Michael Hübner

Alleingang bis zum Untergang

Keiner wusste wie es kam, dass die Toden aus ihren Gräbern stiegen und die Lebenden verspeisten. Die einen gaben der Umweltverschmutzung die Schuld, die anderen einem Virus. Die Kirche meinte es läge an dem sündigen Leben der Menschen, und Gott bestrafe sie auf diese Weise. Aber egal was der Grund auch immer war, jetzt, wo die meisten Menschen entweder verspeist waren, oder sich selbst in Zombies verwandelt hatten, waren alle Mutmaßungen bedeutungslos. Blühende Städte wie New York, Tokio, oder Paris, waren zu Friedhöfe mutiert. Dabei hatte alles so klein angefangen. Als die ersten Fälle von Kannibalismus in der Presse bekannt wurden, hielten das alle für Gerüchte. Für einen Werbegag für einen bald im Kino anlaufenden Horrorfilm. Doch die steigende, sehr realistische Zahl der Toden, widerlegte schnell dieses Gerücht. Ich war gerade auf der Arbeit, als der Blitzsturm der Verwesung mit aller Macht über uns hereinbrach. Meine Brötchen verdiente ich als Lageristin in einem Supermarkt. Da mich zuhause nicht viel erwartet, außer meinem Kater Benny, bin ich immer ganz froh, dass ich etwas Zerstreuung auf der Arbeit von meiner Einsamkeit bekomme. Ich hatte noch nie viele Freunde, ich war immer ein Schattenkind das sich ängstlich in der Ecke versteckte, um bloß nicht angesprochen zu werden. Einen festen Freund, der mein Herz mit Liebe füllte, besaß ich ebenfalls nie. Ich finde einfach keinen Anschluss an die Menschen um mich herum, sie sind wie Wesen von einer fremden unfreundlichen Welt für mich. Eine Welt, in die ich nicht gehöre. Mit Tieren versteh ich mich seit jeher viel besser. Sie würden mich nie belügen oder betrügen, so wie es die Menschen miteinander machen. Als die Zombies unseren Markt stürmten, verbarrikadierte ich mich dort mit meinen Arbeitskollegen. Doch sie leisteten mir nicht besonders lange Gesellschaft. Denn vor Angst in Unwissenheit zu schwelgen, darüber was mit ihren Familien geschehen sein könnte, und da das Telefonnetz zusammen gebrochen war, verließen meine Kollegen mich kurzerhand und machten sich auf den Weg nach Hause. Ob sie ihre Angehörigen erreichten, weiß ich nicht, denn ich hab nichts mehr von ihnen gehört. Wahrscheinlich sind sie jetzt genauso tot wie alle anderen. Aber ich sollte nicht allzu lange allein bleiben. Plünderer stürmten den Supermarkt und ließen sich dort nieder. Ohne Rücksicht nahmen sie sich was sie wollten, doch was sie mir antaten, ist unaussprechlich. Wenn Männer dem Ruf des Triebes folgen, können sie ohne Zombiebiss zu Monster werden. Sie sperrten mich im Büro des Filialleiters ein, damit ich nicht entkam, und sie weiter ihren Spaß mit mir haben konnten. Zumindest dachten sie dass ich hier nicht entkommen konnte. Nur weil ich eine Blondine bin, heißt das noch lange nicht, dass ich blöd bin! Mit einer kleinen Glasscherbe, die ich im Mülleimer fand, schnitt ich meine Fesseln auf. Meine Entehrung sollten diese Bastarde bitter bereuen, schwor ich mir. Über den Lüftungsschacht gelangte ich in die Lagerhalle. Die Bande tobte sich im Moment in den Verkaufsräumen aus, und daher war hier keine Menschenseele. Auf Zehenspitzen huschte ich zum Rollgitter, wo die Waren immer angeliefert wurden. Ich drückte den Knopf der das Gitter öffnete, lief zurück zum Lüftungsschacht und versteckte mich dort. Die Zombies strömten wie Ameisen in die Lagerhalle. Bald hatten sie die Verkaufsräume erreicht und stürzten sich auf die überraschten Plünderer. Einige wehrten sich und schossen auf die Zombies. Mehrere Untode gingen zu Boden. Doch die Übermacht war einfach zu groß! Im Lüftungsschacht konnte ich die Todesschreie der Plünderer vernehmen. Ich hörte noch ein paar Schüsse und dann war es totenstill. Ich zog mich in mein kleines Büro zurück. Mein Lebensraum hatte sich dramatisch verringert. Meine Überlebenschance hatte sich ebenfalls minimiert, ohne Lebensmittel würde ich über kurz oder lang verhungern. Was für eine Ironie des Schicksals, verhungern in einem Supermarkt! Das Büro war dass einzige in der näheren Umgebung, das nicht vom Tod regiert wurde. Die einzige Möglichkeit zu überleben, bestand darin, auszubrechen. Also machte ich soviel Lärm wie ich konnte, um so viele Zombies wie möglich an die Tür zu locken. Nach kurzer Zeit hörte ich lautes Stöhnen und Kratzen an der Tür. Ich hoffte dass jetzt nicht mehr so viele Tode im Lagerraum waren und kletterte zurück in den Lüftungsschacht. Das Glück war mir hold! Die meisten Untoden waren ihren Artgenossen zu der Lärmquelle gefolgt. Mein Ablenkungsmanöver hatte funktioniert! Nur eine handvoll Zombies befand sich noch im Lagerraum. Ohne größere Probleme manövrierte ich sie aus und entkam aus der Halle. Voller Freude aus meinem Gefängnis geflohen zu sein, übersah ich einen weiteren Zombie und prallte voller Wucht mit ihm zusammen. Wir stürzten gemeinsam zu Boden und wälzten uns im Dreck. Ich konnte mich unter großen Mühen und ohne gebissen zu werden, aus seiner Umklammerung befreien. Allerdings hatte mein Kampfgeschrei, als ich mit dem Monster gerungen habe, sämtliche Zombies in der Umgebung auf mich aufmerksam gemacht. Sie kamen aus allen Ecken und machten Jagd auf mich. Ich floh in eine U-Bahnstation und schloss mich dort in eine sehr verdreckte Toilettenkabine ein. Somit war mein Lebensraum noch mehr geschrumpft. Meine seelische und körperliche Kraft schwand von Minute zu Minute immer mehr. Aber ich zwang mich dazu nicht aufzugeben und den Verstand vor Angst zu verlieren. Da hörte ich schlurfende Schritte. Die Zombies waren meiner Spur gefolgt und hatten mich jetzt gefunden. Etwas später hörte ich kratzende Geräusche an der Toilettentür und wusste ich war gefangen. Immer mehr der Zombies kamen und kratzten und zerrten an der Tür. Einige warfen sich gegen die Türe und ich wusste dass sie Irgendwann dem Druck nicht mehr standhalten würde, und dann aufbrach. Also musste ich einen Ausbruchversuch riskieren. Ich weigerte mich in irgendeiner Gesellschaft einzutreten. Besonders in eine Gemeinschaft der Toden. Ich würde weiter kämpfen bis zum bitteren Ende! Ich nahm die Klobürste zur Hand, die neben der Toilettenschüssel lag, und rüstete mich zum Kampf. Mit Entschlossenheit trat ich die Tür auf. Ein paar von diesen Kreaturen konnte ich niederschlagen, aber ich konnte nicht verhindern dass ich gebissen wurde. Ich wusste was mit mir jetzt geschah, ich würde einer von ihnen werden. Während sich die Zombies an meinem Fleisch labten, zog ich einem toten Polizisten die Pistole aus dem Hohlster. ,,Ich hoffe ihr erstickt an mir!”, sagte ich noch, dann steckte ich die Pistole in den Mund. Ich wusste nicht was nach diesem grauenvollen Leben kam, aber wenn es einen Himmel gab, würde ich mich dort ebenfalls niemanden unterordnen und wie alle anderen auf einer Wolke, Harfe spielend durch die Gegend fliegen. Ich war im Leben ein Einzelgänger und war es auch im Tode. Ich schloss die Augen und drückte den Abzug!

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.08.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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