Sie wusste es von ihrer Mutter. Als sie noch ganz klein war, fuhren sie immer mit dem Zug zum Arzt. Und auf diesen Fahrten erzählte sie ihr eine Geschichte, die sie nie vergessen durfte, denn irgendwann würde es keine Pflanzen mehr geben und dann sollen in dieser Erinnerung neue Pflanzen wachsen und auf ewig bestehen:
Es war vor langer, langer Zeit. Damals konnten alle Bäume, alle Sträucher, alle Blumen und jeder Grashalm noch laufen. Im ganzen Land waren sie als Wanderer" bekannt, denn sie brauchten nur Regenwasser zum Überleben. Und so wanderten sie tagein, tagaus, ohne Pause.
Dann kam eine grosse Zeit der Dürre. Viele Pflanzen starben, zu viele. Die wenigen die stark genug waren machten sich auf den Weg zum Regen. Sie wollten ihn bitten ihnen zu helfen und es wieder regnen zu lassen.
Aber der Regen stellte sich stur: Mein ganzes Leben lang habe ich es regnen lassen, nun brauche ich endlich eine Pause!"
Aber wir werden deine Pause nicht überleben. Viele sind schon gestorben und die wenigen die noch leben stehen hier vor dir."
Der Regen sah sich um und sah kaum mehr als fünf von jeder Art. Daraufhin besann er sich. Aber er wollte nicht einfach nachgeben, er wollte ein angemessenes Opfer der Pflanzen.
Tagelang überlegte er was er für die Mühe des Regenmachens verlangen solle und am achten Tage, als es nur noch drei von jeder Art gab, wurde ihm klar, welches Opfer für die Wanderer" das grösste wäre.
Er verbannte sie dazu ein Leben lang an ein und demselben Platz zu stehen. Ihre Wurzeln, mit denen sie sich fortbewegt hatten, sollen für immer in die Ewigkeit der Erde eingewachsen sein.
Und seit dieser Zeit, immer auf dem Weg zum Arzt, immer wenn ein Zug durch die Wälder und Felder rauscht, verneigen sich die Bäume, Sträucher, Blumen und Gräser voller Neid. Sie winken denjenigen zu die sie beachten, um ihnen zu zeigen, wie gut sie es doch haben zu reisen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.10.2001.
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