Manfred Bieschke-Behm

So fing alles an


Es gibt viel über das Zusammenleben mit meinen zwei Herrchen zu berichten. Sehr viel. Alle möglichen lustigen und weniger lustigen Geschichten fallen mir ein, über die ich gerne erzählen würde. Aber womit fange ich an? Am Besten ist es, ich fange ganz von vorne an. Und deshalb erzähle Ich euch die Geschichte unserer ersten Begegnung und wie ich zu meinem Namen „Torky“ gekommen bin.
 
Wir waren fünf Katzenkinder die in einer Zoohandlung zum Verkauf angeboten wurden. Alle fünf waren wir in einer mit Sägespänen versehenden großen Holzkiste untergebracht. Mit gegenseitigem Necken und immer Mal wieder eingelegten Ruhepausen, die wir mit Dösen verbrachten, ließen wir es uns gut gehen. Unsere Mutter vermissten wir eigentlich gar nicht. Sie hat uns in den ersten Wochen unseres Lebens zu lebensfähigen Katzen gemacht und was auf uns zukommen sollte, wussten weder sie noch wir. Unser Leben war schön. Wir Katzenkinder waren zusammen und alles andere war uns egal. Bei all dem Spielen vergaßen meine Geschwister, dass, wenn sie ihre Notdurft verrichten wollten, dies nur an der dafür vorgesehenen Stelle tun sollten. Ich hatte mir gemerkt, wo ich meine Geschäfte zu verrichten hatte, und das hatte Folgen. Gerade, als ich mich an entsprechender Stelle nieder gelassen hatte, spürte ich, dass zwei Herren mich beobachteten. Ich fand diesen Vorgang unverschämt! In so einer diskreten Situation lässt sich niemand gerne beobachten – oder? Aber die Menschen ticken scheinbar anders – was mir in meinem späteren Leben immer wieder bestätigt wurde.
Unmittelbar nachdem ich das Katzenklo verlassen hatte, wurde ich vom Zoohändler gegriffen. Einfach so. Seine große klobige Hand griff unter meinen Bauch hindurch und hob mich hoch und höher. Meine kleinen Beinchen hatten keine Bodenhaftung und hingen frei in der Luft. Ich versuchte mit meinem Schwänzchen die Balance zu halten, was mir aber nicht so richtig gelang. Mein kleines Herzchen klopfe wie wild und um meinen Unmut kund zu tun, miaute ich so laut ich konnte. All meine Bemühen mich gegen meine ungewollte Situation zu wehren, schlug fehl. „Sie haben sich für diese Katze entschieden“ hörte ich den Zoohändler sagen. „Ja, diese soll es sein“ entgegnete der Jüngere von den zwei Herren. „Darf ich fragen warum es diese sein soll“ fragte neugierig der Zoohändler, der mich noch immer in seiner klobigen Hand hielt während ihn meine unglückliche Lage scheinbar unberührt ließ. „Diese soll es sein, weil sie offenbar „Stubenrein“ ist“.
Stubenrein – was heißt Stubenrein? dachte ich mir. Dieses Wort hatte ich noch nie gehört. Stubenrein – ob es noch mehr solch eigenartige Wörter gibt? Während ich mich noch immer mit dem Wort „Stubenrein“ beschäftigte, spürte ich einen leichten Druck auf meinem Kopf. Einer meiner künftigen Besitzer berührte mit seiner Nase meinen Kopf. Genau zwischen meinen zwei Ohren bewegte er seine Nase hin und her und dabei entstand ein angenehmes Gefühl. Die Menschen sagen dazu „Kopfmassage“ wie ich später erfuhr. Um mein Wohlbefinden zum Ausdruck zu bringen fing ich an zu schnurren. Das gefiel nicht nur dem „Nasenmenschen“, sondern auch seinem Begleiter und dem Zoohändler. Was nun geschah, fand ich dann weniger lustig. Offensichtlich hat mein Schnurren alle um mich stehenden animiert mich zu berühren und zu kraulen. Das war jetzt entschieden zu viel Nähe. Ich fauchte und zeigte selbstbewusst meine Krallen. Diese Aktion hatte nicht den erwünschten Effekt. Ich wollte Ruhe, sie fühlten sich unterhalten und waren amüsiert. Wenn das so weiter geht, dachte ich, werde ich mich wohl auf eine anstrengende Zeit einstellen müssen.
Bei all dem Umtrieb hatte ich meine vier zurück gelassenen Geschwister fast vollständig vergessen.
Leider blieb mir auch keine Zeit, mich von ihnen zu verabschieden. Denn jetzt ging alles ganz schnell. Der Zoohändler und meine neuen Besitzer wurden sich schnell handelseinig, dass heißt, dafür das sie mich mitnehmen dürfen, müssen sie vorweg bezahlen. Ware nur für Geld. Tiere nur gegen Bezahlung, dass ist das Handlungsprinzip.
Schnell wurde mir klar, weshalb meine neuen Besitzer eine ziemlich große dunkelbraune mit einem Reißverschluss versehende Reisetasche bei sich hatten. Eben in diese Tasche wurde ich verfrachtet. Ehe ich zur Besinnung kam, war der Reißverschluss auch schon zu gemacht worden und ich befand mich in einem dunklen Nichts. Unter mir war es flauschig, was daran klag, dass die Tasche mit einer zusammengefalteten Decke ausgelegt war. Das war zwar angenehm, entkrampfte die allgemeine Situation aber nur mäßig. Ich versuchte mich auf die mir unangenehme Situation einzustellen indem ich mich kriechend von einer Ecke zur anderen Ecke der Tasche vortastete. Schnell stupste ich mit meiner Nase gegen das Innenfutter der Tasche, was mir unangenehm war. Deshalb entschloss ich mich, mich so ruhig wie möglich zu verhalten und weitere Erkundigungen einzustellen. Die Tasche, in der ich mich befand, wurde – so meine Vermutung – von beiden Herren getragen. Die unterschiedliche Größe und Schrittfolge der Herren machten den Transport zu einem Höllentrip. Hin und her geschaukelt glaubte ich, der Transport würde nie ein Ende nehmen. Er kam mir endlos lange vor. Hinzu kam der Straßenlärm, der mir bis dato fremd war und Angst bei mir auslöste. Radau ist so gar nichts für meine Ohren.
Plötzlich war es ganz still und auch das Transportgeschaukel hatte aufgehört. Was war geschehen?
Meine Besitzer hatten die Tasche abgestellt und öffneten vorsichtig den Reißverschluss. Was hatte das zu bedeuten? dachte ich mir. Nach einigen Minuten des Wartens wagte ich es meinen Kopf aus der Tasche zu heben. Ich sah zunächst nach rechts und anschließend nach links. Ich konnte nichts Bedrohliches feststellen. Mutig erhob ich mich, und drückte mit meiner Vorderpfote den Rand der Tasche nieder, um so mehr von meinem Umfeld zu erspähen. Eigentlich ganz nett hier, dachte ich mir und nahm nun allen Mut zusammen und verließ die Transporttasche vollends. Plötzlich versagte mein Mut und ich wäre am Liebsten wieder zurück in die Tasche gesprungen. Aber das ging nicht, denn die Tasche war nicht mehr da. Einer meiner neuen Besitzer hatte die Tasche entfernt. Ich war völlig verunsichert. Hier roch es nicht nach meinen Geschwistern und auch sonst nicht nach Tieren, auch den Geruch des Zoohändlers war nicht wahrzunehmen. Ich merkte wie sich mein kleines Schwänzchen fast unkontrolliert hin und her bewegte. Das gleiche taten meine Ohren. Ein aufrechter Gang war mir nicht möglich. Mit eingenickten Beinen, und meinen Bauch auf dem Teppich entlang scheuernd, versuchte ich mein neues Umfeld zu erkunden.
Plötzlich hatte ich meine Stimme wieder entdeckt. Ich miaute so laut ich konnte. Ich brauchte Aufmerksamkeit. Ich bekam sie. Einer meiner neuen Besitzer nähert sich mir und nahm mich und legte mich in seinen angewinkelten Arm. Ganz lieb schaute er mich an. Er sprach mit sanfter Stimme mit mir und versuchte so mir die Angst zu nehmen. Wieder benutze er seine Nase, um mich zu liebkosen (Vermutlich ist das bei den Menschen die Art Zuneigung zu bezeugen). Ich fühlte mich wohl – Sauwohl! Katzenwohl. Mit mir im Arm liegend ging mein Besitzer durch alle Räume und erklärte mir wozu dies und das sich notwendigerweise in den Zimmern befanden. Ich konnte wenig Nutzwert erkennen, merkte mir aber, wo ich vorhatte mich künftig aufzuhalten. Die Fensterbank und die Schrankwand hatten es mir besonders angetan. Mal sehen, ob es klappt, ob ich mir die Plätze reservieren kann.
Gerade als ich anfing, meine Liegeposition so richtig zu genießen, stand ein kleines Mädchen vor uns. „Hallo Kim“ hörte ich meinen Besitzer sagen. „Wo kommst du denn her“ wollte er wissen. „Deine Wohnungstür stand offen und da dachte ich, ich komme dich einfach mal besuchen“. „Das ist eine nette Idee von Dir“ Während mein Besitzer das sagte hatte Kim mich entdeckt. Voll entzücken sagte Kim: „Oh wie süß. Ein Kätzchen! Darf ich streichel?“ Ja, natürlich darfst du es streicheln“: Kaum gesagt spürte ich die kleine tollpatschige Hand der kleinen Kim auf mir. Unbedarft berührte sie alles, was sie von mir ertasten konnte. Es war schon ein bisschen tollpatschig, aber auszuhalten. „Ist es ein Weibchen oder ein Männchen“ fragte Kim ganz aufgeregt während sie sich mit meinem kleinen Schwänzchen beschäftigte. Mit „Es ist ein Weibchen“ wurde Kim`s Frage beantwortet. Plötzlich stand noch eine Person im Raum. Es war die Mutter von Kim. „Familienzuwachs?“ fragte sie mit einem Lächeln und fühlte sich automatisch verpflichtet mich zu tätscheln. „So könnte man es nennen“ antwortete mein neuer Besitzer. „Hat die Katze schon einen Namen?“ „Nein, einen Namen hat sie noch nicht.“ „Was halten Sie von dem Namen Tork?“„ Tork? Was für ein ungewöhnlicher Name.“ „Die Katze hat ein Fell das wie Bernstein aussieht und bei uns in Thailand heißt Bernstein Tork – und deshalb fände ich den Namen Tork zutreffend.“ „Das stimmt, das Katzenfell sieht aus wie Bernstein“ äußerte sich mein Besitzer zustimmend. „Ich werde meinen Partner fragen, oh auch ihm der Name gefällt und wenn dem so ist, wird die neue Mitbewohnerin Tork heißen.
Obwohl ich persönlich nicht gefragt wurde ob mir der Name Tork gefällt konnte ich damit leben. Fortan wurde ich Torky genannt. Das Y wurde an Tork herangehangen weil meine Besitzer fanden, dass Tork zu hart klingt. Torky ist weicher und weiblicher. Na ja, die Menschen haben da so ihre Anwandlungen. Damit umzugehen ist nicht immer einfach aber sympathisch.
Achtzehn Jahre wurde ich von allen die mich kannten Torky genannt. Nur wenn meine Herrchen mal böse mit mir waren riefen sie mich Tork ohne Y. So geschehen wusste ich, dass ich etwas angestellt hatte, was ihnen nicht gefallen hat. Hierüber würde ich gerne ein anders Mal berichten.
Bis dahin macht´s gut. Eure Torky.

KATZE
du süßes
verwegenes reizendes Ding
du über alles geliebtes
Tier.





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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.10.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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