Aleksandar Gievski

Ich hoffe, ihm nicht zu begegnen

Es gibt viele Zeichen, die uns im Alltag begegnen. Handzeichen, Straßenschilder und Markenzeichen oder auch Gesten, sei es mit den Händen oder die Gesichtszüge, können Zeichen sein, die man einfach lesen kann. Diese sind sichtbar. Man erkennt sie und reagiert darauf. Aber was ist mit den verborgenen Zeichen wie Geister, Omen oder den Teufel? Diese Frage musste ich mir stellen als ich vor wenigen Wochen einen alten Bekannten, den I. Hoffmann, - von allen nur Hoffe genannt, aus dem Spruch entstammend: „I Hoffe, ihm nicht zu begegnen“ -  rein aus Zufall zu Gesicht bekam. Völlig euphorisch begrüßte er mich und fing sofort an, zu erzählen. Er sprach darüber, dass er ein neues Leben begonnen hat und dass ihm eine zweite Chance gegeben wurde. Nie wieder werde er sich dem Alkohol ergeben und er wird versuchen vergangenes wieder gut zu machen. Natürlich war ich seinen Aussagen gegenüber skeptisch, denn ich kannte ihn schon sehr lange und einigermaßen gut. Ich wusste von seinen Ausschweifungen, da ich öfter wie gewollt Zeuge dieser gewesen bin. Darum ließ ich es mir nicht nehmen nach dem Grund seines Sinneswandels zu fragen. Was er mir darauf erzählte, ließ mich zuerst an seinem Verstand zweifeln.
Seine Geschichte fing damit an wie er, wie fast jeden Freitagabend nach der Arbeit, in sein Stammlokal ging, um sich den Arbeitsfrust der vergangenen Woche mit Bier und Schnaps aus der Seele zu brennen. Sein Spruch lautete immer: „Mit Schnaps verbrennen, mit Bier löschen“. So verbrachte er die Zeit dort mit trinken und philosophieren. Das zweite aber meist nur mit den anderen Betrunkenen, die sein überflüssiges Geschwafel  ertragen konnten. Nicht selten war es vorgekommen, dass der Wirt ihn darum gebeten hat das Lokal zu verlassen. Meist ging er freiwillig, an anderen Tagen musste der Wirt ihn dazu drängen. So wie an diesem entscheidenden Abend. Der Wirt, ein großer stämmiger Mann mit Glatze und alten Tätowierungen am Arm, der immer eine Lederweste trug, packte ihn am Genick, nachdem Hoffe ihn als Kohleschaufler bezeichnet hatte, - nur die beiden wissen was damit gemeint ist – und führte ihn zur Tür. Mit seiner freien Hand öffnete der Wirt die Tür und stieß Hoffe, der vom Körper eigentlich Durchschnitt war, einen Meter und achtzig groß und ungefähr fünfundsiebzig Kilo schwer, wie einen ausgehungerten Straßenköter auf den Gehweg hinaus. Dieser heftige Stoß wurde erst von einem parkenden Auto gebremst, auf dessen Haube er landete. Durch den Aufprall verlor er die Orientierung. Das einzige woran er sich noch erinnern konnte waren die Worte die der Wirt ihm, noch im Flug, zugerufen hatte. „Der Teufel soll dich holen!“ vermutlich war das ein Spruch den der Wirt an diesem Abend nicht nur einmal ausgesprochen hatte, nur hat er in diesem Moment unbewusst jemanden damit erreicht.
Wie durch ein Instinkt geleitet bahnte er sich schwankend seinen Weg durch die Gassen. Sein Blickfeld ging nicht über seine Nasenspitze hinaus. Endgegenkommende Hindernisse erschienen ihm nur als verschwommene Umrisse, denen er versuchte, so gut es ging auszuweichen. Als er die Innenstadt verlassen hatte, ging er auf einer Straße die durch ein Industriegebiet führte, was nicht sein direkter Weg nachhause gewesen war sondern eine längere Route.
Am Anfang dieses Industriegebietes erstreckt sich ein langes, nur aus Betonplatten gefertigtes, vierstöckiges Parkhaus. Links, an der langen Seite verlief die Straße auf der Hoffe im Zickzack-Kurs entlang ging. Zwischen der Straße und dem Parkhaus befand sich ein drei Meter langer Grünstreifen.
 Irgendwo in der Mitte überkam ihn die Übelkeit. Schnell versuchte er an dem niedrigen Geländer, das die Straße von der Wiese trennt, Halt zu finden. Der Versuch misslang jedoch und er katapultierte sich, Kopf voraus in das hohe Gras, woraufhin er sich dann mehrmals übergab und in seinem Erbrochenen einschlief.
 
Nach einer gewissen Zeit, wie lange wusste er nicht mehr, kam er wieder zu sich. Er öffnete die Augen. Das fahle Licht einer Straßenlaterne fiel ihm ins Gesicht. Neben der Übelkeit und einigen Schmerzen an seinem Körper, hallte auch noch, immer wieder des Wirtes Standardspruch in seinen Kopf. ...Der Teufel soll dich holen! ... Der Teufel soll dich holen! ... Der Teufel soll dich holen! ...
Mit größter Mühe rappelte er sich wieder auf.
Dann sah er ihn vor sich stehen. Den mächtigen Luzifer. Eine Schattengestalt mit zwei gewaltigen Hörnern auf seinem Kopf und einem kräftigen, übermenschlichen Körper. Tausend Spieße bohrten sich aus seiner Haut nach außen. Vor Schreck und Entsetzen sprang Hoffe auf und lief davon, buchstäblich vom Teufel gejagt. Als er zuhause ankam, schloss er sich ein und nahm eine Bibel zur Hand und sprach ein Gebet nach dem anderen. Erst nach zwei Tagen traute er sich wieder aus dem Haus. Durch diese Erfahrung  beschloss er nun, sein Leben zu ändern. An Gott zu glauben und den rechten Weg zu finden.
 
Bevor ich mich von ihm verabschiedete, fragte ich ihn, wann das denn passiert sei und er sagte vor drei Tagen. Ich ging und wünschte ihm noch weiterhin viel Glück. Aus reiner Neugier und da ich in der Stadt zu tun gehabt hatte ging ich zu der Stelle, die Hoffe mir beschrieben hatte. Diese war leicht auszumachen, man musste nur der Spur von Erbrochenem folgen, die schon am Anfang der Straße begann. Ich stand neben der Laterne und sah das eingedrückte Gras in dem er gelegen haben musste. Als mich mein Blick dann zum Parkhaus hin führte ging mein Puls für kurze Zeit schneller. Da stand er nämlich. Der mächtige Luzifer mit seinen gewaltigen Hörnern. Hoffe hatte nicht gelogen. Nur war es nicht der Herr der Finsternis sondern Efeu. Der Efeu kletterte an mehreren Stellen die Betonwand des Parkhauses bis ganz nach oben. An dieser Stelle verbunden sich zwei Stränge und bildeten in der Mitte ein Gestrüpp. Wenn man es nicht wüsste, würde es einem nicht auffallen aber bei näherer Betrachtung und aus dem richtigen Winkel konnte man glauben der Leibhaftige stehe vor einem. Und nachts wenn man nur die Schatten und den Umriss sieht verstärkte sich das Bild nur noch.
Fasziniert blieb ich noch eine Weile stehen und erfreute mich dieser Illusion. Dann nahm ich mein Taschenmesser, welches ich immer bei mir trage, und entfernte den Efeu an dieser Stelle von der Wand. Danach rannte ich zu einem in der Nähe liegenden Heimwerkerladen um eine Dose roten Lack und einen breiten Pinsel zu kaufen. Dann ging ich wieder zurück an die Stelle wo der Teufel stand.
 Als erstes achtete ich darauf, dass mich niemand sah, denn es war noch helllichter Tag. Als sich die Gelegenheit bot, nahm ich die Farbe und den Pinsel und malte ein Pentagramm genau an die Stelle die ich kurz davor vom Efeu befreit hatte. Aus Angst erwischt zu werden, konnte ich mein Kunstwerk nicht lange betrachten und ich machte mich aus dem Staub. Zuhause dann entsorgte ich das Corpus Delicti in der Mülltonne. Noch mit Adrenalin vollgepumpt, ließ ich mich auf meine Couch fallen und kicherte noch Minuten vor mich hin bis meine Frau mich aus diesem Tagtraum weckte.
 
Ich habe ein Zeichen gesetzt. Ein lesbares Zeichen. Ich habe aus einem verborgenen Zeichen ein sichtbares gemacht. Nicht um meine Absicht als Satanist kund zu tun. Nein, ich dachte nur, bevor Hoffe früher oder später den Weg mal wieder entlang gehen sollte und er sieht, dass sein Teufel nur ein blöder Efeustrauch war und dadurch seinen Willen verliert, sollte ich doch lieber versuchen, ihm zu helfen auf dem rechten Weg zu bleiben.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.09.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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