Jürgen Berndt-Lüders

Weshalb Adolf das Fernsehen verklagen wollte





Adolf wohnte in der Platte, in der ehemaligen DDR. Damals hatte er was zu sagen gehabt, aber heute nahm ihn niemand mehr ernst. Nicht einmal seine Frau Adele.
 
Adolf war klapperdürr. Adele hatte ihm vorgeschlagen, seine Schlüpfer entweder mit Reißzwecken an den Beckenknochen festzumachen oder Hosenträger anzuschaffen.
 
„Das sind keine Schlüpfer“, hatte Adolf geknurrt. „Weiber tragen Schlüpfer. Männer tragen Unterhosen.“ Damit hatte Adele ihn schon dreimal aufgezogen, aber Adolf hatte es nicht gemerkt.
 
Der gemeinsame Enkel Steve, den Adolf penetrant „Schteewe“ nannte, hatte Adele um ein Lied gebeten. „Ädäll“, hatte Steve gesagt. „Sing uns mal eins.“ Und weil Adolf kein Englisch konnte, hasste er alles, was von jenseits des Kanals kam.
 
„Lass mich mit den Inselaffen zufrieden“, hatte Adolf seinen Enkel angeherrscht.
 
Heute kam es noch schlimmer. Deutschland spielte gegen England, und Adolf hoffte, dass die Tommis richtig eins auf die Mütze kriegen würden.
 
„Du und dein Fußball“, sagte Adele. „Seitdem du zwei, dreimal recht behalten hast, hältst du dich für einen Experten. Guck du mal allein, ich gehe in die Küche und schaue Bella Block.“
 
Bella Block war langweilig, und weil Adele ihren Göttergatten durch die dünne Plattenbauwand toben hörte, schaltete sie auch zum Fußballspiel rüber. Nun sahen sie beide dasselber, nur dass Adele Das Erste guckte und Adolf Eins Extra. Daran merkte Adolf immer, dass er moderner war als seine Frau.
 
Der Ball lag auf dem Elfmeterpunkt. Der Stürmer lief an. Adolf biss sich vor Aufregung auf die Unterlippe. Schaffte es diese Pflaume? War der Ball drin, hatte Deutschland gewonnen. Plötzlich Adeles Torschrei...
... und jetzt erst zappelte bei Adolf der Ball im Netz.
 
Adolf sprang auf. Er rannte zu seiner Frau in die Küche. Er nannte sie eine Betrügerin, eine Schlampe und ließ noch so allerhand vom Stapel, was ich hier nicht erwähnen möchte. Adele war dies gewöhnt und legte grinsend ihre CD von „Ädäll“ ein.
 
Adolf schrieb einen Brief an die ARD. Er bezog sich auf Paragraph eins des Grundgesetzes, wonach alle Menschen gleich seien, aber seine Frau Adele sei ja wohl „gleicher“, denn sie habe den Torschuss vor ihm bejubelt und ihm damit alle Spannung genommen.
 
„Du tickst doch wohl nicht sauber“, vermutete Adele und tippte sich gegen die Stirn. „Das hat doch nichts mit dir oder mir zu tun. Hättest du in der Küche geguckt...“
 
Das war zwar auch nicht ganz korrekt, aber zumindest lag sie weniger daneben als Adolf.
 
Adolf wartete auf die Anwort der ARD. Er wanderte im Flur auf und ab, den Kopf geneigt und die Unterhose fest gehalten und überlegte, ob es wohl noch Gerechtigkeit auf der Welt gäbe.
 
Vier Wochen später, der Läufer im Flur zeigte bereits Abnutzungserscheinungen, klingelte das Telefon.
 
„Klawuttke?“, meldete sich Adolf.
 
„Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen, Rechtsabteilung Doktor Schneider. Es geht um Ihre Klageandrohung.“
 
„Ja, und?“, fragte Adolf gespannt und blieb stehen. Die Unterhose rutschte, weil Adolf sie nicht mehr festhielt, aber er merkte es nicht.
 
„Sie bekommen in den nächsten Tagen Post.“
 
„Ich will das Ergebnis hören. Wie äußern Sie sich dazu?“
 
Doktor Schneider war ein korrekter Jurist, der Adolf unter anderen Umständen sicherlich gefallen hätte. „Das steht in dem Brief; wir wollen Ihnen die Spannung nicht nehmen.“
Adolf erstarrte. Er warf den Hörer auf die Gabel und stützte sich auf dem Telefontischchen ab. Er rang nach Luft, und Adele schloss sich grinsend in der Küche ein und drehte ihre CD auf laut.

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