder auf. „Die monatlichen Tarife von je neun Euro wurden bislang pünktlich vom angegebenen Konto als Dauerauftrag überwiesen. Das ist die Kontonummer, die bei der Registrierung angegeben wurde.“ Er legte mir den Zettel mit seiner Notiz hin. Auch wenn ich normalerweise keine gute Erinnerungsgabe hatte und bei Zahlen meistens meine Konzentration nachließ, diese Nummer kam mir beängstigend bekannt vor. Zaghaft nahm ich meine schwarze Ledergeldtasche aus der Hosentasche und zog meine Bankomatkarte heraus. Ich legte sie direkt unter dem weißen Stück Papier hin und ein kurzer Blick genügte, um meinen Verdacht zu bestätigen. Die Gebühr für dieses verdammte Postfach wurde von meinem eigenen Konto abgezogen und war unter meinem Namen angemeldet. Ohne es bewusst mitzubekommen packte ich die Karte wieder in die Geldtasche und verstaute diese an ihrem angestammten Platz in meiner Jeans. Wie kann das sein?“ dachte ich laut. Diese kleinen Beträge waren mir bislang nie aufgefallen, davon abgesehen, dass ich aus Faulheit nur drei, vier Mal im Jahr meine Kontoauszüge in der Sparkassenfiliale nebenan ausdrucken lasse. Meistens tätigte ich nur Online-Überweisungen, hatte wie jeder seine üblichen Zahlungen wie Miete, Strom, Handyrechnung, und die verschiedenen Versicherungen zu begleichen. Bei all den Ausgaben und Abbuchungen waren mir diese neun Euro im Monat einfach entgangen.Wie konnte man nur so verdammt blöd sein? Nun hatte es mir endgültig die Sprache verschlagen. Mit der leisen Gewissheit bereits die Antwort zu wissen, beugte ich mich wieder zu Herrn Kronberger und stellte meine letzte Frage: „Ist Ihnen heute jemand aufgefallen, der bei diesem Postfach war? Auf dem Inhalt ist kein Poststempel zu sehen, darum muss er reingelegt worden sein.“ Wie erwartet, schüttelte der Mann seinen Kopf. Von seinem Platz aus konnte man den Bereich der Postfächer kaum sehen, da wäre es echt ein verdammtes Glück gewesen, wenn er etwas beobachtet hätte. Müde bedankte ich mich für seine Hilfe, drehte mich um und verließ das Postamt. Ich konnte die Stimme des Filialleiters hinter mir hören, wie er mich nach meinem Wohlbefinden und dem Ziel dieser Schnitzeljagd fragte, doch das drang kaum mehr zu mir durch. Wie benebelt trat ich auf den Asphalt hinaus, die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel herab, aber auch das bekam ich nicht mit. Schritt um Schritt wankte ich wie ferngesteuert zu meinem Wagen und setzte mich hinein. Wie ging es jetzt weiter? Eigentlich war ich jetzt genauso weit wie zuvor, als ich an der gleichen Stelle die Briefe gelesen und mich jede einzelne Zeile davon verwirrt und zugleich verängstigt hatten. Mein abwesender Blick streifte den Beifahrersitz und ließ mich erstarren. Die Briefe waren weg, alles, auch die Verpackung und das Handy. Wie konnte das sein? Sofort suchte ich den Boden des Wagens ab, doch auch unter dem Sitz war nichts zu entdecken. Hatte ich das Auto vor der Rückkehr ins Postamt zugesperrt? War es vorhin offen gewesen? Ich versuchte mich zu konzentrieren, jedoch versagte jede Logik und Erinnerung. Stattdessen riss mich das Läuten eines Handys aus meinen wirren Gedanken. Es kam nicht aus meiner anderen Hosentasche, wo ich meines normalerweise verstaut hatte und spielte einen dieser Standard-Klingeltöne. Es bedeutete nichts Gutes, das spürte ich. Ich lauschte angespannt, dann konnte ich orten, von wo die nervigen Töne herstammten. Mit langsamen Bewegungen, als ob ich mich einer hochexplosiven Bombe nähern würde, öffnete ich das Handschuhfach. Darin lag das Nokia-Handy aus dem Paket demonstrativ und verhöhnend neben meinem Führerschein, den ich stets dort lagerte. So musste es ein Leichtes gewesen sein ihn für eine schnelle Kopie kurz zu entwenden. Wie konnte ich wirklich so naiv und gutgläubig sein? Das Tuten hörte und hörte nicht auf. Das Handy war während meiner Diskussion mit Herrn Kronberger eingeschaltet worden. Dieser Irre war in meinem Wagen gewesen. Er beobachtete mich die ganze Zeit. Das Geräusch des Handys verstummte, um jedoch sofort wieder zu beginnen. Fassungslos sah ich erneut ins Freie um etwas zu entdecken, doch rein gar nichts wies auf einen geheimen Verfolger hin. Ich drehte mich wieder zum Handschuhfach und nahm zögernd das unentwegt läutende Gerät heraus. Auf dem Display las ich nur drei Worte, aber die genügten, um mich kurz nach Luft schnappen zu lassen: „Eros ruft an“.
 
„Guten Tag Herr Mraz! Es freut mich, dass Sie meinem Ratschlag nachgekommen sind. Ich habe die Briefe wieder an mich genommen, wäre doch irgendwie unangenehm, wenn sie in falsche Hände geraten würden. Sie wissen wahrscheinlich schon, dass das Postfach, aus dem Sie dieses Handy haben, auf Ihren Namen angemeldet ist. Ich wollte Ihnen demonstrieren, zu was ich in der Lage bin. Hätte Ihnen ja auch das Paket einfach vor Ihre Haustüre legen können, aber wir wollen ja nicht, dass Ihre Sarah was mitbekommt. Das würde nicht so schön für Sie werden. Herr Mraz, ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch, ein Perfektionist sozusagen. Ich überlege mir alle meine Schritte, so können beispielsweise auch nachforschen, auf welche Person das Handy, welches Sie gerade in den Händen halten, registriert wurde. Sie dürfen drei Mal raten…richtig: auf Sie! Was halten Sie davon?“ Die eisige blecherne Stimme ließ die Welt um mich gefrieren. Jedes verzerrte Wort garantierte mir endgültig, dass es sich hier wirklich um keinen harmlosen Scherz handelte. Ich war, aus welchen Gründen auch immer, in einen ganz geschmacklosen Albtraum geraten. „Wer sind Sie? Was wollen Sie eigentlich von mir?“ Trotziger und zittriger als gewollt ließ ich ihm meine Ängste spüren. „Wer ich bin, wollen Sie wissen? Ich sage es Ihnen. Ich würde mich als Richter bezeichnen. Sie haben in der Vergangenheit einiges falsch gemacht, schlimme Dinge begangen, und für diese Schatten müssen Sie nun gerade stehen. Herr Mraz, Sie haben Menschen egoistisch im Stich gelassen und dieses unentschuldbare Verhalten hat Folgen nach sich gezogen in einem Ausmaß, welches Sie sich nicht einmal vorstellen können. Sie müssen wissen, ich weiß alles über Sie. Ich sage nur Afrika. Ehrlich gesagt, sind Sie sehr leicht zu durchschauen…“ „Was wollen Sie von mir?“ Es war ein Fehler den Unbekannten zu unterbrechen, aber diese Stimme ließ mich einfach durchdrehen. Mir wurde warm und kalt auf einmal, meine Hände waren voller Schweiß, mein Mund fühlte sich staubtrocken an. „Merken Sie sich, Herr Mraz, unterbrechen Sie mich nicht, da werde ich leicht gereizt. Was ich von Ihnen will, wollen Sie wissen? Ich will, dass Sie lernen. Es gibt Lektionen, die ich für Sie vorbereitet habe, Aufgaben, die Sie an Ihre Grenzen führen wird, aber es liegt ja in Ihrer Hand, wie Sie weitermachen. Also frage ich Sie jetzt und das nur einziges Mal: Werden Sie die  Verantwortung übernehmen oder wollen Sie alles vergessen und weiterleben wie zuvor? Sagen Sie mir nun Ihre Entscheidung. Die Schlampe ist sicher auch schon neugierig, wie Ihr Antwort lautet.“ Was soll ich tun? Ich saß in meinem Wagen und stand vor der wohl schwierigsten Wahl meines Lebens, das fühlte ich in jeder Pore meines Körpers. Das hier war definitiv purer Ernst, die knallharte Realität. Ich wusste zwar immer noch nicht, warum ich Teil dieses Spiels war und von welchen Fehlern dieser Eros sprach, aber eines war mir klar: es gab kaum mehr ein Zurück. Erstens würde ich für immer ein schlechtes Gewissen haben, weil ich Julia im Stich gelassen hätte und zweitens wollte ich meine Sarah für diesem Irren schützen. Mir blieb nur ein Ausweg, wenn ich ehrlich zu mir war. „Herr Mraz, ich warte…“ erklang die ungeduldige Roboterstimme aus dem Handy. „Ja!“ lautete meine Antwort. Ich hatte Sie vor Angst einfach so aus mir rausgeschrien. „Wie kann ich das verstehen?“ wurde ich sogleich gefragt. Ich schloss kurz die Augen und stellte ihm dann eine Gegenfrage. „Wie lautet diese erste verdammte Lektion?“  

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Der Beitrag wurde von Harald Haider auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.03.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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