Helga Schmiedel

Der Große und der Kleine

- 1. Reisebericht Spanien -
 
Es gibt einen kleinen Jungen mit Namen Moritz. Er wohnt mit seinen Eltern in Berlin. Da ich an ihn denke, schreibt man das Jahr 2012, und Moritz zählt gerade mal fünf Jahre. Aber für mich ist er schon jetzt ein „Großer“. Vier Zeichnungen von Moritz habe ich geschenkt bekommen. Und sie haben mich fasziniert. Auf einem Bild steht ein Rehkietz, auf einem anderen ist ein Vogel im Flug zu sehen. Die Bewegung ist richtig zu erkennen. Aber das Erstaunliche ist, dass Moritz links oben seine Zeichnung beginnt, und ohne auch nur einmal abzusetzen die Konturen bis zum Schluss durchzieht. Die Betonung und das Besondere ist, dass er während des Malens nicht absetzt, also dass das Bild in einem Zug entsteht. Die Bewegung des Fliegens legt er mit hinein. In einem Guss lässt Moritz so sein Werk entstehen. Nur das Auge eines Tieres setzt er nachträglich ein. Voller Bewunderung für den Fünfjährigen betrachte ich seine Bilder.
 
Und nun bin ich zu Besuch in Spanien. Malaga ist mein Ziel. Und hier das Picasso-Museum. Meine Schrift kommt nicht so schnell zu Papier, wie ich meine Entdeckung, meine Begeisterung wiedergeben möchte. Da wird im Museum ein Video von Pablo Picasso gezeigt. Spitzbübisch lächelt uns der berühmte Maler entgegen. Und er zeigt auf einer Glasplatte, wie er zeichnet. Er setzt links oben an und vollendet sein Bild – ohne auch nur einmal abzusetzen. So entsteht vor unseren Augen seine Friedenstaube. Ich denke an Moritz aus Berlin. Beide, der Große und der Kleine, bedienen sich der gleichen Methode! Ich bin total begeistert. Und Picasso blinzelt mir hinter der Glasscheibe zu. Welch ein Erlebnis!
 
Einen ganzen Tag haben wir uns für Malaga Zeit genommen. Zu meiner Ferien-Begleitung gehört meine Tochter Sylvia. Wir stehen vor dem Geburtshaus von Picasso, der hier am 25. Oktober 1881 geboren wurde. Sehen die grünen Fensterläden, hinter denen er seinen ersten Schrei von sich gab. Ein Stück weiter steht an einem kleineren Haus auf einer Tafel: „Hier ging der berühmte Maler, Graphiker und Bildhauer in den Kindergarten“. Der kleine Junge Moritz aus Berlin geht auch noch in den Kindergarten und wird wohl nächstes Jahr in die Schule kommen. Hoffentlich hat die Lehrerin dann Verständnis für seinen Mal-Stil! Während Moritz bereits jetzt seine kleinen Werke signiert, begann Picasso 1901 seine Arbeiten mit seinem Namenszug zu versehen.
 
Wir gehen durch das Museum und betrachten jedes einzelne Werk. Der große Meister galt als  einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Und für viele ist Picasso das größte Genie dieser Zeit. Für andere ist er ein begabter Charlatan gewesen. Jedoch wie kein anderer hat er die Kunst des 20. Jahrhunderts beeinflusst und auch dominiert. Er wird wie kein anderer mit dem Begriff der modernen Kunst assoziiert. Da Picasso im Alter von 91 Jahren am 8. April 1973 in Mougins nördlich von Cannes in Frankreich stirbt, hat er seine Geburtsstadt nie wieder besucht. Er verließ Malaga 1896 seit dem Besuch der Kunstschule in Barcelona.
 
In diesem wunderbaren Museum in Malaga gibt es einen großzügig angelegten Garten, in dem man sich ausruhen und die Eindrücke der Kunst Picassos verarbeiten kann. Wie die „blaue Periode“ mit den schwermütigen Figurenbildern oder die „rosa Periode“ mit den Zirkusmotiven. Meine Tochter Sylvia hat fürsorglich Äpfel mitgenommen. Zu Trinken kann man sich hier im Museum kaufen. Wir sitzen besinnlich in der Sonne, und plötzlich landet ein Vogel vor unserer Bank. Wie kann es anders sein – eine Taube, direkt ein Picasso Gruß für uns.
 
Wenn man über die dichtbewachsene Hecke aus dem Garten schaut, sieht man eine quirlige und elegante Stadt sowie die Renaissance-Kathedrale. Malaga ist ja auch die Provinzhauptstadt Andalusiens mit eigenem Hafen, mit riesigen weißen Apartmentblöcken und Bürohäusern. In der Umgebung werden Zitrusfrüchte, Feigen, Weintrauben und Baumwolle angebaut. Es ist Frühling. Die Sonnenstrahlen flimmern. Brütend warm ist es in der Stadt. Drei Jahre solle nicht geregnet haben. Wem es zu heiß wird, der kann hier direkt ins Meer springen. Malaga hat nämlich Stadtstrände!
 
Ich bin mir ganz sicher, dass einmal zur rechten Zeit der kleine Künstler Moritz seinen Weg zum ganz Großen finden wird – und sicher auch nach Malaga, das jetzt unser Herz gefangen hält.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.06.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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