Erich Born

Pedro & Lukas

die zwei wurden immer wieder zusammen gesehen. es schien, als ob sie an manchen tagen wirklich nichts zu tun hatten. eigentlich hatten sie niemals irgendwas zu tun. ihr katamaran, der träge am anker lag und genauso hiess war deutlich beeindruckender als die beiden.

wenn man sein schiff schon anker nennt, zeugt das schon von einem ziemlich merkwürdigen sinn von humor. ein anker ist schliesslich vor allem dafür da, auf dem grund des meeres zu liegen. diese logik charakerisierte das was die beiden verband; jedoch ziemlich gut: eine merkwürdige weltanschauung, die manchmal fatal, aber nie fatalistisch war.

man sah sie morgens in der morgensonne café trinken und irgendwann standen sie auf und gingen los. sie murmelten was von ´el dia de la arte y de la cultura´ was so viel heisst wie: der tag der kunst und kultur und dann fand man sie wenig später vorne an der pier, wo die touris herumstressten.

einige gemälde waren schnell an die poller gelehnt, ein koffer beinhaltete die ausrüstung. neben farben und pinsel fand sich da auch auch ein in die tage gekommener laptop und eine digitalkamera. wer es eilig hatte (und touristen haben prinziopiell nie zeit! sie sind da schlimmer wie rentner, studenten und arbeitslose...) dessen bild wurde in abwesenheit vom monitor abgemalt. die hintergründe konnte man sich dann aussuchen. new york, rio, tokio oder auch die aktuelle strandpromenade, allerdings bei strahlendem wetter: touristen sind schon ein komisches volk, aber die nachfrage bestimmt den markt.

worauf Pedro und Lukas aus waren wusste keiner zu sagen. an manchen tagen hingen sie stundenlang herum, schienen ihr malbusiness nicht sehr enst zu nehmen und sich lieber mit den touristinnen zu vergnügen. anderentags wurde akribisch gemalt; der perfektionistische anspruch war deutlich spürbar. mancher der gerne ein bild haben wollte wurde harsch abgewiesen. Das nannten sie dann: dia de estudios y del desarollo: tag des studierens und der weiterentwicklung.

wenn der reiche ami das georderte bild dann plötzlich nicht kaufen wollte weil es ihm zu teuer war bekam er es am ende eines hartnäckigen, zeitaufwendigen gefeilsches plötzlich geschenkt; zur strafe gewissermassen für arrogantes verhalten. auf das er sich doch noch ein wenig schlecht fühle.

besonders lieb waren ihnen die deutschen. sie waren mit abstand die ernsthaftesten touristen. sie haben genug jahresurlaub und waren daher ziemlich häufig. sie waren in der lage, jeden noch so perfekten zustand, sei es ein sonnenuntergang, ein essen oder einen segeltrip damit zu toppen, das es damals auf Sri Lanka, oder Fidji noch ein hauch besser gewesen war. dabei wusste man nicht, ob es ihnen um das eigentliche toppen ging oder vielmehr darum die vergangenen reiseziele unters volk zu bringen. besonders Lukas reagierte bei so etwas geradezu allergisch. wenn sie anfingen: ’ja, wir sind immer nur dort, wo keine Touristen sind! nur einheimische!´ antwortete er immer: ´sie meinen, sie sind dann also die einzigen touris dort?´ manchen kunden hatte er schon so zugesetzt, das Pedro beschwichtigend einschreiten musste.

manchmal kam es aber auch vor, das diese beiden abgerissenen gestalten, die sich gewissermassen in der gosse aufhielten eine herde touristen damit provozierten, sie könnten ja eine kleinen trip auf einem katamran organisieren. auf die belustigte frage was das wohl gross sein könne wies Pedro nur gelangweilt auf seine ´Anker´, die unweit vertäut lag und so stattlich und gepflegt garnicht zu den beiden passen wollte. die reaktionen reichten dann meist von erstaunen bis entsetzen. wenig später waren die utensilien verstaut und der cat warf die leinen los. wieder einmal würde ein tag völlig anders enden wie er begonnen hatte.

der reiz an derartigen touren lag für die beden darin darin, das die opfer so etwas nicht geplant hatten und vermutlich von allein überhaupt nie auf der idee gekommen wären sich auf einem katamaran einzuchecken. entsprechend unsicher waren sie. der preis wurde selten vorher ausgehandelt, denn die potentiellen charterer wollten selten überhaupt mitfahren. meist wurden sie aufgefordert das zu zahlen was ihnen die sache wert war, und das war meist ziemlich viel, denn Pedro und Lukas konnten richtige gentlemen sein.

kaum an bord wurde die garderobe gewechselt, alle anwesenden, besonders die damen wurden aufmerksam beobachtet, fragen beantwortet etc. mal eben zuhause anrufen, digitale fotos, ein paar e-mails abschicken, fast jeder wunsch wurde erfüllt. ausgestattet war sie bestens, die „Anker“.

es stellte sich schnell eine harmonische, sichere stimmung ein die auf der erkenntnis beruhte: hier waren profis am werk!

einmal waren einige canadian-ladies mitgekommen. eine von ihnen muss wohl den film ´7 days and 6 nights´ gesehen haben, in dem ja die piraten ziemlich drastisch dargestellt werden. sie fragte also wie man sich gegen piraten verteidigen wollte. Lukas meinte locker, “oh, madam, no problem“. er griff unter seinen sitz im coockpit und holte zwei 45´er magnum heraus, die er in westernmanier durch die gegend schwenkte. die gesellschaft zuckte erschreckt zusammen, die lady war aber keineswegs beruhigt: ´do you think that will be enough?´ ´of course not´ sagte Pedro und klappte nun seinerseits seine bank hoch: eine anzahl stattlicher panzerfäuste schlummerte dort. diesmal verstummte die lady. die szene aus dem film, in dem sich die piraten samt ihrem gesamten boot selbst in die luft jagten rückte in greifbare nähe.

die beiden packten das spielzeug wieder weg und Pedro meinte gelangweilt, anyway, there are no pirates around here, so please don´t worry.´

natürlich hätte man dieses business ausbauen können. zuerst einmal ein auftragsbuch, in dem wochen im voraus schon termine eingetragen wurden, man hätte personal anheuern und wie bei einigen konkurrenten selbst für einen aussenborder extra geld nehmen können. man hätte die kojen vollgeknallt und die ohnehin schon gestressten touris gnadenlos durch ein sightseeing-programm gepeitscht. vielleicht hätte man in einigen jahren einen zweiten cat gekauft, ihn „Pflasterstein“’ getauft und noch mehr personal angeheuert, aber wer wollte das eigentlich? Pedro sprach immer von der free-charter. die meisten dachten natürlich erst einmal an umsonst, aber das war nicht gemeint. free hiess ohne randbedingungen, weder wie lange weder wohin unterlag irgendwelchen restriktionen. erst wenn die ´Anker´ wieder in den hafen einlief konnte man überlegen welcher kurs, welches ziel und welche personen als nächstes mitfahren durften. das ganze war kein business, es war lediglich die randerscheinung einer selbstgewählten lebensform, abwechslung im alltag.

bisweilen veranstalteten sie auch ´spontane fiestas´. sie animierten einige mädels zum tanzen mit ein wenig musik, wenn das ganze lief war ruckzuck die tonanlage aus dem katamaran geladen. musik wirkt in lateinamerika wunder. im nu war eine beach- oder harbour-party im gange. Pedro und Lukas verkauften geränke, bier, es wurde gegrillt und bei kurzem überlegen wurde klar, das das ganze keineswegs sehr spontan war. es musste nur spontan wirken damit es funktionierte. die beiden hatten einiges investiert. sie hatten den ort lange beobachtet und dann wieder einen gewinnträchtigen treffer gelandet. wenn sich die am späten morgen erwachenden partygänger bedanken wollten war die ´Anker´ meist nicht mehr vor anker.

irgenwelche forderungen des pueblos oder des hafenmeisters liefen ins leere.

während Pedro tagsüber brillierte, weil er der zeichner war, hielt Lukas mehr die touris bei laune oder er fütterte neue opfer an. das bild änderte sich abends:

in den verschiedenen hafenspelunken gab es einige klaviere die Lukas alle persönlich kannte: er nannte sie immer ´mhwanakashi´, was soviel wie ´frau´ in einem afrikanischen dialekt bedeutet. zu jeder von ihnen (selbstverständlich sind solch sinnlichen instrumente immer weiblich) bestand eine eigene beziehung.

manche mochten lieber blues, andere lieber boogie, die edelsten ware die jazz-liebhaberinnen. bei denen musste jedenfalls die stimmung genau stimmen sonst war es eigentlich unerträglich, zumindest für lukas und dann auch schnell mit der stimmung dahin.

nun konnte er nichts eigentlich wirklich spielen (am ehesten vielleicht noch einen c-dur-blues). er war eben ein fuddler, wie er sich selbst nannte. das kam daher, das er irgendwann seinen klavieranschlag eingebüsst hatte, als er sich zu lange mit elektronischen instrumenten befasst hatte. er war sich bewusst, das dies ein grosser fehler war. anstatt sich von der technik begeistern zu lassen hätte er lieber an seiner technik feilen sollen. und anstelle diesem dilemma nachzuheulen hätter er sich lieber aufraffen sollen das versäumte (oder -saute) wieder glattzubügeln. aber er setzte sich da nie richtig dran. er mogelte sich eher so durch, mit seinen drei tonarten, die er leidlich beherrschte. daher hatte er auch immer eine gewisse angst vor jam-sessions. die war allerdings unbegründet, denn die meisten musiker in seinem umfeld waren nicht gerade um klassen besser wenn überhaupt.

seine musik lebte von seiner improvisation und die wiederum kam aus seiner inneren gefühlswelt, fernab von jeglicher musiktheorie. so ewas enstand einfach und war weder reproduzierbar noch planbar. das machte alles ziemlich schwierig.
Lukas graute es immer vor dem: ´spiel doch noch mal...´. selbst wenn er eine bandaufzeichnung gehabt hätte hätte er es nicht nachspielen können. in seinen stücken nahm die improvisation den grössten raum ein, wobei irgendein klassiker das harmonische grundgerüst bildete. die improvisationen waren auch aus allen musikbereichen entliehen, dabei hatte er eigentlich vor nichts respekt. noten hatten keinerlei bedeutung in seinem leben. er notierte bestenfalls komplizierte harmoniefolgen, gerüste für die improvisation in form unveständlicher kritzeleien.

sein spiel wurde auch von seinen ´damen´ geprägt, wie er die pianos immer nannte. er begrüsste sie immer höflich, meist respektvoll. ging es aber ans spiel artikulierte er sich bisweilen ziemlich drastisch. das ächzen und stöhnen eines Keith Jarrett war ja wenigstens neutral, Lukas flüche und beschimpfungen hingegen aus aller herren länder entliehen war nur solange lustig, wie kein zugehöriger landsmann anwesend war. auch hier hatte es schon einige eklats und kneipenverweise gegeben.

Pedro hatte einmal gefragt, warum er seine mädels immer so zur sau mache. die antwort war, wer würde sich eigentlich immer nur über sich selber ärgern, wenn etwas nicht gelang und die beschimpfungen dienten der eigenen motivation. die mädels konnten ja nichts dafür das ein dilletant am werke war. Perdo konnte dies nicht wirklich nachvollziehen; es war einfach so.

da sie alle schwächen hatten, die black and brown ladys, hier war das fis kaputt, da blieb das ges hängen, ein pedal klemmte, ein anderes macht das tierische geräusch eines sterbenden ferkels, eine weiteres pedal lag depressiv am boden und liess allen angeschlagenen tönen die freiheit bis in die unendlichkeit auszuschwingen.

lukas nahm sie alle, ´wer kann einer frau schon nein sagen, wenn sie Dich ruft?´ kommentierte er wie immer treffend. meist stand er mitten im gespräch auf, liess sein bier stehen, murmelte da hat mich jemand gerufen und setzte sich ans klavier. wenn er gut drauf war merkte er nicht einmal ob der wirt die musik ausgemacht hatte. er spielte einfach los und befand sich in einer anderen welt, die er nur noch undeutlich wahrnahm. er konnte sich jedoch nur so fallen lassen, weil er wusste, das Pedro in der nähe war.

er improvisierte also um die schwächen der jeweiligen ´dame´ herum und versucht einfach, ´das beste draus zu machen´. vermutlich lagen auf diesem gebiet seine grossen qualitäten als künstler: mit den unzulänglichkeiten leben, aus ihnen kapital schlagen. ein ungeahntes potential an effekten lag in defekten instrumenten brach.

die wirte warens zufrieden, denn alle die anderen künstler hatten naserümpfend das weite gesucht, nachem sie die ´damen´ besichtigt hatten. daher beherrschte Lukas gewissermassen eine marktlücke: auf kaputten klavieren spielen.

er trug immer eine pechschwarze brille, ohne die er nicht spielen konnte. ein wenig wie miles davis oder helge schneider. licht irritierte ihn. andrerseits hatte er in die brille kleine spiegel eingeklebt, damit er während er spieles sehen konnte was sich in seinem rücken abspielte.

er wusste nacher immer wieder bemerkenswerte details aus dem publikum, was passiert war während er spielte. das ganze rührte aus dem trauma her, das es ihm prinzipiell egal wäre wie er sterbe, aber beim klavierspiel von hinten erschossen zu werden sei nicht akzeptabel. vermutlich war das lediglich ein gravierender minderwertigkeitskomplex. spielte er irgendwo zum ersten male, wo ihn keiner kannte spielt er immer den blinden pianisten. keine ahnung wozu. er wusste es selber nicht.

Lukas war hochsensibel: trank er zu wenig traute er sich nicht zu spielen, trank er zu viel spielte er nur noch mist. Pedro kannte ihn da sehr gut und wusste die sache zu steuern, ´Du solltest jetzt lieber anfangen, am besten mit scott joplin, noch ein bier und Du bekommst es nicht mehr hin. die stimmung erscheint mir gut dafür.’ wenn Du es nicht jetzt gleich spielst..., später vermauerst Du es wieder, wie damals bei... na Du weisst schon´.

ja natürlich, Lukas wusste es noch, wie konnte er es jemals vergessen. es stellte gewissermassen den 11. september seiner pianistischen laufbahn dar. Pedro hatte eine riesenhafte spontane promotion gemacht, seinem natürlichen schauspielerischen talent folgend, welches er nie so gut gepflegt hatte, das er professionell wirkte.
versprechungen hatte er da gemacht, die er, Lukas, selbst mit nüchternem Kopf und bestgewartetem Instrument kaum hätte halten können. die paar bier zur überwindung des lampenfiebers beeinträchtigten die performance bereits zu beginn erheblich, das publikum murrte. Pedro fuhr jedoch weiter die gleiche masche nach dem motto: wird schon werden. es wurde leider nicht...

ein weiterer fehler war, das Pedro vor beginn mit dem hut rumgegangen war, viele leute in ihrer bombenstimmung auch gleich im voraus bezahlt hatten. es war halt mal wieder echt ´show-time´ gewesen, wie Pedro in der begeisterung immer wieder auszurufen pflegte.

als Lukas mit einem male mitten im stück aufhörte zu spielen, weil er sich verimprovisiert hatte und keinen ausweg mehr sah, theatralisch und endgülig den klavierdeckel zuknallte und sich im selben moment klar wurde, das die diskrepanz zwischen anspruch und wirklichkeit die schmerzgrenze überschritten hatte -eine rechenschaft, die er sich immer wieder persönlich ablegen musste- kam es zum eklat: die ersten leute wollten ihr geld zurück.

während Pedro noch ratlos in den ledernen hut starrte, der nicht schlecht gefüllt war und sich fragte wie er diesen garantiefall beherrschen sollte hatte er eine eingebung: “hier ist Euer geld“ rief er theatralisch in die menge und schüttete den inhalt des hutes hinterher.

dieses manöver war ebenso geistesgegenwärtig wie wirkungsvoll, zumindest für P&L. Sie konnten sich aus der affäre ziehen. pech jedoch für den wirt und die kneipe, eine handfeste schlägerei entbrannte die den gesamten laden ordentlich in mitleidenschaft zog. der auszug von P&L hatte gewisse ähnlichkeiten mit szenen aus dem blues-brother-film. im hintergrund entwickelte sich das chaos, nur Lukas meinte lakonisch: ´war ich gut?´ darauf Pedro: ´klar mann, einige hat es geradezu umgehauen.´

über die vergangenheit der zwei gab es nur gerüchte. sie waren eines tages aufgetaucht und würden wahrscheinlich genauso plötzlich wieder verschwinden. seltsam war nur, das einer mit der ´Anker´ kam und der andere mit einem alten Jeep vorfuhr, in dem er offenbar mehrere Dinge transportierte, die vor oder nach einer grösseren fahrt notwendig waren, ersatzteile, neueste elektronik. denoch trafen sie auf die minute genau zeitgleich ein. die art wie sie ohne viele worte zusammenarbeiteten, das festmachen, die materialübernahme liess erkennen, das es sich hier um ein eingespieltes team handelte.

sie sprachen irgend eine europäische sprache, ihr spanisch war verständlich aber ungeschliffen, mit den touristen gab es nie verständigungsprobleme.

was die leute sich so aus den kargen kneipengesprächen zusammenreimten war etwa folgendes:

Pedro war entweder chirurg gewesen oder schiffsingenieur, er hatte die nase voll von europa, hatte aber komischerweise eine menge ahnung von anlagenbau, schiffstechnik und alternativen energiekonzepten.

Lukas hängte man bisweilen mehrer kinder an, einen ehering trug er ohnehin immer. fragte man ihn danach meinte er jedesmal, er sein verheiratet mit... und dann deutete er auf das nächste klavier und meinte: mit der da oder oft auch einfach nur: mhwanakashi (s.o.).

beruflich war er vermutlich auch ingenieur, fahrzeugbau, chemie anlagenbau, keiner konnte es sagen. vielleicht aber auch physiker, denn der themenkreis astrophysik bewirkte immer das er sich plötzlich in die koversation einmischte und von Albert Einstein sprach er immer nur als “my friend Al“.

ihr verhalten war irgendwie nie berechenbar. einmal hatten sie wieder stundenlang am tresen gesessen, eher wenig gesprochen, als plötzlich Don Rigoberto hereinkam. er besass eine ziemlich grosse finka im hinterland auf der er alles möglich anbaute, kaffee, kakao, mais, bohnen, zitrusfrüchte dazu hühner und rinder. aber irgendwie kam er nicht so richtig auf einen grünen zweig.

an jenem abend goss er sich ein bier nach dem anderen rein und klagte über die trockenheit und das unzuverlässige personal. einige stammkunden und gute freunde hörten zu, gaben gute ratschläge etc. mit einem male horchten Pedro & Lukas auf. sie blickten sich wieder mit jenem blick an, den man öfter bei ihnen beobachten konnte.

innerhalb weniger millisekunden hatten sie sich vermutlich telepatisch abgesprochen. sie standen fast synchron auf und traten zu der gruppe: “Señores, los podemos invitar a una cervecita, mi amigo Pedro y yo, Lukas?“ der gebrauch dieser verkleinerungsform ´cervecita´ zeigte die gute sensibilität von lukas für die gepflogenheiten des landes. und pedro fügte mit leicht italienischem akzent, aber ebenso sensibel dazu: “qeremos escuchar de sus problemas, tal vez les podemos servir un poquito.“

eigentlich hätte man ´ayudar´ gesagt, ´helfen´. aber wer lässt sich schon gerne helfen. Pedro verwadte hier das viel weniger intensive ´servir´, was eigentlich mehr dienen, dienlich sein, behilflich sein heisst. das ´poquito´ brachte das ganze auf das niveau eine kleinen gefallens, nicht der rede wert. kein wunder das die beiden schnell integriert in die gruppe und das gespräch waren.

pedro führte die unterhaltung sauber an allen technischen details entlang die auch nur nebensächlich mit der sache zu tun hatten, nachbarn, dörfliche infrastruktur struktur, nächste schule etc. Lukas hatte plötzlich einen minicomputer hervorgezogen auf dessen monitor er mit einem stift alle details aufnahm. ab und zu stellte er gezielte fragen, z.B. wieviel wasser eine kuh pro tag trinke und wieviele kühe es seien.

Rigoberto brauchte eine ganze weile bis er merkte, das er sich mitten in einer technischen problemanalyse befand und er verfluchte sich das er so viel bier getrunken hatte. Manche übertreibung musste er nun wieder nivelieren. nach etwa 2 h bedankte man sich und verabschiedete sich. man werde voneinander hören.

die gruppe war überrascht, wollte jetzt gerne etwas verbindliches hören. man fragte mit wem man es zu tun habe, firmenmässig aber lukas tippte unter dem türsturz stehend nur an die stirn und meinte: somos los ingeniero I&Q: inspiration y qualidad. Damit waren sie verschwunden. ´Quienes fueron ellos?´ fragte Rigoberto einigermassen ratlos in die runde. keiner wusste es zu sagen. ´al diablo con ellos, de me una cerveca y un tequila.´ beruhigte sich Rigoberto.

an jenem abend sah man auf der backbordseite der ´Anker´ noch lange licht brennen. hier befand sich das technische büro, die computeranlage, internet, satellitentelefon, eigentlich alles, was man nicht brauchte, aber was das leben lebenswert und einfach machte. die zwei machten sich ein grobes bild, was man machen könne, teilten es in verschiedene teilbereich die mit einem terminplan versehen wurden. es war ein echtes baukastensystem, alles was kombinierbar und funktionierte eigenständig, konnte aber erweitert werden. nichts behinderte bei einem misserfolg einen anderen teil des projektes.

es war wirklich nur sehr grob, eher ein geordnetes brainstoring, aber man wusste ja auch nicht ob er überhaupt gewünscht wurde.

so gingen sie einige tage später wieder in die kneipe und fragten nach der finca von rigoberto. sie liessen ausrichten man werde ihn in den nächsten tagen besuchen um ihm ein konzept vorzustellen. die mündlichen nachrichten in solchen ländern sind in der regel schneller wie jede e-mail und so war es kein wunder, das am folgenden sonntag niemand überrascht war, sondern vielmehr eine reich gedeckte tafel auf die beiden zwielichtig wirkenden ausländer wartete.

nachdem diverse familienmitglieder begrüsst waren, kinder auf den arm genommen etc. wurde gegessen.

nach dem ´cafecito´ machte man erst einmal einen rundgang. das zentrum der finka lag inmitten eines talkessels, ihre ränder liefen weit darüber hinaus. das anwesen, welches man mit der strasse auf halber höhe des berges zuerst erreichte lag auf eine art klippe. von hier aus hatte man einen überblick über den schönsten teil: la joya wie man es nannte, das ´Juwel´. es handelte sich hierbei um den tiefsten punkt, der auch in der trockenzeit immer grün ist. hier befindet sich auch der brunnen. es gibt flächen saftigen, grünen schilfgrases, ein bach läuft mittendurch, der nur unweit aus eine quelle entspringt.

hier wachsen die vielen orangenbäume, mandarinen, limonen, bitterorangen, die man für manche rezepte brauchte, grapefruits etc. an den hängen stehen einige avocadobäume, weiter oben wachsen kaffee und kakao. das ganze ist ein kleines paradies.

der rundgang dauerte mehrere stunden, aber die beiden ingenieure bekamen einen guten überblick. bisweilen diskutierten sich einige details abseits stehend in einer fremden sprache. man hütete sich sie zu unterbrechen. scheinbar waren ihre vorplanungen doch etwas an der sache vorbeigegangen, aber es war nicht das erste mal das sie jemanden solch einen ‚gefallen’ machten. sie hatten immer schnell alternative konzepte zur hand.

das gute an don rigoberto war, das er geld und arbeiter hatte. da machte die arbeit spass. es wurde eine eigenständige solar-stromversorgung geplant und das wasser für den sommer in einem see gespeichert. solarzellen, kabelverlegung, ein generator sowie eine kleine batteriestation. alles in allem ein kleines genau an die bedürfnisse angepasstes konzept.

als sie sich nach einigen wochen wieder aufmachten stand das projekt kurz vor seinem abschluss.

wieder hatten sie einen neuen knoten in das netz geknüpft, welches sich mittlerweile über viele länder erstreckte. freunde hatte man gewonnen und sollte man eines tages zurückkommen war man einer herzlichen begrüssung sicher.

für die beiden hatte es sich vielleicht noch mehr gelohnt als für Don Rigoberto.

als ihr cat einige tage später in den sonnenuntergang segelte waren zwei nachdenkliche und zufriedene menschen an bord. sie hatten ihr wissen eingesetzt, welches ihnen geschenkt wurde, weil sie auf der richtigen seite der welt geboren wurden. auf der pier winkte ihnen eine ebenso grosse wie nachdenkliche menge nach. multikulti hatte wieder einmal funktioniert. die welt war ein kleines stück weiter gekommen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.03.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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