Helmut Wurm

Sokrates und Wirkung seiner Schule-Gespräche als Buch

Sokrates hatte früher einmal den discipulus Socratis gebeten, seine Gespräche, Begegnungen und Überlegungen zum deutschen Schulwesen zu notieren und in einem Buch zu sammeln. Man könnte seine Gespräche und Gedanken in dieser Form der Öffentlichkeit vorlegen und so könnte er bei deren Lektüre noch einmal und in breiterem Rahmen wirken. Deshalb sollte der discipulus möglichst bei seinen Wanderungen durch das deutsche Schulsystem dabei sein bzw. werde er ihm jeweils anschließend von seinen Begegnungen und Gesprächen berichten. Der discipulus erfüllte Sokrates diese Bitte gern, er war möglichst oft unauffällig im Hintergrund bei dessen Gesprächen und Begegnungen dabei und notierte das Wesentliche.

Eine umfangreiche Zusammenstellung ist mittlerweile daraus geworden. Nun legt er diese Zusammenstellung Sokrates vor und dieser überfliegt die Protokolle und Notizen.

Sokrates:  Es ist gut, discipulus, dass du sorgfältig mit notiert hast. Daraus ist eine breite und vielfältige Zusammenstellung von Themen geworden, die das deutsche Schulwesen betreffen und zu denen ich kritisch und unbequem meine Meinung gesagt und nachgedacht habe. Diese kritischen Berichte zum derzeitigen deutschen Schulwesen sind gewissermaßen eine abgerundete Themensammlung. Natürlich wird man immer noch etwas finden, zu dem ich etwas sagen könnte, aber irgendwann sollte man diesen Themenblock abschließen und wirken lassen.

Discipulus Socratis: Bei dieser Zusammenstellung handelt es sich in der Tat um einen weitgehend abgerundeten Themenblock. Man kann für alle Bereiche des Schulwesens etwas finden. Nur eine Frage bewegt mich schon die ganze Zeit: Wer wird das alles lesen?      

Sokrates: Als ich damals in Athen von einem inneren Zwang getrieben durch Athen ging und die Menschen in Gespräche verwickelte, mit denen ich sie zum kritischen Nachdenken bringen wollte, da galt ich für die meisten Athener als dummer Schwätzer. Ohne meine bekannte soldatische Tapferkeit hätte man mich nur ausgelacht. Niemand, am wenigsten ich selber, hat damals gedacht, dass meine Gespräche (über Plato) die abendländische Philosophie begründen und (über Aristoteles) die abendländische Wissenschaft dazu. Ich wundere mich manchmal selber immer noch darüber.

Discipulus Socratis: Deine damaligen kritischen Gespräche haben eine Denk-Lawine in Bewegung gesetzt, von der die Menschheit bis heute profitiert. Aber du hattest damals als Multiplikatoren Plato und Aristoteles. Aber wen hast du heute als Multiplikatoren? Ich bin nur ein kleiner Chronist.

Sokrates: Heutzutage habe ich als Multiplikatoren z.B. deine Aufzeichnungen von meinen  Wanderungen durch das deutsche Schulwesen, zu den Wandervögeln, zu den Politikern… Wenn man deine Aufzeichnungen dazu liest, denke ich, dass ich über sie wirken könnte…

Discipulus Socratis: Dazu müssten diese Aufzeichnungen aber auch gelesen werden, in breitem Umfang gelesen werden. Und damit komme ich wieder auf meine Frage von vorhin zurück: Wer wird das alles lesen? Die meisten Lehrer und im Schulwesen Tätigen werden sie nicht lesen.

Und zwar einmal, weil sie sie nicht lesen wollen, denn wer schaut schon gerne in einen Spiegel, wenn er zu den Pension- und Ferienaspiranten, zu den Lehrer-Bequemlingen und Berufswahl-Opportunisten gehört? Und zum anderen sind, wie die Geschichte und Soziologie immer wieder zeigen, überzeugte Utopisten, Systemgläubige und Naiv-Hoffende in der Regel völlig kritikresistent. Für sie gilt nur die Devise: „Ich glaube, also bin ich - ich lasse mir meine Hoffnungen und Ideale nicht verunsichern oder sogar zerstören". Wer wird also diese Zusammenstellung lesen?

Sokrates: Ich hatte damals auch kritikresistente Gegner. Einmal die Sophisten, die natürlich keinen Spiegel vorgehalten bekommen wollten. Und zum anderen die religiösen Traditionalisten, für die ich bezüglich des Götterglaubens zu indifferent war. Die haben mich ja vor das Gericht gebracht mit dem Vorwurf, ich würde die Jugend durch kritisches Denken verderben. Und trotzdem habe ich nicht umsonst geredet, das kritische Denken hat sich nicht verbieten lassen.

Discipulus Socratis: Das war tatsächlich so und du hast nicht umsonst geredet. Aber nochmals zurück zu meiner Frage: Wer wird diese Zusammenstellung lesen? Wie kann sie als Multiplikator wirken?

Die im Schulwesen derzeit führend Verantwortlichen in den Schulämtern und Ministerien werden sagen: Wir brauchen die Kritik des Sokrates nicht, denn wir tun doch schon so viel für eine Verbesserung des Schulwesens… Wir scheuen keine finanziellen Belastungen, wir treiben Strukturreformen voran, wir verbessern die Rahmenbedingungen, die Betreuung der Schüler in den Schulen, die Lehrerausbildung wird praxisnäher… Sie werden dir damit den Wind aus den Segeln nehmen wollen und dich höflich in eine Ecke stellen.

Sokrates: Diese Verantwortlichen in den Ministerien und Schulämtern und ich, wir reden aneinander vorbei. Ihnen geht es um Strukturänderungen, andere Rahmenbedingungen... Mir geht es um die Menschen vor Ort in den Schulen. Diese Verantwortlichen gleichen den Generälen und Offizieren, mir geht es um die Soldaten an der Front. Ein Generalstab kann noch so modern und hoffnungsvoll planen, wenn die Soldaten vorne in der Kampflinie nur mittelmäßig oder sogar schlecht sind, nützt die ganze gute Planung nichts. Ich habe mich immer mir den Menschen befasst und nicht mit Theorien und Strukturen. Und das ist auch im heutigen Schulwesen weiterhin notwendig.    

Die Generalstäbler in den Ministerien und Schulämtern mögen planen und versprechen, so viel sie wollen, das Bildungsergebnis wird im Erfolg trotzdem immer nur mäßig bleiben, solange nicht bei den Lehrern vor Ort folgende Schwächen bzw. Missstände beseitigt sind (ich möchte nur einige nennen):

- Dass es Lehrer gibt, die hauptsächlich wegen der beruflich-finanziellen Absicherung und wegen der vielen Ferien den Lehrberuf wählen. Solche Lehrer zeigen wenig Engagement.

- Dass Unterrichtszeit statt unterrichtsfreie Zeit (Nachmittage, Samstage, vor allem Ferien) für Konferenzen, Sprechtage und Fortbildungen benutzt wird. Das mindert Unterrichtszeit.

- Dass nicht bis zur Pensionierung regelmäßige Fortbildungen (z.B. alle 2 Jahre jeweils 2 Wochen in den Ferien) im Stoff des Faches und in allgemeiner Pädagogik-Didaktik-Methodik verpflichtend besucht werden müssen. Lehrer müssen auf dem neuesten Stand sein

- Dass Nebenfachlehrer nicht dieselben pädagogischen Belastungen zu schultern haben wie Hauptfachlehrer (Klassenführung, Schülerberatung, Klassenfahrten…). Das schafft Ärger innerhalb des Kollegiums und senkt das Gesamtergebnis einer Schule.  

- Dass die Bezahlung der Lehrer in den einzelnen Schuleinheiten große Unterschiede aufweist. Das mindert das Engagement bei den schlechter bezahlten Lehrergruppen.

- Dass schulische Funktionsämter hauptsächlich wegen lukrativer Gehaltszulagen locken. Schulleiter aus diesem Grund sind keine Pädagogen aus Herzenssache und keine optimalen Schulleiter.

- Dass Klassenfahrten nicht nur Unterricht in anderer Form mit vielfältigen Bildungsinhalten sind, sondern überwiegend Schultourismus. Das mindert den Transfer von Bildung.

- Dass Wandertage nicht hauptsächlich zum Wandern, für Besichtigungen und Sport benutzt werden. Das mindert ebenfalls Bildungstransfer und die Körperkräftigung.

- Dass geschickte Lehrer sich bei den Schülern durch besondere Toleranz, niedrigere Anforderungen, lockeres Verhalten usw. auf Kosten anspruchsvoller Lehrer beliebt machen und anspruchsvoller Kollegen ausspielen. Das spaltet ein Kollegium, die Schüler orientieren sich an den bequemen Lehrern und die Anspruchsvollen haben es schwerer.

- Dass Lehrerinnen zu mütterlich-besorgt auftreten und sich nicht auch konsequent durchsetzen können. Das nutzen Schüler aus, bei weiblichen Lehrkräften weniger zu lernen.

-  Dass die Lehrerschaft nicht in allem geschlossen (bezüglich Anforderungen, Benotung, Achten auf Einhaltung der Schulordnung, Unterrichtsdisziplin usw.) gegenüber den Schülern auftritt. Das schwächt die Stellung der Lehrer und erhöht Disziplinprobleme.

- Dass Schulleitungen nicht ständig über alles informiert sein möchten. Das mindert deren Führungsstärke und führt zu unsicheren oder falschen Entscheidungen.

- Dass Schulleitungen bestimmte Lehrer oder Lehrergruppen unterschiedlich behandeln. Das schafft Missgunst unter den Lehrern einer Schule.

- Dass die Schulleitungen nicht konsequent und unnachsichtig auf die Umsetzung der Lehrplanvorgaben achten. Dadurch wird das Bildungsniveau allgemein gesenkt.

- Dass in den so genannten Nebenfächern weniger Anforderungen an die Schüler gestellt werden als in den Hauptfächern. Das mindert das Bildungsniveau und die Allgemeinbildung.

-  Dass prinzipiell keine klaren Forderungen an die Schüler gestellt werden. Schüler müssen aber gefordert werden, um alle ihre geistigen und körperlichen Kräfte zu entfalten.

- Dass in den Schulen nicht genügend "erzogen" wird. Denn je weniger die Eltern erziehen, desto mehr muss das die Schule tun.  

- Dass die Lehrer in Auftreten und Verhalten keine Orientierungspersonen für die Schüler sind. Denn Lehrer sind nicht nur Stoffvermittler, sondern Orientierungs-Vorbilder für die Jugend.

- Dass…

Solche Bedingungen vor Ort entscheiden ebenso über die Qualität eines Bildungssystems wie die Rahmenbedingungen.

Discipulus Sokratis: Die Vermeidung bzw.  Abschaffung solcher negativen Bedingungen  vor Ort in den Schulen sind in der Tat Forderungen, die für ein hohes Bildungsergebnis wichtig und selbstverständlich sein sollten. Aber hier gibt es vor Ort in den Schulen mehr Abweichungen, als manche in den Schul-Verwaltungen es wahr haben wollen. Deswegen habee ich ja auf die Titelseite auch den Hinweis gesetzt: Mit dem Ziel, weniger Systemdiskussionen und mehr Aufmerksamkeit für die Schwächen vor Ort in den Schulen.

Aber ich frage immer noch: Wer liest diese Zusammenstellung deiner Gespräche und Gedanken, wenn die Lehrer und die Verantwortlichen in den Ministerien und Schulämtern als Adressaten ausscheiden?

Sokrates: Macht meine Hinweise und Gedanken zuerst einmal über das Verbreitungs-medium "Internet" zugänglich. Sendet sie weiterhin an Elternverbände, an Schulpolitiker, an die Presse, an Schülerverbände und natürlich auch an die Ministerien, Schulämter und die großen Schulen. In der Schulorganisation gibt es natürlich einsichtige Personen, die kritische Gedanken nicht nur mit freundlicher Höflichkeit beiseite schieben, sondern die über deine kritischen Gedanken auch nachdenken.  

Vermarktet mich ruhig als den "Enthüllungspädagogen Sokrates", das kommt bei den Leuten an  - und das stimmt ja auch. Ich meine mit "Enthüllungen" natürlich keine Sensations-Themen für die Klatschpresse, sondern "Enthüllungen" aufgrund kritischen Denkens und Beobachtens.

Discipulus Sokratis: Da liegt ja noch einige Arbeit vor uns. Deine Vermarktung damals in Athen haben Plato und Aristoteles erfolgreich übernommen. Mit denen können wir uns nicht messen. Aber vielleicht gelingt es über das Internet, über CDs und die Post, im Schulwesen Tätige zum Nachdenken anzuregen und deine Ansichten etwas zu verbreiten. Wir wollen hoffen.

(Es geht um das 4-bändige Werk "Sokrates, Mephisto und die Schwächen der deutschen Schule",  einsehbar auf der Webseite www,sokrates-buecherwurm.de, siehe dort unter Eigenverlag.

(Niedergeschrieben von discipulus Socratis nach der Durchsicht seiner Zusammenstellung durch Sokrates selber)

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.06.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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