Anja Röck

Leuchten in tiefdunkler Nacht

Es war ein wunderschöner Februartag. Die Sonne am tiefblauen Himmel lies den Schnee auf dem Hang glitzern. Millionen von Eiskristallen zauberten Licht- und Schattenspiele.

Ganz langsam wanderte die Sonne weiter und tauchte schließlich ins nächste Tal. Die Schneekristalle seufzten zufrieden. Sie liebten es das Sonnenlicht in die verschiedensten Farben zu teilen und um die Wette zu glänzen.
Doch seltsam, da am Baum. Nein nicht der, hinten am Bach, dort bei der Birke. Dort leuchtete noch immer etwas. Die Schneekristalle waren irritiert. "He, du da" riefen sie, "hör auf! Die Sonne ist weg. Du kannst das mit dem Leuchten nun sein lassen."
Aber es folgte keine Reaktion. Noch immer war deutlich ein kleiner Lichtpunkt auszumachen. Die Schneekristalle wisperten. Wer erdreistete sich noch zu leuchten wenn doch die Sonne nicht mehr schien? Was sollten sie nur tun? Wenn die Leuchterrei nicht bald aufhörte würde es noch diesen Menschen auffallen. Und dann würde bestimmt jemand von denen kommen, nachschauen und dabei durch den schönen frischen Schnee trampeln. Und ein paar von ihnen würden dann nicht mehr leuchten können. Das alles nur weil da irgendein Kristall meinte es müsse unbedingt auf sich aufmerksam machen.
"Jetzt hör doch" sie versuchten es mit Überredung "das bringt doch nichts. Außerdem macht es doch keinen Spaß wenn nicht alle leuchten, oder?!"
Aber es half nichts. Das Leuchten ging weiter und dabei war es in der Zwischenzeit ganz dämmrig geworden.

Ein ganz kleines Eiskristall, das am nächsten an der leuchtenden Stelle dran lag versuchte genauer rauszufinden wer oder was dieser Leuchtpunkt war. Denn irgendwas konnte doch nicht stimmen. Eiskristalle leuchteten doch nur mit der Sonne. Dass dies auch ohne die Sonne gehen sollte hatte es noch nie gehört.
"Hey du" sprach es mutig den Leuchtpunkt an. "Wer bist du und warum leuchtest du?" Höfliche Anfragen waren etwas anderes als angemeckert zu werden. Der Leuchtpunkt bewegte sich. Langsam wurden zwei Fühler, ein länglicher Körper und lange Beine sichtbar. "Huch, du bist kein Eiskristall!". "Nein, bin ich nicht" antwortete der Lichtpunkt. Denn das Leuchten hatte nicht aufgehört. Dieses Leuchten kam irgendwie vom Ende dieses Wesens. Das Eiskristall räusperte sich "Willst du uns nicht sagen wer du bist? Und vor allem warum du immer noch leuchtest?"
Ein verträumter Ausdruck war in den Augen des Wesens zu sehen "Es war wunderschön so mit euch zu leuchten. Überall war Licht und mir wurde ganz warm. Seit vielen Tagen war das das erste Mal, dass ich mich nicht allein gefühlt habe.
Ich bin ein Glühwürmchen musst du wissen und irgendwie scheine ich hier das einzigste meiner Art zu sein."
"Oooh, jetzt verstehe ich warum du auch noch leuchten kannst wenn die Sonne weg ist." Das Eiskristall war erleichtert, dass es hier doch mit rechten Dingen zuging.
"Warum bist du denn so allein? Wo sind denn die anderen deiner Art?" "Keine Ahnung" meinte das Glühwürmchen "Ich habe früher da drüben in dem Gebüsch gelebt, aber als die Menschen die Straße gebaut haben." "Ja ich verstehe" meinte das Eiskristall "letztes Jahr konnten wir noch auf einem Feld liegen. Seit dies Straße da ist haben die Eiskristalle dort keine Chance mehr zum Leuchten. Immer schon früh am Morgen kommt so ein riesiges Metallteil, das Krach macht und stinkt und matscht all die schönen Kristalle einfach zusammen und schiebt sie weg."
Das Glühwürmchen nickte "Ja das mit den Menschen ist nicht immer so ganz einfach. Sie scheinen oft nicht zu merken, dass es da noch mehr gibt. Außer ihnen, meine ich." Das Eiskristall nickte "Ich verstehe was du meinst. Aber das ist genau der Grund warum es besser wäre jetzt mit dem Leuchten aufzuhören. Verstehst du, wenn hier noch immer was leuchtet und das ohne Sonne werden sie nachschauen kommen."
Plopp - mit einem Schlag war es stockdunkel. Das Glühwürmchen hatte ganz erschreckt sein Licht ausgeknipst. "Tut mir echt leid", meinte es "daran habe ich gar nicht gedacht. Das Leuchten mit euch war wie früher mit alle meinen Verwandten und ich wollte nicht das es schon wieder aufhört."
Das Eiskristall war überrascht wie dunkel es zwischenzeitlich war "Weißt du, eigentlich ist doch jetzt auch noch gar nicht deine Zeit. Müsstest du nicht eigentlich noch Winterschlaf halten? Und könnte das nicht der Grund sein, warum es keine anderen wie dich gibt?"
"Ach du meine Güte, " das Glühwürmchen staunte "ist etwa noch Winter?" "Klar oder gibt es Schnee im Sommer?!" das Eiskristall grinste.
"Das erklärt natürlich manches", das Glühwürmchen konnte sich noch immer nicht beruhigen.
"Dann sollte ich mir aber schnell wieder ein warmes Plätzchen suchen. Ich fand es die ganze Zeit schon so kalt. Kein Wunder wenn doch noch Winter ist." Es drehte sich suchen hin und her. "Weißt du" sprach es weiter zu dem Eiskristall "deshalb wollte ich vorhin auch mit dem Leuchten nicht aufhören. Es war hell und warm. Ich hab mich richtig gut gefühlt. So mit euch allen zusammen. Nicht so allein. wie jetzt. Jetzt ist es wieder dunkel und kalt."
"Stimmt schon" meinte das Eiskristall "als du vorher dein Licht ausgemacht hast ist mir auch erst aufgefallen das alles irgendwie komisch aussieht." "Komisch? Was meinst du damit?" fragte das Glühwürmchen.
"Nun ja, irgendwie . leer, kalt." das Eiskristall geriet ins Stocken.
Schon seltsam, wenn es ein Eiskristall kalt findet, oder?!
"Es war so plötzlich dunkel, sonst kann ich mich immer langsam dran gewöhnen. Alles wirkte so fremd, fast schon, feindlich."
Das Glühwürmchen beschloss nun doch so langsam aufzubrechen um sich einen warmen Ort für den restlichen Winterschlaf zu suchen. "Seid mir bitte nicht mehr böse" es versuchte ganz vorsichtig über den Schnee zu laufen um keine Kristall zu beschädigen. "Vielen Dank das ich mit euch leuchten durfte. Das werde ich nie vergessen. Im Sommer werde ich es den anderen erzählen und ich werde an euch denken. Es ist gut zu wissen, dass es auch in der kalten Jahrzeit Licht gibt. Das wusste ich nämlich bisher nicht."
"Warte" das kleine Eiskristall musste sich anstrengen, damit das Glühwürmchen es noch hören konnte. "Mach doch bitte dein Licht noch mal an." "Warum denn das?" fragte das Glühwürmchen.
"Ich würde so gerne noch mal mit dir zusammen leuchten". Das Glühwürmchen war verwirrt "Ich bin doch aber nicht die Sonne." "Das weiß ich, aber hast du das vorher nicht bemerkt." Das Eiskristall war ganz aufgeregt "Trotzdem die Sonne schon weg war, hat dein Licht ausgereicht um ein paar Eiskristalle, die direkt um dich herum lagen mit zum Leuchten zu bringen."
"Und du meinst das geht in Ordnung?" das Glühwürmchen wollte nichts Falsches machen. "Bitte" auch die anderen Eiskristalle die diese Unterhaltung bis hierher atemlos verfolgt hatten stimmten nun zu "zünde dein Licht wieder an. Leuchte noch einmal mit uns."
Das Glühwürmchen war ganz gerührt. Ein kleiner Leuchtpunkt erschien am Ende seines Körpers und ganz langsam wurde er immer heller. Die Eiskristalle um das Glühwürmchen strengsten sich an jeden kleinen Lichtstrahl zu erwischen und weiterzugeben. Wie ein kleiner strahlender Stern sah es aus.
Langsam ging das Glühwürmchen weiter auf den Wald zu. Bei jedem Schritt gab es sein Licht an das nächste Eiskristall weiter, während die Eiskristalle hinter ihm langsam wieder verblassten.
Eine leuchtende Spur zog sich durch die Nacht, die mit einem Mal nicht mehr kalt und feindlich wirkte.
Zwei sehr unterschiedliche Wesen waren aufeinander getroffen und hatten als Gruß Licht getauscht.
Und bei genauem Hinhören konnte man verstehen:
"Tausende von Sonnenstrahlen, tanzen auf Millionen Eiskristallen.
Was - frag ich mich - würde wohl passieren, würde ein Kristall das Licht nicht wieder verlieren?
Als Feuer der Hoffnung, auch in tiefdunkler Nacht. Eines unter vielen - Aufgewacht!"