Ulrike Werner-Larsen

der verliebte Uhu

Der verliebte Uhu

Uhu Bubu wohnte am Hang einer Bergkette in einer komfortablen Höhle mit einem wunderbaren Blick über die angrenzenden Felder und Wälder.

Sonnenauf – und untergänge konnte er auch auf seinem Stammsitz, dem Ast einer knorrigen Kiefer betrachten und schmackhafte Beute gab es genug in dieser schönen Welt.
Eigentlich das ideale Leben für einen jungen Uhu, der noch ungebunden und voller Tatenkraft war.
Doch eine innere Unruhe und unerklärliche Neugierde trieb ihn, seine nächtlichen Beutezüge weiter auszudehnen, wobei er immer mehr in die Nähe eines kleinen Dörfchens kam.
Dort, fand er bald heraus, gab es neben einer alten Steinkirche, unter deren Dach ganze Familien von frechen Dohlen hausten, auch einen Friedhof.
Hier wohnte in einer Eiche ein geschwätziges Käuzchen, das ihm etwas angeberisch von dem wunderbaren Mäusevorkommen berichtete, welches es hier auf dem Friedhof und auch in der alten Kirche gäbe.
Durch ein Loch im Dach hätte es Zugang zu dieser Speisekammer gefunden.
Gemeinsam flogen sie am nächsten Abend zur Kirche und das Käuzchen zwängte sich durch ein Loch unter dem Giebel und Bubu kletterte hinterher.

Das Mondlicht erhellte den Raum spärlich, aber Eulengetier braucht ja auch kaum Licht, um die kleinen Nager zu entdecken.
Davon gab es hier in der Tat eine reichliche Anzahl, die sich in trügerischer Sicherheit wiegten und zwischen dem Gestühl hin und her wuselten.
Sogar auf dem Altar saßen sie und kicherten frech.
Das Lachen verging ihnen recht schnell und Käuzchen und Uhuh saßen bald darauf gesättigt auf der obersten Balustrade.
Da ging unten im Kirchenschiff ein Licht an und eine junge Frau betrat den Raum.
Sie ging die knarzende Treppe hinauf, den Gang entlang und setzte sich an etwas, das wie ein Brett in einem Kasten aussah.
Etwas Geknister und Gescharre und die Frau streckte die Arme aus und lies die Finger hin und her wandern. 
Plötzlich füllte ein Klang den hohen Raum, den unser Uhu noch nie in seinem Leben zuvor vernommen hatte.
Schöner als aller Vogelsang, so schein es ihm.
Und dann machte diese Menschenfrau auch noch ihren Mund auf und zwitscherte dazu.
Uhus fühlen sich ja immer etwas minderwertig, weil ihr Gesang in der Vogelwelt keinen hohen Rang hat, ja man wird sogar abschätzig als Grufti beschimpft.
Aber kein Vogel konnte so singen wie diese Menschenfrau, fand er.
Und in diesem Moment verliebte er sich.
Es war ihm natürlich gar nicht klar, was mit ihm da passierte, denn er hatte sich noch nie zuvor verliebt.
Nun saß er Nacht für Nacht in seinem Versteck und wartete und hoffte seinen zwitschernden Schwarm wiederzusehen.
Bald hatte er heraus, dass seine Angebetete jeden 2. oder 3. Abend kam und für ihn sang.
Als Dank für diese wunderbare Musik und Zeichen seiner Ehrerbietung legte er ihr heimlich in der Nacht köstliche Spitzmäuse oder fette Feldmäuse auf den Stuhl, auf den sie sich immer setzte.

Als Beweis dafür, dass er genau ihren Geschmack getroffen hatte und es ihr gut bekommen war, nahm er die Tatsache, dass sie alles restlos aufgefuttert haben musste, da nicht einmal Gewölle zurückgeblieben war, wenn er wieder Nachschub brachte.
Heute Abend hatte er sich eine besondere Überraschung ausgedacht.
Er war früher als sonst losgeflogen, hatte ein kleines Kaninchen erbeutet und nun so früh auf den Geschenktisch gelegt, dass sie es heute Nacht noch verspeisen konnte.
Er flog zu seinem Logenplatz und wartete auf seine geliebte Sängerin.

Aber dass sie sich so freuen würde und ihre Stimme zu diesem hohen Tremolo anschwellen würde, hatte er nicht erwartet.
Auch nicht, dass sie sich gleich schlafen legen würde.
Als er sie nun betrachtete, wie sie so dalag, fragte er sich, ob sie vielleicht von ihm träumen würde. 

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