Sabine Peters

Philosophische Überlegungen aus “Der Wahnsinn geht weiter“



 Philosophische Überlegungen

(aus "Der Wahnsinn geht weiter")

 

 
Selten kommt es bei mir vor, aber kürzlich hatte ich dann doch einmal einen Tag, an dem ich nicht wirklich etwas zu tun hatte und zu allem Überfluss dann auch noch nicht einmal etwas mit mir anzufangen wusste. So geschah es dann, dass ich plötzlich eine nervige Frage im Kopf hatte, zu der mir aber keine einzige sinnvolle Antwort einfallen wollte.
Oder können Sie mir vielleicht sagen, warum man denn eigentlich bei einer Wahrsagerin vorher einen Termin ausmachen muss?
Mir fiel dazu jedenfalls bis heute keine Erklärung ein, und zunächst einmal beschäftigte mich die Überlegung dermaßen, dass ich dachte, eine Runde joggen zu gehen würde mir vielleicht gut tun. Aber leider hatte sich an meinen Laufschuhen ein Teil der Sohle gelöst, der wollte zunächst wieder angeklebt werden. Also nahm ich den Alleskleber aus der Schublade, las noch kurz die Gebrauchsanweisung, und prompt passierte es wieder:
Wieso bekommt man den Alleskleber überhaupt aus der Tube, wenn er doch wirklich alles klebt?
Ich versuchte, den Gedanken aus dem Kopf zu verdrängen und ging laufen. Doch selbst dabei wurde ich von den aufgekommenden Fragen verfolgt. Ich versuchte, schneller zu laufen, sollte das doch dann auch noch mehr Kalorien verbrennen und schlank machen, und schon war sie da: Die nächste Frage.
Wenn Schwimmen auch schlank machen soll, was machen Wale denn dann eigentlich falsch?
Ich würde jedenfalls bestimmt noch ein bisschen schlanker werden, denn jetzt fing es auch noch heftig an zu regnen. Ich lief noch ein bisschen schneller, und auch die Leute, die ihre Hunde gerade ausführten, legten ein wenig an Tempo zu. Und natürlich fragte ich mich genau in diesem Augenblick:
Werden kleine Leute eigentlich später nass?
Und dünne Menschen mit weniger Körpervolumen weniger nass?
Immerhin gelang es mir, auf den letzten Metern bis nach Hause zu der Überzeugung zu gelangen, wenigsten diese beide Fragen mit einem vagen „Ja“ zu beantworten.
Trotzdem hatte das Joggen da auch nicht wirklich genützt, und mittlerweile hatte ich von der sportlichen Betätigung auch Hunger bekommen. Zu Hause angekommen, machte ich mir dann auch sogleich ein leckeres Wurstbrot, und hatte noch vor dem ersten Bissen bereits die nächste Frage im Kopf:
Dürfen verliebte Vegetarier eigentlich Schmetterlinge im Bauch haben?
Und, dürfen sie?
Die ernsthaften Gedanken, die ich mir dazu machen wollte, wurden unterbrochen, da meine Tochter zu mir kam und Hilfe bei den Mathematikhausaufgaben brauchte. Ich schaute mir ihre Probleme an und stellte fest, ich hatte die gleichen, doch schon kam mir da eine Idee:
Wenn ich denn jetzt einfach mal ein Lösungsmittel einnehme, ob wir dann da weiterkommen?
Ich hatte aber leider keines im Haus, also blieb auch diese Frage wie die Mathematikaufgaben unbeantwortet. Schade eigentlich.
Aber ich hatte auch keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, weil mein Mann gerade zur Tür hereinkam. Als wir dann beide gemütlich bei einem Kaffee am Tisch saßen und er mich fragte, wie denn mein Tag gewesen sei, überlegte ich, ihm von den unsinnigen Fragen, die mich nun schon fast den ganzen Tag beschäftigten, zu erzählen. Doch bevor auch nur der erste Satz über meine Lippen kam, hatte ich bereits die nächste Frage schon im Kopf.
Wenn ich ihm jetzt zwei von diesen Dingen erzähle, und er lacht sich über jedes halb tot, habe ich dann vielleicht einen Mord begangen?
Ich bemerkte, dass sich ein Grinsen in mein Gesicht schlich, dass schnell wieder verschwand, als ich, um es zu unterdrücken, einen Schluck von meinem Kaffee nahm und feststellte, dass die Milch fehlte. Ich eilte also in die Küche, um welche zu holen, doch als ich sie aus dem Kühlschrank nahm, fiel mein Blick auf den Käse, den ich an diesem Abend in den Auflauf geben wollte, da er dort schon etwas länger lag, und erneut fragte ich mich:
Woran erkenne ich eigentlich, ob Schimmelkäse schlecht geworden ist?
Langsam fühlte ich mich, als würde ich gleich den Verstand verlieren, und griff deshalb schnell noch in den Schrank und fügte zu meinem Kaffee außer der Milch noch einen guten Schluck Schnaps hinzu. Vielleicht brachte mich das ja wieder zur Besinnung. Probehalber nahm ich auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer schon mal einen Schluck und fing augenblicklich an zu überlegen, ob es mir eigentlich in meinen 44 Lebensjahren schon einmal passiert war, dass ich abends zu Bett gehen wollte und nicht konnte, weil ich vom vorigen Abend noch darin lag.
Also, so konnte es nicht weitergehen. Ich brauchte Antworten, und zwar sofort. Und was tut man in der heutigen Zeit: Man googelt es. Und siehe da, ich war nicht die Einzige, der diese Gedanken durch den Kopf gingen. Für alle Fragen fand ich zahllose Einträge. Neugierig geworden klickte ich alles mögliche an. Und was passierte? Zusätzlich zu meinen eigenen Fragen fand ich noch mehr Fragen. Denn andere wollten wissen, ob eine Ampel tot sei, wenn man sie bei Rot überfahre. Oder aus welchem Material denn nun eine Holz-Eisenbahn sei?
Nur Antworten, die habe ich nirgendwo gefunden.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Sabine Peters).
Der Beitrag wurde von Sabine Peters auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.08.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Sabine Peters als Lieblingsautorin markieren

Buch von Sabine Peters:

cover

Der ganz alltägliche Wahnsinn: Heitere Kurzgeschichten von Sabine Peters



Szenen des Alltags, die einen manchmal an den Rand des Wahnsinns treiben, mal von einer ironischen Seite betrachtet und als lustige Kurzgeschichten verpackt.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Wie das Leben so spielt" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Sabine Peters

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Was nun? von Rainer Tiemann (Wie das Leben so spielt)
Brillantes Spiel der Shirley Brill von Rainer Tiemann (Klassisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen