Kea Bast

Bin ich ein weisses Zebra mit schwarzen Streifen?

 

Also, ich habe da diesen Test im Internet gemacht. Man beantwortet zehn oder was weiss ich wieviele Fragen, drückt auf den ERGEBNISknopf und tataaaa, steht da, dass man Depressionen hat. Der erste Gedanke mit dem blinkenden Ergebnis vor Augen war, dass sich tatsächlich bereits drei Personen unabhängig voneinander dazu geäussert haben, dass ich doch mal eine Therapie machen sollte:

„Du redest immer über das Gleiche! Du bist ein Hypochonder! Du vergisst alles, was man dir erzählt! Du hast grosse Verlustängste! Du bist extrem launisch! Du hast zu hohe Erwartungen an dich und deine Mitmenschen!"

All diese Aussagen mögen ja auch stimmen – wobei sicher ein paar Positive weggelassen wurden – aber vielleicht ist das auch einfach meine Persönlichkeit? Es können nicht alle Menschen auf diesem Planeten wandelnde Regenbögen sein, oder?

Na gut, dass ich im Winter zu leicht depressivem Verhalten neige, gebe ich zu – es ist aber auch nass und kalt und eklig und dunkel und bähk. Dass ich auch während den anderen Jahreszeiten ab und zu ein Tief habe, dazu stehe ich auch. Und dass dieses Jahr bis jetzt überhaupt nicht der Bringer war und ich deswegen oft schlecht Laune hatte, auch das gebe ich zu.

Aber ich bin auch voll im Zwiespalt. Ich darf nicht meckern, dass es mir so schlecht geht, da ich selbst an dieser Misere Schuld habe. Und das macht das Ertragen auch nicht unbedingt einfacher. Es war so:

Letztes Jahr habe ich meine Stelle gekündigt, da ich meinen tyrannischen Chef einfach nicht mehr ertragen konnte. Ich bin ja hart im Nehmen, ich weine nur, wenn ich krank bin – noch so eine Tatsache für die Liste oben. Mein Chef behandelte mich aber so mies, dass ich zweimal Nesselfieber bekam, chronisch an einer Blasenentzündung litt und weinte. Ich weinte! Als ich dann zum ungefähr achten Mal während der Arbeitszeit heulend auf dem Klo sass, dachte ich, dass ich lieber arbeitslos wäre als unter diesem Tyrann ein Burn out oder sonst irgendsowas Neumodisches zu bekommen.

Tja, das war damals. Inzwischen sind vier Monate seit meinem letzten Arbeitstag vergangen und ich drehe – immerhin körperlich gesund – voll am Rad. Über fünfzig Absagen habe ich bereits erhalten. Fünfzig! Man stelle sich das mal vor!

Offensichtlich gehöre ich nicht zu den Menschen, welche eine solche Situation geniessen können. Und offensichtlich habe ich inzwischen zwar kein Burn out, aber immerhin Depressionen. Na toll. Ist ja viel besser.

Früher hätte ich meine momentane Verfassung als Tief abgetan und weitergemacht. Inzwischen habe ich aber viel Zeit und muss nirgends weitermachen. Also analysiere ich meine Verfassung und meine Vergangenheit und mein Verhalten genauestens – übrigens auch mein Aussehen, aber das ist eine andere Geschichte.

Langsam frage ich mich, ob ich immer ein Tief habe – also Depressionen, siehe Testergebnis oben – mit einigen Ausnahmen – schönes Fest, frisch verliebt, neue Schuhe gekauft – oder ob ich eine normale Verfassung habe mit einigen Tiefs. Inzwischen frage ich mich genau wie Marty (Madagascar): Bin ich ein weisses Zebra mit schwarzen Streifen oder ein schwarzes Zebra mit weissen Streifen?

All diese Grübeleien bringen mich um den Schlaf. Ich, welche bis jetzt jederzeit und überall ins Land der Träume abdriften konnte, wälze mich stundenlang im Bett. Kaum bin ich einigermassen eingenickt, erwache ich auch schon wieder, voller Hoffnung es wäre bereits Morgen. Ist es natürlich nie. Denn wenn Morgen ist und mein Wecker klingelt, dann bin ich im Tiefschlaf, schon klar. Ihr denkt jetzt vielleicht, egal, du hast ja keinen Job, schlaf doch einfach aus. Nein, so einfach ist es natürlich nicht. Der Wecker klingelt Montags bis Freitags um Punkt acht Uhr. Dann wird das weite weite Internet nach Stellen abgesucht. Dann wird in den aktuellen Zeitungen nach Stellen geschnüffelt. Dann werden Bewerbungen verfasst und verschickt und immer noch zusätzlich mindestens zwei Blindbewerbungen versendet. Dann.. Ja dann.. Keine Ahnung was dann.

Meist hänge ich dann vor dem unverschämt grossen Fernseher meines Freundes und frage mich insgeheim beschämt, ob ich denn auch so aussehe wie die Hartz4 Empfänger in Britts Talkshow – meine Zähne sehen garantiert viel besser aus! Aber somit wären wir wieder beim Thema Aussehen und das ist wie gesagt eine andere Geschichte. Die erzähle ich euch vielleicht morgen nach meinen Blindbewerbungen. Hätte ja Zeit. Aber vielleicht mache ich auch im Internet einen Test, welcher mein Sexualleben bewertet. Oder einen, welcher die optimale Diät für mich berechnet. Oder ich recherchiere mal, ob denn ein Fön in der Badewanne wirklich so schlimm ist.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Kea Bast).
Der Beitrag wurde von Kea Bast auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.07.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Kea Bast als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Mystische Dimensionen in den Märchen von Jürgen Wagner



10 bekannte und auch unbekanntere Märchen aus Europa, Afrika und Asien, die tiefste menschliche Wahrheiten berühren – dargelegt und interpretiert.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Alltag" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Kea Bast

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Wenn sie schlafen von Kea Bast (Leben mit Kindern)
Der Kampf gegen die panische Angst von Michael Reißig (Alltag)
Ängste eines jungen GI von Rainer Tiemann (Krieg & Frieden)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen