Auf der Jagd
Am nächsten Morgen erwachte die kleine Fee von einem heftigen Scheppern auf dem Hof des Schlosses. Ein großer Ast, offensichtlich mit viel Wucht geschleudert, hatte eine Tonne umgerissen. Deren Inhalt ergoss sich gerade über den Burghof. „Na hoffentlich ist das nur Regenwasser“, sprach die kleine Fee halblaut vor sich hin. „Ne, das war Apfelsaft!“, der kleine grüne Zwerg hatte bereits auf der Fensterbank gesessen und hüpfte nun vor der kleinen Fee auf den Steinfußboden.
„ Wo ist Prinzessin Bianca??“, fragte die kleine Fee den kleinen grünen Zwerg, der ja offensichtlich schon vor längerer Zeit aufgestanden war. „ Oh, das ist eine ganz interlegende Prinzessin, die holt uns etwas zum Frühstück und Provirand für die Tour in die Berge.“, sprudelte von den Lippen des kleinen grünen Zwerges. „ Meinst du, dass die Prinzessin „intelligent“, also schlau ist und uns „Proviant“, also Reiseverpflegung holt?“ „ Aber natürlich, „interregent“, hab ich doch gesagt und was „Polifant“ist weiß ich natürlich.
In diesem Augenblick betrat Prinzessin Bianca den Raum. Sie hatte einen Rucksack in der Hand, und direkt hinter ihr erschien eine Zofe die ein Frühstückstablett von beeindruckender Größe balancierte.
Die Prinzessin musste wohl die königliche Speisekammer geplündert haben, denn auf dem Tablett häuften sich Köstlichkeiten der unterschiedlichsten Art.
Es gab einen Korb mit herrlich duftenden frischen Brötchen, Butter, Schokolade, Marmelade, Honig, Pfannkuchen, Rührei , gekochtes Ei, Wurst, Käse und sogar ein paar Stücken kaltes Brathühnchen.
„Brathühnchen!“, mit diesem Schrei stürzte sich der kleine grüne Zwerg auf das Brathühnchen, das in kürzester Zeit vertilgt war. Die Prinzessin lächelte zufrieden, vorsichtshalber hatte sie sich nämlich noch am Vorabend in einem Spezial-Lexikon über die wichtigsten Umgangsformen mit Zwergen informiert.
Auch die anderen aßen sich erst einmal satt. Die kleine Fee hatte gar nicht bemerkt wie hungrig sie war, aber bei diesen Köstlichkeiten konnte sich keiner zurückhalten.
Als alle gegessen hatten stand die kleine Fee auf und ging an das Fenster. Es war ein sonniger Tag. Die Luft war mild und die Sonne schickte trotz der frühen Stunde schon ihre wärmenden Strahlen zur Erde. Im Morgendunst waren die Berge erst schemenhaft zu erkennen. Die kleine Fee nahm einen tiefen Atemzug und wollte gerade ausrufen wie schön und friedlich alles hier sei, als krachend ein Felsbrocken im Hof landete. Gleich gefolgt von einem zweiten. Die beiden Steine hatten zum Glück zwar niemanden verletzt und keinen ernsthaften Schaden angerichtet, waren aber doch so groß, dass sie nicht ohne weiteres zu entfernen waren.
Blitzschnell waren die kleine Fee und der kleine grüne Zwerg aufgesprungen, hatten sich den Verpflegungsrucksack auf den Rücken geworfen. Noch ehe Prinzessin Bianca auch nur ein Wort sagen konnte waren die Beiden genauso wie sie gekommen waren, nämlich durch das Fenster, verschwunden. Zurück blieb eine verdutzte Prinzessin der der hastig gerufene Abschiedsgruß noch in den Ohren klang. „ Aber ich wollte doch mit!“, stieß sie trotzig hervor „Dann geh ich eben alleine fügte sie hinzu und zog sich ihre königlichen Bergschuhe an. Fünf Minuten später hatte auch sie das Haus verlassen. Für alle Fälle hatte sie eine Nachricht auf ihrem Bett hinterlassen:
HM,hP! (Hallo Mamma, hallo Papa !)
Liebes Königspaar !
Ich, PB( Prinzessin Bianca) gehe mit meinen neuen Freunden,
der kF (kleinen Fee) und dem kgZ ( kleinen grünen Zwerg )
in die Berge um die Ursache für die dauernden Angriffe zu ergründen.
Bin spätestens in zwei Tagen zurück !
MekgS (macht euch keine großen Sorgen)
Mit königlichem Gruß
PB
PS (Post Skriptum). Ich weiß dass das ihr nicht glaubt
dass es F`s gibt und Z`s gibt – tut es aber!
Seit Prinzessin Bianca ihre Brieftauben hatte, und das war immerhin seit fast zwei Jahren, liebte sie es alle möglichen Worte abzukürzen. Nur verstand niemand diese Abkürzungen. Aus diesem Grund schrieb sie meist dahinter, was die Abkürzung bedeuten sollte.
Die kleine Fee und der kleine grüne Zwerg brauchten sich nicht abzusprechen. Dank ihrer außergewöhnlich scharfen Augen hatten beide genau das gleiche gesehen. Sie hatten nämlich nicht, wie alle anderen auf die großen Felsbrocken im Hof geschaut, sondern in die Richtung, aus der die Steine herkamen. Dort hatten beide etwas entdeckt, was einem normalen menschlichen Auge verborgen bleiben musste.
In weiter Ferne, am Rand des Gebirges hatten sie zwei halb vom Frühnebel verdeckte große Gestalten erspäht. Diese Chance durften sich die kleine Fee und ihr Freund nicht entgehen lassen. Blitzartig schwangen sie sich aus dem Turmfenster, kletterten affengleich die Mauer hinab und spurteten über die Ebene auf den Rand des Gebirges zu.
Jetzt kam es den beiden zugute, dass die kleine Fee schon vom Rücken des Adlers aus die ganze Gegend genau erkundet hatte. Sie wusste genau an welcher Stelle man gut über einen kleinen Fluss springen konnte, hatte die wichtigsten Wege im Kopf und hatte sich auch alle Hindernisse gut eingeprägt. So kamen sie nur kurze Zeit später am Rand des Gebirges an.
Die beiden Gestalten waren natürlich schon verschwunden, aber da sie noch vor kurzer Zeit hier gestanden hatten, waren die Spuren die sie hinterlassen hatten noch frisch. Die kleine Fee entdeckte die großen Fußabdrücke, die sich dort, wo der steinige Boden des Gebirges in den etwas weicheren Boden der Ebene überging schwach vom Boden abzeichneten zuerst. „Schau dort“, rief sie noch vor Anstrengung schwer atmend. Dem kleinen grünen Zwerg war überhaupt nicht anzumerken, dass er gerade kilometerweit gerannt war. Er lief sofort zu der Stelle, sprang direkt in den größten Abdruck hinein, maß ihn mit seinen Schritten aus und schnupperte intensiv am Boden. Als er das getan hatte nießte er laut und vernehmlich und schimpfte in seinem üblichen Singsang: „Stinkiger Riesenstinkefuß, zu klein für Stein- und Baumriesen und zu stinkig für Wut und Streitriesen „Wieso,“, fragte die kleine Fee, die sich nicht ganz so gut mit Riesen auskannte, „riechen Riesenfüße unterschiedlich?“ Der kleine Zwerg baute sich vor ihr auf, hob den Zeigefinger und begann mit seinem Vortrag: „Lernt ihr denn gar nichts mehr in der Feenschule. Aber natürlich stinken stinkige Riesenfüße unterschiedlich. Wut und Streitriesen haben vom Toben und kämpfen meist sehr dreckige aber gut gelüftete und daher nicht so stinkige Stinkefüße. Stein und Baumriesen dagegen stehen ja meist nur herum und daher stinken ihre Riesenstinkefüße erbärmlich. An diesem Geruch kannst du diese Riesen ja überhaupt nur erkennen, denn wenn sie es wollen, bleiben sie bis zu einem Jahr völlig unbeweglich stehen. Und das hier sind eindeutig Steinriesenstinkefüße! “
Die kleine Fee hatte überhaupt nichts gerochen und auch jetzt, wo der kleine grüne Zwerg sie darauf hingewiesen hatte konnte sie außer der klaren Bergluft nichts riechen. Dafür sah sie etwas Erde zwischen den Steinen. „Komm“, rief sie dem kleinen grünen Zwerg zu: „ wir folgen den Spuren.“
So huschten die beiden durch die immer steiler werdenden Berge. Oft mussten sie um große Felsbrocken herumlaufen die die Riesen, wie man aus den Spuren unschwer erkennen konnte, einfach mit einem großen Schritt überwunden hatten. Trotzdem ließen sie sich nicht abschütteln. Von Zeit zu Zeit hörten sie in nicht allzu großer Entfernung das Poltern eines Felsbrockens oder das rumpelnde Geräusch von abrutschendem Geröll.
Nach dem sie die Riesen schon fast eine halbe Stunde verfolgt hatten, kamen sie auf einem großen Kessel an, der vollständig von unüberwindbar hohen Felsen umschlossen war. Hier endeten die Spuren und sosehr die beiden auch suchten, sie konnten keine weiteren Spuren mehr finden. Ebenso war außer dem Weg den sie gerade gekommen waren kein weiterer Weg aus diesem Kessel zu erkennen.
„ Vielleicht haben die stinkefüßigen Steinriesen uns eine falsche Spur gelegt“, gab der kleine grüne Zwerg zu bedenken. „ Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube auch nicht, dass die beiden gemerkt haben, dass sie verfolgt werden. Psst, da ist was“, die letzten Worte hatte die kleine Fee nur leise gezischt und dabei ihre Finger auf die Lippen gelegt. Augenblicklich huschten die beiden hinter einen großen Stein und der kleine grüne Zwerg zog vorsichtshalber schon mal seinen kleinen grünen Spaten aus der Gürteltasche.
Da, wieder hörte man deutlich das Geräusch eines wegrollenden Steins. Die Geräusche kamen eindeutig aus der Richtung aus der sie gekommen waren. Aus ihrem Versteck heraus konnten sie nun einen riesigen Schatten erkennen, Er drehte sich zur Seite und man konnte einen hässlichen großen Buckel erkennen. Die Person selbst wurde noch von dem Felsen verdeckt, hinter dem sie auf der Lauer lagen. Immer näher schob sich der Schatten auf ihr Versteck zu. Der kleine grüne Zwerg umklammerte fest seinen kleinen Spaten und sprang mutig hinter dem Felsen hervor.
Fortsetzung folgt....
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.10.2012.
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