Meinhard Pahlke

Die Abenteuer eines Seefahrers

Die Abenteuer eines Seefahrers
Im Sturm vor Norwegen
 

Hart ist das Leben auf See und erfordert ganze Maenner. Dieser Ausspruch ist nicht nur eine Floskel und hat mit Angeberei nichts zu tuen, sondern beschreibt treffend das Leben auf See.
Eine Seeromantik wie in schoenen Liedern besungen hat es nie gegeben. Im Gegenteil. Unmenschlich und entbehrungsreich war jahrhundertelang das Leben auf See und noch bis auf den heutigen Tag befahren Schrottschiffe unter Billigflagge ,die nur noch durch den Rost zusammen gehalten werden wie  Geisterschiffe  die Weltmeere weil sie keinen einzigen vernuenftigen Hafen anlaufen duerfen ohne sofort an die Kette gelegt zu werden. Auf ihnen ist das Leben nicht nur hart, sondern besteht nur noch aus Entbvehrung.
Matrosen sind Seeleute, alles andere sind Seefahrer wie der Bordelektriker, der Schiffszimmermann, der Supercargo, der Steward , der Baecker und der Schiffskoch. Ich war Schiffskoch und bin mit verschiedenen Reedereien rund um die Welt gefahren weil ich mir die Schiffe nicht nach Schoenheit ausgesucht habe, sondern wohin sie fuhren. Diesen Entschluss habe ich auf meinem ersten  Schiff mit einem Kapitaen gefasst der ein ehemaliger U-Boot Offizier war und ueber eine grosse  Lebenserfahrung verfuegte. Durch ihn lernte ich alles, was mit Seefahrt  zu tuen hat und er war es, der mir den Rat  gab  in 5 Jahren die gesamte Welt zu befahren und dann schnell weg zu  laufen und wieder an Land Fuss zu fassen weil ansonsten der Absprung immer schwerer wuerde.. Und genau das habe ich getan, wenn auch schweren Herzens, denn ein Schiff ist mehr als eine Firma oder ein Werk. Ein Schiff ist Heimat, Arbeitsplatz und Wohnort zugleich.
Verliert der Seemann sein Schiff aus irgendeinem Grund, verliert er nicht nur seinen Arbeitsplatz sondern Familie und Wohnort zugleich.
 Eine meiner Fahrten fuehrte mich nach Norwegen wo wir mit einer Ladung von 10.000 tonnen Phosphat aus Casablanca unterwegs waren nachdem wir einige Monate Sonne in den Tropen der karibischen See verbracht hatten . So richtig heftig traf uns die Kaelte bei der Einfahrt in den Fiord zur Hafenstadt Bergen wo uns zum ersten Mal bewusst wurde, dass es mit einem Landgang ohne ausreichendes Winterzeug nichts wuerde. Daran konnte auch die faszinierende Natur nichts aendern. Wir machten uns ernsthaft Gedanken darueber wie wir an Land gehen konnten. Nicht weil es verboten war oder wir nicht wollten, sondern alleine deshalb weil wir kein ausreichendes Winterzeug dabei hatten.Und fuer einige von uns wuerde es wohl zutreffen, dass sie nicht an Land ausgehen mussten, weil sie das Land ja vom Schiff aus sehen konnten. Aber es sollte noch schlimmer werden und so heftig, dass es in meinen Erinnerungen als eine der stuermischten Fahrten in meinem Seefahrtsleben erhalten geblieben ist.
Hergekommen waren wir mit einem Schiff, dass schwer beladen bei maessigem Wetter mit Windstaerke 4 ohne nennenswerten Seegang gut im Wasser gelegen hatte. Fuer die relativ kurze Fahrt von Bergen nach Hamburg  fuhren wir in Ballast, das heisst wir waren ohne Ladung und hatten nur Ballastwasser aufgenommen um nicht gleich bei dem ersten Brecher umzukippen, denn ohne Ladung ragten wir mit der Bordwand  haushoch ueber der Wasserkante und boten ein riesiges Angriffsziel fuer Wind und Wellen.
Jeder Beruf hat seine Licht und Schattenseiten, aber bei stuermischer See ist der Koch das aermste Schwein an Bord. Egal wie hoch die Wellen sind, ob der Dampfer in Wellentaeler wie in einem Fahrstuhl absinkt und auf der naechsten hochklettert oder voll in eine Wasserwand hineinstuerzt dass man glaubt der Dampfer bricht jeden Moment auseinander, hat der Koch zu kochen weil es der uebrigen Mannschaft egal ist wie er es schafft Essen auf den Tisch zu bringen.
Es ist deshalb extrem wichtig, dass die Kombuese die Nachrichtenzentrale des Schiffes ist und im Prinzip der Koch ueber alles Wichtige bestens informiert ist. Ich hoerte deshalb genau hin, als der erste Offizier Bemerkungen darueber machte, dass uns beim Ausgang aus dem schuetzenden Fiord orkanartiger Sturm erwartete. Da klingelten bei mir alle Alarmglocken, denn orkanartig bedeutet, dass Windstaerke 10
angesagt ist wo es keine Wellen mehr zu sehen gibt, sondern der Sturm das Wasser dermassen peitscht, dass das Wasser um das Schiff herum brodelt und nur noch weisser Gischt zu sehen ist. Wuerde ein Mann bei diesem Wetter ueber Bord gehen haette er keine Chance zu ueberleben weil er nach wenigen Minuten erfrohren waere und eine Bergung in der Regel aussichtslos bleibt.
Ich war  deshalb  nach dem Auslaufen aus dem Hafen damit beschaeftigt in den Lagerraeumen Dosen seefest zu verstaeuen und den Herd mit Eisenleisten zu sichern damit mir nicht die Dosen durch die Gegend flogen und die Toepfe von der Herdplatte weggerissen wurden waehrend die Mannschaft den ueberwaeltigenden Sonnenuntergang in einem Fijord an Deck beobachteten.
Geweckt wurde ich dadurch, dass ich quer aus meiner Koje flog und auf der gegenueber liegenden Wand auf dem Sofa landete.Da wusste ich, dass wir die offene See erreicht hatten.
Und dann kam das Programm, dass ich schon kannte. Der Dampfer rollte schwer durch die See, aber in diesem Fall presst man die Fuesse gegen den Bettkastenum nicht heraus zu fallen
Stemmte zusaetzlich einen Arm gegen die Bettleiste und schlief wieder ein.
Als ich bei Sonnenaufgang wach wurde traf uns die volle Wucht des Sturmes so stark, dass ich 5 Minuten brauchte um von der oberen Treppe in meine Kombuese zu kommen. Ich flog von einer Seite zur anderen ohne mich dagegen wehren zu koennen und bekam das noch irgendwie hin aus den unteren Raeumen Proviant yum Fruehstueck heraufzuschaffen. Es gab " tote Indianer ", das ist ein typisches Seemannsgericht , in Scheiben geschnittenes Corned beef, durch Pfannkuchenteig gezogen was dann im heissen Fett gebacken wird. Manche Schlaege des Dampfers waren so heftig, dass die Eier aus der Bratpfanne bis zur Decke flogen. Wer diese Nummer als Koch im Orkan hinter sich hat kann auch in jedem Zirkus auftreten. Durch einen nassen Sack auf dem Boden versucht man festen Halt zu bekommen, haelt sich mit einer Hand am Herd fest und hantiert mit der anderen Toepfe und Pfannen. Wenn man Pech hat, fliegt das fertige Essen mit einem einzigen Schlag vom Herd und dann heisst es von vorne anfangen und neu kochen.
Die Kuehlraeume befanden sich eine Treppe unter  Deck und wurden bei Sturm zu gefaehrlichen Abenteuergaenge. Zuerst wartet man vor der zentnerschweren Tuere zum Kuehlraum, bis das Schiff in einer geraden Lage ist und schliesst dann blizschnell den hebel runter. Damit ist man zumindest schon bis in den Vorraum gekommen. Hat man auch die zweite Tuere geschafft kommen einem die Rinderhaelften und halben Schweine , die an Haken an der Decke baumeln entgegen und koennen mit Leichtigkeit den Koch erschlagen wenn er nicht taenzerisch der gefahr ausweicht. Man hieft sich dann ein halbes Schwein auf die Schulter und wartet damit, bis die Tuere einigermassen in die richtige Lage kommt, sprintet heraus und schliesst blitzschnell, weil einem ansonsten die Ruere zurueck knallt und einem das Kreuz bricht. Danach wird die Treppe zur echten Herausforderung. In der Regel wartet man den Moment ab bis sich der dampfer mit  dem Bug nach unten senkt und dadurch die Treppe fast waagerecht wird. In diesem Moment spurtet man  los. Aber man hat eine Last von 40 Kg auf der Schulter und der Dampfer kommt schneller als gedacht wieder hoch, sodass nun die Treppe immer steiler wird bis es unmoeglich wird weiterzulaufen. Dann laesst man entweder fallen, oder schafft es noch die Last in den gang zu werfen um nicht rieckwaerts mit 40 Kg die Treppe hinab zu stuerzen.
Der Sturm war nun so stark geworden, dass sich das Meer in einer schaeumenden Gischt verwandelt hatte und esn den Matrosen verboten wurde sich an Deck aufzuhalten. Ich sah aus dem Fenster meiner Kombuese dem Inferno zu wie Brecher ueber Deck schlugen und  riesige Wassermassen abluden.Manche von ihnen trafen mit voller Wucht das fenster sodass ich unwillkuerlich zur Seite sprang.
Die Hueche befand sich Mittschiffs, das heisst, dass die Wohnaufbauten mitten auf dem Schiff waren. Vor und hinter dem Wohn und Kommandoaufbau befinden sich die Ladeluken. Dazwischen ragen die Ladebaeue in den Himmel mit denen schwerste Lasten in Haefen ohne ausreichende Kraene ein und ausgeleden werden. An dem achtern stehenden Ladebaum, hinter dem Eingang zur Kombuese befindet sich das Bootshaus in dem Werkzeue gelagert sind. In diesem Aufbau waren aber auch meine Kartoffeln gelagert.
Ich sah also besorgt an Deck und wusste, dass ich da rueber musste um einen Sack Kartoffeln zu holen. Aber als ich die brodelnde Gischt sah, die sich an Deck nach dem Ueberschlagen der Wellenbrecher .bildeten , kamen mir Bedenken ob ich das schaffen wuerde. Ich sah mir also genau die Brecher an, wenn sie ueber die Bordkante kamen und gegen das Bootshaus schlugen und zaehlte die Minuten dazwischen ob diese ausreichten um die Meter vom Hinterausgang bis zur Tuere des Bootshauses zu schaffen. Dann stellte ich mich  in Warteposition hinter der Tuere , hatte den Oeffnungshebel im Griff und sah, wie  Tonnen von Wasser auf Deck schlugen. Im gleichen Moment drueckte ich den Hebel herunter , schloss die Tuere hinter mir und sprinterte los. Ich durfte weder straucheln noch Auarutschen und musste in wenigen Sekunden die Distanz ueberbruecken. Dann stand ich schwer atmend in der Sicherheit des Bootsraumes um mich auf den Rueckweg zu konzentrieren der mit einem Sack auf der Schulter gelingen musste.Dabei hatte ich keine Moeglichkeit das Wasser zu sehen, sondern musste mich ganz auf mein Gehoer verlassen und warten, bis der Brecher voll gegen die Tuere schlug, dann raus, die Tuere schliessen und mit der Last auf der Schilter zurueck. In diesem Moment kippte der Dampfer stark auf die Seite und fast waere ich mitsamt den Kartoffeln ueber Bord gegangen.  In der letzten Sekunde gelang es mir den Tuergriff zir Kombuese zu fassen und kam sicher hinein bevor die naechste Welle an Deck schlug.
Noch 3 Tage tobte es um uns bis wir endlich Helgoland sahen  Am naechsten Tag legten wir in Hamburg an wo fuer die meisten von uns die Reise zu Ende ging, neuen Abenteuern entgegen.
 
 
 

 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.09.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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