Thomas Schäfer

Das Hotel am Markt

Das Hotel am Markt

“Los, Geld her!“ sagte der Maskierte in einem Tonfall, der eigentlich keinen Widerstand zuließ. Um seiner dringenden Bitte gehörig Nachdruck zu verleihen, hielt er mir eine Knarre mitten ins Gesicht. Ich war gerade auf dem Weg in meine Stammkneipe und wollte nur schnell ein paar Bier trinken gehen. Und nun sowas.
“Vergiss es!“
“Los man, Geld her oder ich knall dich ab!“
“Ach komm schon. Du knallst mich eh nicht ab. Ich geb´ dir mein Geld nicht.“
“Man, was soll der Scheiss!? Gib mir doch einfach deine Kohle und gut ist!“ brüllte er sichtlich nervös werdend.
“Hör zu, ich werde dir auf keinen Fall mein Geld geben. Ich würde sagen, du hast heute echt Pech gehabt. Wenn du willst, dann knall mich ab. Is mir wurst. Is mir echt scheissegal. Mach einfach, dann hab ich´s hinter mir“, sagte ich mit vollem Ernst.
“Oh man, was soll der Mist? Meinst du, ich mach das hier aus Langeweile? Jetzt gib mir doch endlich dein Geld, und ich bin dann wieder weg. Bitte! Ich meine, ich kann doch jetzt nicht einfach aufhören. Wie sieht das denn aus? Ich halte dir die Knarre vorn Kopp, und du quatschst mich hier zu. Das geht so nicht. Also los, bitte!“
“Tjo. Pech, würd ich sagen.“ Langsam gewann ich Oberhand und war schon gespannt, was er jetzt sagen würde. Doch dann ließ er die Waffe sinken, setzte sich hin und sagte nichts mehr. So hatte ich mir einen Gangster eigentlich nicht vorgestellt.
“Was ist los mit dir? Gibst du immer so schnell auf?“ fragte ich und traf wohl einen wunden Punkt. Ein leichtes Schaudern ging durch seinen Körper, und er fing leise zu weinen an. Ein paar schnelle Bier konnte ich dann wohl vergessen.
“Ach man, nicht mal das schaffe ich“, kam es weinerlich aus seinem Mund. Er hob die Knarre und hielt sie sich an den Kopf. Mit einem leichten ´Klick´ entsicherte er sie.
“Bist du irre?!“ brüllte ich und trat mit voller Wucht gegen seine Hand. Die Knarre fiel runter.
“Aua! Spinnst du man! Das tut weh!“ Jetzt weinte er nicht mehr leise sondern heulte voll los. Was für ein jämmerlicher Anblick. Er hielt sich die Hand.
“Ich glaube, du hast mir ´nen Finger gebrochen. Scheisse!“
“Besser als ein Loch im Kopf oder?“
“Meine Alte bringt mich um! Da kann ich´s auch gleich alleine machen. Hättest du mir nicht einfach dein Geld geben können?“
“Naja, wenn ich dich jetzt hier so rumjammern sehe wärs mir auch fast lieber. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du so´n Weichei bist.“
“Na danke. Tolles Kompliment. Du und meine Frau, ihr würdet euch sicher gut verstehen“, wurde er sarkastisch.
“Das glaub´ ich kaum. Ich komm´ mit Frauen nicht besonders gut klar. Meine hat mich letzte Woche verlassen.“
“Oh, das tut mir leid“, sagte er. “Meine wird mich sicher auch bald verlassen. Ständig nervt sie rum. Nie mach ich ihr was Recht.“
“Das kenn´ ich. Is schon ´ne Plackerei mit den Weibern“, sagte ich wärend ich mich neben ihm niederließ und ihm leicht die Schulter tätschelte. “Also, was is los mit deiner Frau? Sag mal!“
“Ach, ich weiß auch nicht. Nie reicht die Kohle. Immer braucht sie neue Klamotten. Nur das Beste ist gut genug. Zweimal im Jahr müssen wir auch fett in Urlaub fahren. Ich verdiene dafür aber einfach nicht genug. Und sie sitzt nur mit ihrem Arsch zu Hause. Ich glaube auch, sie macht mit ´nem Anderen rum.“
“Oh, das ist Mist“, fühlte ich ehrlich mit ihm. “Bist du sicher?“
“Freitags geht sie immer ins Fitnesscenter. Sagt sie zumindest. Aber einmal bin ich ihr gefolgt. Nix war mit Sport. Ins Hotel am Markt is sie gegangen.“
“Das hört sich nicht gut an. Aber vielleicht hat sie da ja wirklich was zu erledigen gehabt“, versuchte ich ihn aufzubauen.
“Wers glaubt!“
“Ach komm. So scheisse gehts dir doch nicht. Sieh mich an. Keine Frau, keinen Job und überfallen wurde ich auch noch.“ Wir mussten beide kurz lachen.
“Los, wir gehen jetzt einen saufen!“ schlug ich vor. Er nahm die Maske ab, ich steckte die Knarre ein, und wir gingen in meine Stammkneipe.
Nach ein paar Bier fragte er mich “Sag mal, wieviel Geld hast du eigentlich dabei?“
Ich sah ihn von der Seite an und lächelte ihm ins Gesicht. “Nicht einen Cent. Ich lass immer anschreiben.“
Wir wären vor Lachen fast geplatzt.
Gut, dass ich ihm nicht sagte, dass ich freitags immer ins Hotel am Markt gehe.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.03.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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