Als Vorinformation für den interessierten Leser sei mitgeteilt, dass diese Konferenz normal bis leicht angespannt, wie alle Zeugniskonferenzen, begann, sich dann aber immer mehr emotional steigerte und mit einem Eklat endete – der übrigens eigentlich mehr ein Armutszeugnis für dieses Kollegium darstellt.
Der Schulleiter als Konferenzleiter eröffnet die Zeugnis- und Versetzungskonferenz der Klassen 10 der Integrierten Gesamtschule (IGS) in X-Stadt.
Der Schulleiter: Hiermit ist die Zeugnis- und Versetzungskonferenz eröffnet. Alle Lehrer, die in den Klassen 10 unterrichten, sind anwesend. Zusätzlich begrüße ich als beratenden Gast Sokrates. Er ist mit Erlaubnis und auf Wunsch der Schulaufsicht hier. Denn es liegen der Konferenz einige Vorschläge und Anträge eines neuen, jungen Klassenlehrers vor, die nach einer Diskussion hier in der Konferenz weiter an die Schulaufsicht oder besser direkt an das Ministerium geleitet werden sollen und für deren Beratung und Formulierung fachkundige Beratung gewünscht ist. Ich fürchte, dass diese Konferenz deswegen nicht schnell zu Ende gebracht werden kann. Aber wir müssen über einige dieser Fragen und auch über einigen Unmut tatsächlich einmal ausführlicher sprechen. Unser Gast Sokrates wird uns dabei zurückhaltend, aber fachkundig beraten.
Damit ist Sokrates begrüßt und seine Aufgabe umrissen. Ein befreundeter Beamter in der Schulaufsicht hat gehört, dass es bezüglich der Notengebung, Notenformulierung und der Beurteilungsvermerke auf Zeugnissen an den Schulen einige Unsicherheiten, Fragen und Vorschläge gibt, dass sich auch Unmut angesammelt hat, besonders an dieser IGS, und dass es wünschenswert ist, darüber einmal ausführlicher zu sprechen.
Verbindliche Entscheidungen kann natürlich nur das Ministerium fällen, aber gut vor-formulierte Überlegungen und Anträge können dort Entscheidungen erleichtern. Und deswegen hat der befreundete Beamte in der Schulaufsicht Sokrates gebeten, gerade an dieser IGS, einer Schulart, wo große Unterschiede aufeinander treffen, überlegend und beratend an einer Zeugnis- und Versetzungskonferenz teilzunehmen.
Der Schulleiter (fährt fort): Ich übergebe nun an den Klassenleiter der Klasse 10A. Dieser Kollege ist neu bei uns und ihm geht der Ruf eines besondern Engagements voraus. Ich freue mich, solch einen tüchtigen, engagierten jungen Lehrer bei uns zu haben. Hohes Engagement ist immer von Vorteil für eine Schule. Er wird das sicher auch in dieser Konferenz erkennen lassen. Er ist es auch, der auf Fragen aufmerksam gemacht hat, über die heute genauer gesprochen werden soll.
Der Klassenlehrer der 10A: Liebe Kollegen in der 10A, ihr wisst alle, dass in dieser Klasse ein breites Spektrum von Schülern unterschiedlicher Begabungen, Interessen, Mentalitäten, Herkunft, Berufsabsichten und Weiterbildungsplänen zusammengefasst ist. Auch unter uns Lehrern gibt es verschiedene Einstellungen zur Schulart IGS und zum Unterrichten dort. Das alles hat immer wieder zu erheblichen Dissonanzen und Problemen geführt und das wird erfahrungsgemäß auch so bleiben. Aber zumindest bezüglich der Notengebung und der Zeugnisgestaltung könnten wir versuchen, etwas Annährung zu erreichen. Das wird heute an konkreten Fällen vielleicht möglich werden.
Ich möchte mit einigen allgemeinen Fragen und Themen beginnen, wegen denen ich vermutlich von Eltern angesprochen werden könnte. Ich habe mir im Vorfeld dieser Konferenz die Notenverteilung und die Stoff-Einträge im Klassenbuch angeschaut und dabei einige Uneinheitlichkeiten zwischen den Kollegen gefunden.
1. Problem-Thema: Die vom Ministerium erstellten Stoffpläne geben zwar an, was im Jahresverlauf behandelt werden soll, aber die Kollegen haben diese Vorgaben sehr unterschiedlich erfüllt. Die einen haben den jeweiligen Lehrplan und den von uns danach aufgestellten Stoffverteilungsplan gewissenhaft abgearbeitet, andere haben sich dabei sehr frei gezeigt und die Stoffplan-Vorgaben nur teilweise abgearbeitet. Die in die Listen eingetragenen Zeugnisnoten haben also ganz unterschiedliche Stoff-Basen, die man so schwer vergleichen kann…
Ein Lehrer (unterbricht heftig): Die ministeriellen Stoffpläne und die darauf bei uns aufbauenden Stoffverteilungspläne sind nur unverbindliche Empfehlungen, nicht mehr.
Ich lasse mich nicht unter Zwang stellen, ich bin ein selbstverantwortlicher Lehrer. Ich schaue mir die Klasse am Jahresanfang an und dann entscheide ich, wie schnell ich vorgehen kann. Ich möchte ein unbeschwertes Lernen… Wenn ich dann den Stoff nicht ganz schaffe, hat das seine Gründe gehabt.
Der Klassenlehrer der 10A (zu diesem Lehrer gewandt): Es gibt aber in dieser Klasse 10A Kollegen, die den ganzen Stoffverteilungsplan durchgezogen haben. Die Beurteilungen für die Lernfähigkeit der Klasse 10A sind also recht unterschiedlich… Für mich bleibt die Frage, wie Ihre Noten ausgefallen wären, wenn Sie den Stoffplan ganz erfüllt hätten – sicher nicht so freundlich-gut wie die jetzigen von Ihnen.
Ein weiterer Lehrer: Wir Lehrer, die wir den Stoffplan nicht nur als Empfehlung, sondern als Vorgabe ansehen, werden immer durch diese Gefälligkeits-Kollegen bei den Schülern ausgespielt. Die Schulleitung müsste diese Gefälligkeits-Lehrer zwingen, den Stoffplan voll abzuarbeiten, unabhängig davon, ob die Noten dann auch so gut blieben. Die Stoffpläne der nächst-höheren Klassenstufe basieren ja auf der genauen Abarbeitung der Stoffpläne im laufenden Jahr. Man sollte eine Abarbeitungspflicht beantragen, damit alle Lehrer wissen, dass für das ganze Kollegium die gleichen Umsetzungs-Bedingungen gelten. Den Anbiederungs-Kollegen, den Gefälligkeits-Kollegen müssen endlich Grenzen gesetzt werden!
Die beiden Kollegen springen auf und wollen wütend aufeinander losgehen. Sie können nur mit Mühe getrennt werden und es dauert eine Weile, bis sie sich wieder beruhigt haben.
Sokrates: Man könnte noch einen Schritt weiter gehen. Auch die Eltern und Schüler haben ein Recht darauf zu wissen, ob die ministeriellen Stoff-Vorgaben erfüllt werden. Man sollte in jeder Klasse die von den Fachkonferenzen für jedes Fach erarbeiteten Stoffverteilungspläne aufhängen und dann müsste jedes Einzelthema nach seinem Lern-Abschluss abgehakt werden. Die Klassenelternsprecher müssten regelmäßig diese Listen nachprüfen. So bestünde ein etwas sanfter, aber nachhaltiger Druck auf alle Kollegen, sich an die Stoffpläne zu halten. Das sollte man beim Ministerium als neue Pflicht vorschlagen…
Zustimmende Rufe bei einigen Lehrern, ablehnende Äußerungen bei anderen zu diesem Vorschlag.
Der Klassenlehrer der 10A:
2. Problem-Thema: Dann habe ich weiter festgestellt, dass die gegebenen Noten eine sehr unterschiedliche Verteilung haben. Es gibt Kollegen, bei denen ist eine gute Note selten und es gibt Kollegen, bei denen ist eine schlechte Note selten. Es ist nur schwer vorstellbar, dass in derselben Klasse 10A die Schülerleistungen derart unterschiedlich sind – in einem Fach überwiegend nur die Noten 1 bis 3 und in einem anderen überwiegend nur die Noten 3 bis 5. Das kann nicht nur in einer unterschiedlichen Lehr-Geschicklichkeit der Fachlehrer begründet sein. Hier liegen offensichtlich unterschiedliche Ansprüche an die Schüler vor.
Ein Lehrer: Wenn die faulen Bengel und Dösköppe nicht lernen wollen und sich lieber mit dem PC beschäftigen, dann kriegen sie eben die Quittung!
Ein anderer Lehrer: Bei mir sind die Schüler so lieb, dass ich gar keine anderen Noten als gute geben kann. Das wäre menschlich ungerecht.
Sokrates: Die unterschiedlichen Lehrerpersönlichkeiten und Unterrichtsbegabungen werden sich auch in der Schüler-Mitarbeit wiederspiegeln. Gleich wird Unterricht nie sein. Aber die Fachkonferenzen sollten sich absprechen, dass die Notenverteilung nicht zu weit differieren darf und der Fachkonferenzleiter sollte das im Laufe des Schuljahres auch überprüfen.
Ein Lehrer (ruft empört): Ich lasse mir von niemandem meine Noten überprüfen. Sonst trete ich aus der Fachkonferenz aus. Ich bin ein freier Lehrer und kann machen, was ich will!
Der Klassenlehrer der 10A:
3. Problem-Thema: Weiter habe ich festgestellt, dass zwischen den Fächern, besonders zwischen den Hauptfächern und Nebenfächern, sehr unterschiedliche Leistungsfeststellungen den Zeugnisnoten zugrunde gelegt werden. Während z.B. in den sprachlichen Fächern Hausaufgabenbewertungen, Vokabeltests, schriftliche Hausaufgabenkontrollen, Klassenarbeiten, Mitarbeit usw. in die Noten mit einfließen, sind es in bestimmten so genannten Nebenfächern hauptsächlich nur mündliche Mitarbeit, Referate, Haushefte, Werkstücke oder Zeichnungen, die bewertet werden. Auch das ist nicht vergleichbar. Von Bedeutung ist das deshalb, weil diese so genannten Nebenfächer auch zum Ausgleich mit herangezogen werden können.
Eine Lehrerstimme (wütend im Hintergrund): Wollen Sie Schulleiter werden oder weshalb spielen Sie sich hier so auf, Sie Korinthenkacker. Die Fächergruppen haben unterschiedliche Inhalts- und Arbeitsbedingungen und darauf müssen die Noten aufbauen. Sie wollen wohl das ganze Beurteilungssystem umkrempeln, Sie mit ihren blödsinnigen Fächer-Vergleichen!
Sokrates: Der Klassenlehrer hat in der Tendenz recht. Natürlich gibt es zwischen den Fächergruppen unterschiedliche Arbeitsbedingungen und deshalb Notengrundlagen. Aber man könnte doch eine Annäherung erreichen, wenn man von ministerieller Seite her festlegen würde, dass z.B. in jedem Nebenfach halbjährlich eine Klassenarbeit und mindestens 2 Hausaufgabenkontrollen geschrieben werden müssten, zusätzlich zu den anderen fachspezifischen Benotungsgrundlagen. Das würde die Lehrerbelastung in den Nebenfächern zwar erhöhen, aber auch ihr Ansehen und ihre Gewichtung.
Eine andere Lehrerstimme: Da unterstützt doch dieser komische Gast auch eine Belastungszunahme für uns Nebenfachlehrer? Weshalb habe ich denn eigentlich 2 Nebenfächer und keine Hauptfächer gewählt? Ich will es etwas gemütlicher haben, deswegen... Noch so ein dummer Vorschlag von diesem Kerl und ich rufe bei der Schulaufsicht an, ob der überhaupt hier dabei sein darf.
Ein Lehrer hat in der Zwischenzeit heimlich unter dem Tisch mit seinem Handy seine Frau angerufen und ihr seine Sorge vorgejammert, diese Konferenz dürfte sehr viel länger dauern als üblich, weil über jede Frage und jeden Fall sehr genau diskutiert werden solle. Sie solle mit einem Rückruf dieses Geschwätz abzukürzen versuchen. Die Frau hat daraufhin die Sekretärin angerufen und diese kommt in die Konferenz:
Die Sekretärin: Eben hat die Frau des Kollegen B… angerufen. Sie ist davon ausgegangen, dass diese Zeugniskonferenz die bisher übliche Dauer von 2 Stunden nicht überschreitet und hat deswegen für ihren Mann einen Arzttermin am Nachmittag ausmachen können. Sie fragt, ob es zeitlich bei der üblichen Dauer bleibt und ihr Mann den Arzt-Termin wahrnehmen kann.
Gelächter bei einigen Kollegen und heimliches Getuschel. Man hört, das andere auch noch zum Arzt müssten, bisher habe man vor lauter Notenstress noch keine Zeit dafür gehabt.
Der Klassenlehrer der 10A: Wir sollten diese Fragen auf eine spätere Konferenz verschieben, dann sind sie noch genau so aktuell wie heute. Wenden wir uns den konkreten Noten zu.
Ich komme zur Abstimmung über einige so genannte Kopfnoten. Da ist der Schüler Z…, der von den meisten Kollegen eine weniger gute Verhaltensweise bescheinigt bekommen hat, nämlich meistens nur ein Befriedigend, in einem Fall sogar noch etwas schlechter. Ich schlage deswegen als Sammelnote für das Zeugnis ebenfalls nur „befriedigend“ vor. Gibt es Gegenstimmen? Keine, also angenommen.
Nun kommt der Schüler Y… Der hat von den meisten Kollegen ein gutes Verhalten eingetragen bekommen, nur bei einem Lehrer eine sehr schlechte Verhaltensnote, nämlich „unzufriedenstellend“, und bei einem anderen ein befriedigendes Verhalten. Ich kann nun in diesem Fall nicht einfach als Sammelnote „befriedigendes Verhalten“ vorschlagen. Der Schüler verhält sich bei den meisten Kollegen zu deren vollster Zufriedenheit, bei einem ist er etwas abgelenkt, nur mit einem einzigen Kollegen hat er offensichtlich große menschliche Probleme. Möglicherweise fühlt er sich von diesem provoziert oder falsch verstanden. Ich möchte dem Schüler unter diesem Aspekt doch noch ein gutes Verhalten auf dem Zeugnis vermerken. Es sollte aber ein Gespräch mit dem Schüler, mir und dem Lehrer stattfinden, das vielleicht klärt und entspannt.
Der Lehrer mit der schlechten Verhaltensnote: Ich brauche kein Gespräch mit diesem Flegel. Der braust sofort auf, wird patzig und frech, behauptet, dass ich ihn nicht leiden könne, brüllt mich an, dass er sich nicht alles gefallen lassen müsse… Ich bestehe auf einer schlechteren Verhaltensnote als „gut“, so wie das bei uns in solchen Fällen meistens üblich war.
Man hört aus dem Kreis der Klassenkonferenz Stimmen wie: So frech darf doch ein Schüler nicht werden… Nur ein befriedigendes Gesamtverhalten ist bei solch einem Ausreißer-Verhalten angemessen… Weshalb denn dieses unnötige psychologische Palaver, ich möchte nach Hause…
Ein anderer Lehrer: Ich bin schon lange dafür, dass wir diese ganzen Kopfnoten abschaffen. Dadurch ersparen wir uns eine ganze Menge psychologischer Diskussionen und Abstimmungen.
Sokrates: Ich meine, dass diese so genannten Kopfnoten generell wichtig sind. Die Schüler und Eltern benötigen Rückmeldungen in diesem Bereich. Und auch die Stellen, wo der Schüler sich bewirbt, haben ein Recht darauf zu wissen, wer vor ihnen steht. Aber einfach in Zahlen, in Noten also, Verhalten zu fassen, das ist zu bequem und auch zu ungerecht. Gerade der Fall des Schülers Y… zeigt, dass hier mehr als nur eine Zahl als Beurteilungsergebnis stehen darf. Ein Satz oder einige erklärende Sätze wären da hilfreicher. Man könnte im Falle des Schülers Y… z.B. schreiben, dass er sich “weitgehend zur vollen Zufriedenheit verhält“. Daraus kann jeder entnehmen, dass er eigentlich ein ordentlicher Junge ist, aber in besonderen Situationen leider auch mal die Nerven verliert…
Der Lehrer mit der schlechten Verhaltensnote (brüllt dazwischen): Und ich bin dann der Blamierte, der sensible Schüler zu schlechtem Verhalten provoziert. Da mache ich nicht mit… Bei einer gemeinsamen einfachen Zahlen-Kopfnote bleibt jeder Lehrer angenehm anonym!
Zustimmende Rufe bei einigen Kollegen. Ein Teil der Kollegen wird immer unruhiger, schaut auf die Uhr und rückt auf den Stühlen hin und her. Eine Stimme ist hörbar:
Eine Stimme: Wenn das der Nutzen für die Schule ist, den der ach so engagierte junge neue Kollege mitbringt, dann pfeife ich auf solchen Nutzen… Dieser Nutzen kostet uns nur zusätzliche und unnötige Zeit.
Eine andere Stimme: Bisher haben wir unsere Zeugniskonferenzen nach unseren bewährten traditionellen Schablonen abgehalten und waren damit zufrieden. Jetzt geht auf einmal ein psychologisches Gequakkel los, das mich nervt…
Eine dritte Stimme: Konnte sich der junge Superlehrer nicht woanders einstellen lassen? Woanders gibt es auch noch freie Stellen. Vielleicht findet er woanders ein Kollegium, das am liebsten in der Schule wohnen würde…
Der Klassenlehrer der 10A: Also geben wir dem Schüler Y… diesmal nur eine befriedigende Verhaltensnote… Gerecht finde ich das nicht… Wir sollten auf einer der nächsten Konferenzen darüber noch einmal sprechen…
Ich habe aber noch eine Frage an den Deutschlehrer in der Klasse. Der Schüler F… hat in Deutsch nur eine befriedigende Zeugnisnote bekommen. Ich weiß aber, dass er dieses Fach sehr gerne mag. Er liest zu Hause so viel, dass die Eltern ihn manchmal mit sanfter Gewalt von den Büchern wegholen müssen. Der Schüler schreibt auch kleine Theaterstücke und Kurzgeschichte, die er im Internet im Portal www.e-stories.de veröffentlicht. Ich habe in den Notenlisten für das Fach Deutsch einmal nachgeschaut und gefunden, dass dieser Schüler in Aufsätzen und in mündlichen Leistungen gute bis sehr gute Einzelnoten hat, nur in Diktaten hat er leider schlechte.
Könnte man diesem Schüler auf das Zeugnis unter Bemerkungen schreiben, dass er ein engagierter Schüler im Fach Deutsch ist, leider aber eine Rechtschreibeschwäche hat, die ihm derzeit noch Schwierigkeiten macht?.
Im Kollegium beginnt jetzt ein erster kleiner Tumult. Es wird richtig laut, man merkt, dass die Stimmung kurz vor dem Siedepunkt ist.
Man hört einen Lehrer rufen: Hört der neue Lehrer denn nicht auf mit seinen neuen schülerfreundlichen und schülergerechten Vorschlägen, die für uns nur zusätzliche Belastungen bringen? Zurück zu den alten Benotungsschablonen, empfehle ich, sonst beschwere ich mich…
Da steht Sokrates schnell auf und bittet um Ruhe, um von dem jungen engagierten Kollegen abzulenken.
Sokrates: Was dieser junge Kollege vorschlägt, wurde an anderen Orten früher schon diskutiert. Die reinen Fachnoten als Zahlen sind keine transparenten Begründungen für das erbrachte Leistungsbild. Man müsste eigentlich in allen Fächern unter die Fachnote eine kurze Begründung schreiben, wie die Note zustande gekommen ist, wo der Schüler Stärken und Schwächen hat…
Das bedeutet zwar längere Zeugnisse, aber man hat heutzutage Zeugnisprogramme und Sprechprogramme, die das „Mit-Hand-Schreiben“ der Zeugnisse ersetzen können. Wenn man einfach die Noten und Bemerkungen dazu in ein Diktaphon spricht und der Schul-PC druckt dann das gesprochene Zeugnis aus, ist der Zeitaufwand nicht größer, dafür aber die Gerechtigkeit und Transparenz… Ich denke, darüber sollte man einmal nachdenken.
Weiter kommt Sokrates nicht. Es bricht jetzt der Aufstand der Kollegen aus. Sie rufen durcheinander:
Ein erster Kollege (verzweifelt): Jeder weiß, dass ich nicht sehr belastbar bin, ich bin schnell überfordert. Ich konnte nur als Beamter der Gesellschaft nützlich sein… Aber jetzt ist für mich die Schmerzgrenze erreicht. Ich möchte keinen Herzinfarkt durch unnötige Mehrbelastungen bekommen, ich möchte meine Pension noch genießen… Diskussionen um jeden Schüler und um Formulierungen! das schaffe ich nicht mehr... Ich melde mich jetzt einfach krank.
Er packt seine Sachen zusammen, steht auf und verlässt den Raum.
Ein zweiter Kollege: Das sollten wir eigentlich jetzt alle tun. Dieser neue junge Reformist und dieser alte pädagogische Besserwisser bringen noch das ganze Schulwesen durcheinander… Mit denen arbeite ich nicht mehr zusammen. Ich rufe jetzt die Schulbehörde an, ob dieser alte pädagogische Nachdenker wirklich hier sein darf und ob die wissen, welche Unruhe sie mit diesem jungen Schülerfreund uns ins Nest gesetzt haben!
Ein dritter Kollege: Jetzt sollen wir Lehrer uns noch mit dem modernen PC-Wesen und dem modernen PC-Schnickschnack beschäftigen. Das ist etwas für junge Leute, aber nicht für uns. Ich habe bisher immer die Zeugnisse mit Hand geschrieben und dabei bleibe ich auch. Aber mit Hand habe ich keine Zeit für umständliche Zusätze.
Der Schulleiter (greift ein): Ich übernehme jetzt besser die restliche Zeit für diese Zeugniskonferenz der 10A, und zwar nach der altbewährten Schablone. Wir müssen schneller vorankommen… Und ich kann keinen Krieg zwischen reformwilligen und traditionellen Kollegen dulden… Herr Sokrates, ich danke für Ihre Bereitschaft uns zu beraten, aber wir werden die angesprochenen Fragen vielleicht auf eine spätere Konferenz verschieben… Und Sie, Herr neuer Kollege, bewerben sich vielleicht doch an einer anderen Schule. Vielleicht finden Sie dort ein Kollegium, das wie Sie denkt und Änderungen im Zahlen-Benotungswesen wünscht…
Gibt es noch Fragen zur Klasse 10A?...
Sokrates und der junge Kollege treffen sich an der Tür. Denn beide haben den Wink des Schulleiters verstanden. Und Sokrates sagt:
Sokrates: Ich schlage vor, wir beide reichen als Privatpersonen einige Überlegungen und Anregungen zur gleicheren, gerechteren und transparenteren Notengebung beim Ministerium ein. Lassen Sie uns unsere Vorschläge in einem Nebenraum formulieren.
Und dort entwerfen die Beiden folgende Anregungen an das Ministerium:
1. Es soll darauf geachtet werden, dass die Stoffplan-Vorgaben für ein Schuljahr korrekt und vollständig in jeder Schule und in jedem Fach umgesetzt werden. Der Schulleiter hat auf diese Umsetzung zu achten.
2. Um Hauptfächer und Nebenfächer in ihren Anforderungen und ihrer Wertigkeit anzunähern, müssen auch in den Nebenfächern Klassenarbeiten-ähnliche größere Arbeiten einmal im Halbjahr und daneben auch kleinere Überprüfungen geschrieben werden. Die Häufigkeit solcher schriftlicher Überprüfungen in den Hauptfächern und Nebenfächern müssen so aufeinander abgestimmt werden, dass keine Überforderung der Schüler eintritt.
3. Es muss darauf geachtet werden, dass wirklich in allen Fächern eine größere Anzahl von unterschiedlichen Leistungsformen in die Jahreszeugnisnote/Jahresbeurteilung eingehen.
4. Die Zeugnisnoten müssen in notwendigen Fällen durch erklärende Zusätze auf den Zeugnissen transparenter gemacht werden.
5. Schüler sind keine statistischen Größen, die in Zahlen beurteilt werden, sondern junge Menschen, über die und mit denen bezüglich ihrer Leistungen regelmäßig gesprochen werden muss. Die Lehrer haben sich dafür die Zeit zu nehmen.
Unterzeichnet
Sokrates…. Der Lehrer……
(Aufgeschrieben von discipulus Socratis, dem Sokrates von dieser Zeugniskonferenz, bei der er des Raumes verwiesen wurde, berichtet hat. Er ist sehr gespannt, wie man im Ministerium auf diese Vorschläge reagieren wird, ob dort die Noten-Traditionalisten oder die Lehrer mit einem Herzen für die Schüler und für Noten-Transparenz das Sagen haben.)
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Der Beitrag wurde von Helmut Wurm auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.06.2012.
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